Von Abba-Spinne bis Taylor Swift-Tausendfüßer: Spezies mit prominenten Namen
Wird eine bisher unbekannte Spezies neu beschrieben, braucht sie einen Namen – und der verrät oft viel über die Vorlieben ihrer Entdecker. Denn auch Forschende sind Fans.
Die winzige Kugelweberspinne Abba transversa ist das jüngste Beispiel für eine Spezies, bei deren Benennung ihre Entdecker von der Popkultur inspiriert wurden.
Die Entscheidung, wie sie ihr Kind nennen sollen, ist für viele Eltern eine schwere – meistens begleitet der Name einen Menschen schließlich ein Leben lang. Auch Forschende, die eine bislang unbekannte Spezies beschreiben, müssen sich fragen: Wie soll die neue Art heißen? Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos, denn im Grunde haben sie bei der Namensfindung freie Hand – solange sie sich an die Rahmenbedingungen der biologischen Nomenklatur halten.
Regeln der biologischen Nomenklatur
Diesen zufolge muss jede neue Artbezeichnung aus zwei Teilen bestehen: dem Gattungsnamen – der meist vorgegeben ist, weil neue Gattungen nur noch selten entdeckt werden – und dem Artnamen, der frei wählbar ist. Was viele Eltern sich für den Namen ihres Kindes wünschen, ist im Fall neuer Spezies Voraussetzung: Die Namenskombination muss einzigartig sein. Um unabhängig von Landessprachen weltweite Gültigkeit zu haben, ist der Name in den meisten Fällen außerdem lateinisch oder griechisch.
Abgesehen von diesen Vorgaben sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt und mit der Veröffentlichung von Merkmalbeschreibung und Name in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift rücken bisher unbekannte Arten nicht nur in den Blick der Öffentlichkeit, sondern repräsentieren auch bis in alle Ewigkeit die Vorlieben ihrer Entdecker. Denn wie Eltern, die ihr Kind statt nach den Großeltern lieber nach ihren liebsten Popstars, Roman- und Filmfiguren oder den Schauspielern, die sie spielen, benennen, sind auch Forschende nur Menschen – und Fans.
Manchen berühmten Personen wurde so bereits mehrmals die Ehre zuteil, namensgebend für eine Spezies zu sein. So zum Beispiel die US-amerikanische Musikerin Lady Gaga, die unter anderem für eine Farn-, eine Wespen- und eine Buckelzirpenart Namenspatin war. Noch mehr Fans unter Forschenden hat offenbar der Schauspieler Leonardo Di Caprio: Je zwei neu beschriebene Spinnen- und Käferarten sowie eine Blühpflanze tragen seinen Namen.
Einige aktuelle Beispiele für Fälle, in denen die Popkulltur ihre Spuren in der Wissenschaft hinterlassen hat, folgen hier.
Abba transversa – die Disco-Spinne
Über einen Zeitraum von 15 Jahren haben die Arachnologen Volker Framenau und Pedro Castanheira von der Murdoch University in Perth, Australien, in zoologischen Sammlungen rund 12.000 Kugelweberspinnen-Spezimen untersucht und dabei nicht nur eine neue Spinnenart, sondern gleich eine neue Gattung innerhalb der Kugelweberspinnenfamilie entdeckt. Bei der Namensfindung orientierten sie sich an ihrer gemeinsamen Lieblingsband: Sowohl Framenau als auch Castanheira sind große Fans der schwedischen Popgruppe Abba und haben die kleine Spinne darum Abba transversa getauft.
„Die Songs der Band Abba und die nachfolgenden Musicals Mamma Mia! und Mamma Mia - Here We Go again! sorgten bei den Autoren für stundenlangen Gesprächsstoff“, heißt es in der Studie, in der die Neuentdeckung der wissenschaftlichen Fachwelt vorgestellt wurde. Sie wurde in der Zeitschrift Evolutionary Systematics veröffentlicht.
Die Familie der Kugelwebspinnen umfasst weltweit 188 Gattungen und 3.119 Arten. Bei Abba transversa handelt es sich um eine millimeterkleine Einzelart, die aus den Küstengebieten der australischen Bundesstaaten New South Wales und Queensland bekannt ist. Von anderen Arten ihrer Familie unterscheidet sie sich durch zwei dunkle Flecken in der Mitte des Unterleibs und dicke Borsten auf dem ersten Beinpaar der Männchen.
„Etwa 80 Prozent der australischen Spinnenarten sind derzeit noch unbekannt und viele der beschriebenen Arten gehören wie Abba transversa verschiedenen Gattungen an“, sagt Castanheira. Ihm zufolge ist das Finden und Beschreiben bisher unentdeckter Arten von entscheidender Bedeutung, wenn es um die Wahl passender Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt geht.
Tödlich wie Keanu Reeves
Die Forschenden des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) sind offenbar wahre Cineasten. Das zeigt der Name, den sie einer bisher unbekannten, stark antimikrobiellen Naturstoffgruppe gaben, die sie im Februar 2023 entdeckten. Aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit gegen Pilzbefall tauften sie sie auf den Namen Keanumycine – in Anlehnung an die Rolle des Auftragskillers John Wick, den der US-amerikanische Schauspieler Keanu Reeves in der Filmreihe verkörpert.
Keanumycine werden von Bakterien der Gattung Pseudomonas produziert. Im Genom der Bakterien fanden die Forschenden Biosynthesegene für die neu beschriebenen Keanumycine. Sie gehören zu den nichtribosomalen Lipopeptiden mit seifenartigen Eigenschaften. „Die Lipopeptide töten so effizient, dass wir sie nach Keanu Reeves benannt haben, der in seinen Rollen auch extrem tödlich ist“, erklärt Sebastian Götze, Erstautor der Studie und Postdoc am Leibniz-HKI.
Pseudomonas Bakterien, die Keanumycine produzieren, sind giftig für Amöben.
Keanumycine wirken erwiesenermaßen gegen den Pflanzenschädling Botrytis cinerea, Auslöser der sogenannten Grauschimmelfäule, die jährlich für Ernteeinbußen sorgt. Außerdem hemmen sie für den Menschen gefährliche Pilze wie Candida albicans. Bisherige Untersuchungen haben ergeben, dass sie für pflanzliche und menschliche Zellen ungefährlich sind. Damit könnten sie eine umweltfreundliche Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln darstellen und sich für die Entwicklung neuer Mittel gegen Pilzinfektionen eignen.
Eine gute Nachricht, denn laut Götze befinden wir uns hinsichtlich sogenannter Antiinfektiva in einer Krise. „Viele humanpathogene Pilze sind inzwischen gegen Antimykotika resistent – unter anderem auch deshalb, weil sie in großen Mengen auf den Feldern eingesetzt werden“, sagt er.
Tausend Tanzbeine: Nannaria swiftae
Zwischen 18 und 38 Millimeter lang, der glänzende Körper karamellbraun bis schwarz mit weißen, roten oder orangen Flecken und weißen Beine – so die optischen Merkmale einer Tausendfüßerart, die im April 2022 erstmals beschrieben wurde. Äußerliche Ähnlichkeiten zur US-amerikanischen Sängerin Taylor Swift bestehen nicht, doch eine Gemeinsamkeit haben Insekt und Popstar trotzdem: den Namen. Nannaria swiftae heißt die Spezies, die der Gattung der Verdrehten-Krallen-Tausendfüßer zugeordnet wird, deren männliche Angehörigen verdrehte, kleine Krallen an den Vorderbeinen aufweisen.
Nannaria swiftae ist eine von insgesamt 17 bislang unbekannte Tausendfüßerarten aus den Appalachen, die Entomologe Derek Hennen und sein Team entdeckt, beschrieben und benannt haben.
Auch diese sucht man bei Taylor Swift vergebens. Doch Entomologe Derek Hennen von der Virginia Tech University in Blacksburg, Hauptautor der Studie, in der Nannaria swiftae erstmals beschrieben wird, hat einen anderen sehr guten Grund für die Namenswahl. „Ihre Musik hat mir geholfen, die Höhen und Tiefen des Studiums zu überstehen. Die Benennung einer neuen Tausendfüßerart nach ihr ist meine Art, Danke zu sagen“, erklärt er.
Nannaria swiftae ist eine von insgesamt 17 bislang unbeschriebenen Tausendfüßerspezies, die Hennen und sein Team in den Appalachen im Osten Nordamerikas gesammelt und analysiert haben. Unter ihnen auch Nannaria marianae, die Hennen nach einer anderen Person benannt hat, von der er offensichtlich großer Fan ist: seiner Ehefrau.