Symbol eines Sinneswandels: Erster Tierheimhund im Weißen Haus

Die Bidens adoptierten ihren Deutschen Schäferhund Major von einem Tierheim. Hunde und Katzen aus der Tierrettung werden in den USA zunehmend beliebter – und so müssen auch immer weniger eingeschläfert werden.

Von Natasha Daly
Veröffentlicht am 13. Nov. 2020, 11:26 MEZ
Champ

Der zukünftige US-Präsident Joe Biden wird seine beiden Deutschen Schäferhunde mit ins Weiße Haus bringen: Champ, hier auf dem Bild zu sehen, und Major, der der erste Tierheimhund der Geschichte sein wird, der im Weißen Haus lebt. Die Nachricht hat Tierliebhaber im ganzen Land begeistert und spiegelt die wachsende Beliebtheit von Hunden aus der Tierrettung wider.

Foto von Win McNamee, Getty Images

Der Deutsche Schäferhund Major verbrachte seine Welpenzeit in einem Tierheim. Im Januar wird er ins Weiße Haus einziehen.

Nach vier Jahren ohne einen „First Dog“, wie der Hund des US-Präsidenten genannt wird, kehren Hunde zur Pennsylvania Avenue 1600 zurück. Major, den der zukünftige Präsident Joe Biden und seine Frau Jill Biden vor drei Jahren von der Delaware Humane Association adoptierten, wird der erste Tierheimhund der Geschichte sein, der im Weißen Haus lebt. Begleitet wird er vom 12-jährigen Champ, dem anderen Deutsche Schäferhund der Bidens.

Gerade in den sozialen Medien wurde diese Nachricht mit Begeisterung aufgenommen, denn sie spiegelt einen generellen Trend in der US-amerikanischen Bevölkerung wider: Tierheimhunde werden immer beliebter. Laut der American Society for the Prevention of Cruelty to Animals (ASPCA) wurden im vergangenen Jahr mehr als 1,6 Millionen Hunde adoptiert.

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Zwar gibt es keine offizielle Statistik darüber, wie viele Haustiere in den USA von Züchtern gekauft und wie viele aus Tierheimen adoptiert werden. Aber die American Veterinary Medical Association schätzt in einem Bericht aus dem Jahr 2018, dass es in den Vereinigten Staaten 77 Millionen Haushunde gibt und dass der größte Teil dieser Tiere von Tierheimen und Rettungsgruppen vermittelt wurde.

Die ASPCA schätzt, dass jedes Jahr etwa 3,3 Millionen Hunde in Tierheime kommen. Etwa 670.000 werden dort aus Mangel an Platz und finanzieller Unterstützung eingeschläfert – ein deutlicher Rückgang gegenüber 2011, als noch 2,6 Millionen Hunde und Katzen eingeschläfert wurden. Die ASPCA führt diesen Rückgang zum Teil auf die zunehmende Beliebtheit von Heimtieren zurück. (Weitere Gründe sind Aufklärungskampagnen, die zum Kastrieren und Sterilisieren von Haustieren aufrufen, sowie gestiegene Zahlen von entlaufenen Hunden, die wieder mit ihren Besitzern vereint werden konnten.)

Laut dem Presidential Pet Museum war Präsident Trump der erste Präsident seit James Polk in den 1840er Jahren, der kein Haustier im Weißen Haus hatte.

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    Seit George Washington – der zwölf Foxhounds hatte, darunter Drunkard, Taster, Tipler und Tipsy – hatten die meisten Präsidenten Haustiere. Andrew Jackson hatte einen Papagei, dem er das Fluchen beibrachte (und der bei Jacksons Beerdigung so viel fluchte, dass er weggebracht werden musste). Lincoln hatte zwei Ziegen.

    Teddy Roosevelt hatte eine Strumpfbandnatter namens Emily Spinach und seine Familie hielt ein „Staatsbegräbnis“ für ihr Kaninchen Peter Rabbit ab. Franklin D. Roosevelt hatte seine berühmte Scottish-Terrier-Hündin Fala, die in Bronze neben dem Denkmal ihres Herrchens in Washington D.C. verewigt wurde. Lyndon B. Johnson besaß den ersten Hund des Weißen Hauses, der von der Straße gerettet wurde (aber nicht von einem Tierheim vermittelt wurde): ein Terrier-Mischling, den seine Tochter an einer Tankstelle fand.

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    Die Bidens kauften 2008 ihren deutschen Schäferhund Champ von einem Züchter. Als sie 2018 auf der Suche nach einem Gefährten für ihn waren, sah ihre Tochter Ashley einen Facebook-Post der Delaware Humane Association (DHA): Sechs gerettete Deutsche Schäferhundwelpen suchten ein Zuhause, sagt Patrick Carroll, Geschäftsführer der DHA. Ihm zufolge seien die Welpen ins Tierheim gekommen, nachdem sie in ihrem alten Zuhause Kontakt zu Giftstoffen hatten. Die Bidens übernahmen Major zunächst als Pflegehund. Später kam der künftige Präsident Biden ins Büro der DHA, um die Papiere zu unterzeichnen und seine Adoption offiziell zu machen. „Wir behandelten ihn wie jeden anderen Interessenten auch“, sagt Carroll.

    Tierheimhunde werden zunehmend beliebter

    In den letzten zehn Jahren sei das Bewusstsein für die Option, Hunde aus Tierheimen oder von Rettungsorganisationen zu adoptieren, bei angehenden Hundebesitzern deutlich gestiegen, sagt Kitty Block. Sie ist die Präsidentin und CEO der Humane Society of the United States.

    „Früher dachten die Leute, dass Hunde in Tierheimen landen, weil etwas mit ihnen nicht stimmt“, sagt Block. Das Problem der vielen Hunde im Tierheim führt sie größtenteils auf Vermehrer zurück: kommerzielle Betriebe, die ausschließlich aus Profitgründen züchten, oft ohne angemessene Gesundheitskontrollen, Tierschutzstandards oder Informationen für interessierte Käufe. Das führt zu einer wahren Flut von Hunden, die schließlich in Tierheimen landen.

    „Als die Leute begriffen, dass die Hunde nicht in den Tierheimen sind, weil sie krank sind oder Verhaltensprobleme haben, sondern weil es zu viele von ihnen gibt, hat das wirklich dazu beigetragen, die öffentliche Wahrnehmung zu verändern“, sagt sie.

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    Block glaubt, dass vielen Menschen die Vorstellung gefällt, nicht nur einen neuen Begleiter in ihrem Haus willkommen zu heißen, sondern aktiv ein Leben zu retten. So wird außerdem potenziell ein Platz in einem Tierheim für ein neues Tier frei, das Hilfe braucht.

    Carroll von der Delaware Humane Association sagt, er habe in den 15 Jahren seiner Tätigkeit für die Organisation einen echten Anstieg bei den Adoptionen erlebt. Das schreibt er auch der Nutzung der sozialen Medien zu: Dort könne man viel mehr Interessenten viel leichter erreichen.

    „Ich weiß gar nicht mehr, wie wir es früher gemacht haben“, sagt Carroll. „Ich glaube, wir hatten Tiere auf unserer Website. Und die Leute kamen einfach rein und suchten sich eins aus. Aber heute sind unsere Facebook-Posts wirklich der treibende Faktor unserer Adoptionen. Das war auch bei Major der Fall: Ashley Biden hat die Welpen in einem Post gesehen.“

    Grund zur Freude bei den Wählern

    Wie gut Majors Einzug ins Weiße Haus bei der Bevölkerung ankommt, zeigt sich beispielhaft an Cori Spruiell aus Sarasota in Florida. Sie hörte am Sonntagabend nach der Wahl von ihrer Frau die gute Nachricht. „Ich fing ich direkt an zu weinen“, sagt sie. Es sei so erfreulich, „sich vorzustellen, dass ein Hund irgendwann womöglich mal abgegeben wurde und in einem Tierheim war und nun im Weißen Haus leben wird“.

    Die aktive TikTok-Nutzerin hat selbst einen Hund aus der Tierrettung. Sie holte sofort ihr Telefon heraus, um ein Video über ihre Reaktion auf die Nachricht von Major aufzunehmen, und teilte es mit mehr als einer Million Gleichgesinnten.

    Für sie fühlte es sich wie ein weiterer Meilenstein an, den es im Rahmen dieser Wahl zu feiern galt: die erste weibliche Vizepräsidentin, die erste Schwarze Vizepräsidentin – und der erste Präsidentenhund aus einem Tierheim.

    Haustiere – und insbesondere Hunde, die mit Abstand beliebtesten First Pets – im Weißen Haus zu haben, sei etwas, mit dem sich der Durchschnittsamerikaner identifizieren kann, sagt Spruiell. „Es symbolisiert Menschlichkeit und Wärme, und ich glaube, dass viel davon verloren ginge, wenn wir nicht diese persönliche Verbindung mit der Präsidentenfamilie hätten“, sagt sie.

    „Adopt don’t shop“

    „Adopt don’t shop“ (sinngemäß: „Kaufe nicht, adoptiere!“) ist in den sozialen Medien zu einem geflügelten Wort beim Tierschutz geworden. Gruppen wie das Shelter Pet Project helfen dabei, Interessenten im ganzen Land die Adoptionslisten der verschiedenen Tierheime und Rettungsorganisationen zugänglich zu machen. Viele Organisationen konzentrieren sich beispielsweise auf bestimmte Rassen.

    Andere, wie das Beagle Freedom Project, retten Hunde, die in Forschungsexperimenten eingesetzt werden, und finden für sie Familien. Die Humane Society International hilft bei der Rettung von Hunden aus Südkoreas Hundefleischhandel.

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    Kitty Block möchte angehende Hundehalter dazu ermutigen, eine Adoption von Tierheim- oder Rettungshunden in Betracht zu ziehen. Wer aber gezielt einen reinrassigen Welpen sucht, dem empfiehlt sie, bei der Auswahl eines verantwortungsbewussten Züchters umfangreiche Nachforschungen anzustellen. Dazu kann es gehören, die Eltern des Welpen kennen zu lernen, die Lebensbedingungen der Tiere in Augenschein zu nehmen und niemals einen Hund online zu kaufen.

    Spruiell, die einen Husky namens Samoa adoptiert hat, ist sich jedenfalls sicher: „Wer nicht auf der Suche nach einem Champion-Showhund ist und einfach etwas Liebe in seinem Leben braucht: Ein Tierheimhund kann all das und mehr geben.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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