Deutschlands Artenvielfalt: Forschende entdecken Tausende unbekannte Insekten
Anhand von DNA-Proben sind Wissenschaftler auf zahlreiche Tierarten in Deutschland gestoßen, von denen bislang keiner wusste.
Insgesamt ergab die neue Studie aus München, dass hierzulande bis zu 2200 Mücken- und Fliegenarten bis heute unbekannt sind. Cecidomyiidae, Phoridae, Sciaridae und Chironomidae (von oben links nach unten rechts).
Dass es in Deutschland viele Tiere gibt, von denen niemand je gehört hat, damit rechnen hierzulande die wenigsten. Die neuesten Ergebnisse des nationalen DNA-Barcoding-Projekts „German Barcode of Life III“ (GBOL III) an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) belehren uns nun eines besseren: Tausende Insektenarten sind nach Angaben der Forschenden in Deutschland noch unentdeckt. Sie bezeichnen diese Arten als „Dark Taxa” – und meinen damit Tiere, die noch keinen wissenschaftlichen Namen tragen.
Vor allem in der großen Insektengruppe der Zweiflügler (Diptera), zu denen Fliegen und Mücken gehören, existieren nach Angaben der Studie viele nicht benannte Arten, nämlich zwischen 1800 und 2200. In Deutschland kennt man bisher rund 9.500 Fliegen- und Mückenarten.
Genetische Daten liefern Aufschluss
„Der hohe Anteil unentdeckter Artenvielfalt in einem vermeintlich gut untersuchten Land hat uns überrascht”, sagt Dr. Stefan Schmidt, der das Barcode-Projekt leitet. Insgesamt seien in Deutschland etwa 33.000 Insektenarten bekannt. „Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass es viel mehr Insektenarten bei uns gibt.” Mit den Untersuchen werde eine wichtige wissenschaftliche Grundlage geschaffen, um den Rückgang der Insekten in Deutschland insgesamt besser zu verstehen.
Für die genetische Studie, die im Fachblatt Insects veröffentlicht wurde, sammelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an verschiedenen Standorten in Deutschland 48.000 Proben: im Bayerischen Wald, den Allgäuer Alpen und auf dem Gelände der Zoologischen Staatssammlung München wurden in Fallen Insekten eingefangen. Von allen Tieren wurden genetische Sequenzen ermittelt, also Auszüge der DNA.
DNA-Datenbank für Tiere
Für das Projekt arbeiten verschiedene deutsche Institutionen zusammen, darunter das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn, das Staatliche Museum für Naturkunde in Stuttgart, die Universität Würzburg sowie die Entomologische Gesellschaft Krefeld. Zukünftig sollen Methoden entwickelt werden, um die Erfassung und Identifizierung bislang unbekannter Arten in der deutschen Fauna „drastisch zu beschleunigen”.
Die Daten sollen nicht in München verstauben, sondern werden in einer globalen Online-Bibliothek Fachleuten und der Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht. Und hier wurde bereits kräftig gearbeitet: Die Münchner haben bereits DNA-Sequenzen von 50.000 Tierarten der ganzen Welt erstellt und online gestellt.