Rückgabewelle in Tierheimen: Wenn das Haustier zu teuer wird

Inflation und steigende Energiepreise zwingen Tierhalter vermutlich bald zu schmerzhaften Sparmaßnahmen. Tierheime befürchten einen rapiden Anstieg an Tieraufnahmen.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 22. Juli 2022, 08:39 MESZ
Ein Hund liegt in einer Hundehütte.

Deutschlandweit werden jährlich etwa 350.000 Tiere in Tierheimen aufgenommen. Diese Zahl könnte nun größer werden: Mit den gestiegenen Preisen der Inflation können sich manche Tierbesitzer ihr Haustier möglicherweise nicht mehr leisten. 

Foto von Jana Shnipelson / Unsplash

Deutsche Tierheime stehen vor einer ganzen Reihe an Herausforderungen: illegaler Welpenhandel, unbedacht angeschaffte „Lockdown-Tiere“, die mit der abflauenden Pandemie wieder abgegeben werden, oder die erhöhten Aufkommen an Tierabgaben während der Ferienzeit. Hinzu kommt nun die Inflation durch den Krieg gegen die Ukraine, die dem Tierschutz zu schaffen macht. Denn Haustierbesitzer sind durch steigende Kosten für Futtermittel oder unvorhersehbare Tierarztbesuche zunehmend belastet. 

Stefan Hitzler, Vorsitzender des Landestierschutzverbandes Baden-Württemberg, befürchtet im Zuge der Inflation eine regelrechte Rückgabewelle, auch wenn bislang noch keine unüblich hohen Zahlen zu vermelden seien. „Wir sehen jedoch die dunklen Wolken schnell auf uns zukommen – besonders, wenn die Lebenshaltungskosten weiter so rasant steigen. Spätestens wenn sich die Erhöhung der Energiekosten auch im Geldbeutel der Menschen widerspiegelt, werden die Tierheime sehr darunter leiden.“

“Spätestens wenn sich die Erhöhung der Energiekosten auch im Geldbeutel der Menschen widerspiegelt, werden die Tierheime sehr darunter leiden.”

von Stefan Hitzler

Tierheime am Limit 

„Viele Tierheime sind aktuell überfüllt, weil viele Menschen sich in der Coronazeit unüberlegt Tiere gekauft haben, die jetzt wieder wegmüssen. Hinzu kommt jetzt noch die Urlaubszeit, die ohnehin immer eine traurige Hochsaison für die Tierheime darstellt, da stets mehr Tiere als sonst aufgenommen werden müssen“, klagt der Deutsche Tierschutzbund. Auch die vermehrte Aufnahme von kranken und alten Tieren schränke die Kapazitäten ein. Bekanntlich werden diese schwerer vermittelt, was wiederum dafür sorgt, dass Tierheimplätze länger belegt bleiben. Ein wahrer Teufelskreis, der im äußersten Notfall auch zu einem Aufnahmestopp führen kann, welcher wiederum eine schwierige Ausgangslage für die kommende Zeit darstellen würde. 

Und auch Tierheimen wird – genauso wie Haustierbesitzern – die Inflation zu schaffen machen. Sie müssen sich selbst finanzieren, unter anderem aus Spendengeldern. Steigen die Ausgaben für Privathaushalte, geht auch deren Spendenbereitschaft zurück und eine wichtige Einnahmequelle für Tierheime verloren. Dieser Rückgang sei laut Hitzler bereits jetzt spürbar. 

Was die meisten Menschen vergessen: Auch Tierheime verbrauchen Strom, Wasser und Gas – deren Preise gerade in die Höhe schnellen. „Ein Tierheim wie zum Beispiel das Tierheim Heidenheim mit rund 120 Tieren gibt pro Monat circa. 2.000 Euro nur für Strom, Gas und Wasser aus”, erklärt Hitzler. Im Zuge der Krise – mit im Vergleich zum Vorjahr um 41,9 Prozent gestiegenen Energiepreisen – werden auch auch diese Kosten steigen. Zudem warnt der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. in einer Pressemitteilung vor Engpässen der artgerechten Versorgung der rund 35 Millionen Haustiere. Denn aufgrund der erschwerten Gasversorgung könnten Futtermittel knapp und dementsprechend teurer werden – für Tierheime wie Haustierbesitzer gleichermaßen. 

Ein weiteres Problem könnten im Kontext der Inflation auch kranke Haustiere darstellen, die im Tierheim abgegeben werden, da sich ihre Besitzer die gestiegenen tierärztlichen Kosten nicht mehr leisten können. Tierheime würden auch an dieser Stelle mit unvorhergesehenen Kosten konfrontiert werden, um die Tiere ausreichend medizinisch versorgen zu können. 

Hilfe und ratsame Vorkehrungen – nicht nur in Krisenzeiten

Damit Tierheime langfristig entlastet werden, rät der Tierschutz generell zu intensiven Überlegungen vor der Anschaffung eines neuen Familienmitglieds – und zur Adoption aus dem Tierschutz. Die rechtzeitige Ausschau nach Betreuungsmöglichkeiten vor dem Urlaub steht dabei mit an erster Stelle. Möglichkeiten gibt es dafür einige. Von professionellen Tierpensionen über die Betreuung durch Familie, Freunde oder Bekannte im vertrauten Umfeld des Tieres bis hin zu Anzeigenportalen für sogenanntes Tiersitting. Jedoch benötigt die Buchung oder Absprache mit diesen einiges an Vorlaufzeit. Bevor man also selbst Hotel und Flüge bucht, ist es äußerst ratsam, den gewünschten Urlaubszeitraum zuallererst mit der Tierbetreuung abzugleichen. 

Um besonders derzeit für unvorhersehbare Ausgaben gewappnet zu sein, können Rücklagen oder Krankenversicherungen für Tiere in Zukunft eine wertvolle Stütze sein. Denn besonders Operationen können den Geldbeutel schwer belasten. „Ein Tierarztbesuch mit einer OP kostet meist zwischen 150 und 1000 Euro“, erklärt Hitzler. So sehr man sich ein Haustier auch wünsche – derartige Vorkehrungen sollten auf jeden Fall im Vorhinein getroffen werden, um böse Überraschungen und schmerzhafte Trennungen zu vermeiden. Hilfreiche und kostenlose Informationen können über Tierheime, Tierschutzvereine oder den Deutschen Tierschutzbund bezogen werden. Tierfreunde finden dort auch Informationen für Spendenmöglichkeiten.

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