Veganes Futter: Brauchen Katzen Fleisch?

Katzen dürfen keinesfalls vegan ernährt werden, sagt der Deutsche Tierschutzbund. Vegan ernährte Katzen sind gesünder als Katzen, die Fleisch fressen, heißt es hingegen in einer aktuellen Studie aus England. Eine Kontroverse am Futternapf.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 26. Sept. 2023, 08:56 MESZ
Eine gestreifte Katze beugt sich über einen blauen Futternapf.

Veganes Futter oder Fleischmahlzeit: Was in den Napf kommt, ist Entscheidung der Katzenhalter*innen. 

Foto von Antibydni / adobe Stock

Was wir essen, ist heute selten nur eine Frage des Appetits. Neben bestimmten gesundheitlichen Indikatoren wie Lebensmittelunverträglichkeiten oder Diabetes ist inzwischen immer häufiger die eigene Überzeugung ausschlaggebend bei der Entscheidung, was auf den Teller kommt. Rund zwölf Prozent der Deutschen ernähren sich laut einer Forsa-Umfrage aus dem September 2023 vegetarisch oder vegan. Gründe für den Verzicht auf tierische Produkte sind unter anderem der Klima- und Umweltschutz sowie das Tierwohl.

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Streng karnivore Stubentiger

Wer selbst kein Fleisch isst, hat eventuell den Wunsch, auch sein Haustier pflanzlich zu ernähren. Bei Hunden, die karni-omnivor – also Fleisch-Allesfresser – sind, ist laut der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) e. V. mit Einschränkungen eine vegetarische Ernährung möglich.

Anders sieht es bei Katzen aus. Sie sind streng karnivor, das heißt, ihr Stoffwechsel ist auf fleischhaltige Nahrung angepasst. Sie sind darauf angewiesen, tierisches Gewebe zu sich zu nehmen, weil sie zum Beispiel die Vitamine A und D nicht selbst oder aus pflanzlichen Vorstufen bilden können. Ihr Eiweißbedarf ist sehr hoch und weil sie diese aus tierischen Quellen besser verwerten, sind diese pflanzlichen vorzuziehen. Die für Katzen essenzielle Aminosäure Taurin kommt in natürlicher Form ebenfalls nur in tierischem Gewebe vor. Ein Mangel stört die Netzhaut-, Herz-, und Nervenfunktion der Tiere und beeinträchtigt das Immunsystem.

BELIEBT

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    “Eine vegane Ernährung entspricht nicht den ernährungsphysiologischen Grundbedürfnissen einer Katze.”

    von Verena Wirosaf
    Tierärztin und Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund e.V..

    „Eine vegane Ernährung entspricht nicht den ernährungsphysiologischen Grundbedürfnissen einer Katze“, sagt Verena Wirosaf, Tierärztin und Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund e.V.. „In den wenigen klinischen Studien zum Thema vegane Ernährung für Katzen wurden erhebliche Mangelerscheinungen bei Katzen festgestellt, die vegan ernährt wurden.“

    Sind vegane Katzen gesünder?

    Eine aktuelle Studie der University of Winchester in Hampshire, England, die in der Zeitschrift PLOS ONE erschienen ist, hält dagegen. Mindestens ein Jahr lang meldeten die Besitzer von 1.369 Katzen dem Studienteam Informationen zur Ernährung und dem Gesundheitszustand ihrer Tiere. Die Analyse der so gesammelten Daten ergab, dass Katzen, die vegan ernährt wurden, sogar bei besserer Gesundheit waren als solche, die fleischhaltiges Futter erhielten.  

    Neun Prozent der Katzen, die im Rahmen der Studie untersucht wurden, erhielten nach Angaben ihrer Besitzer ausschließlich veganes Futter. Für sie ergaben sich nach Abschluss der Analyse einige Vorteile: Sie wurden um 15 Prozent seltener mit Medikamenten behandelt, mussten um sieben Prozent seltener vom Tierarzt untersucht werden und waren um acht Prozent seltener schwer krank als Katzen, die Fleisch zu fressen bekamen.

    Zudem befragte das Team die Katzenbesitzer zu 22 spezifischen Gesundheitsstörungen – von Zahn-, Augen- und Ohrenerkrankungen über Allergien bis hin zu Tumoren – und ihrem Auftreten bei den Haustieren. Dabei gaben 42 Prozent der Besitzer von fleischhaltig ernährten Katzen an, dass ihr Tier mindestens eine der Störungen aufweist, bei den Besitzern veganer Katzen waren es nur 37 Prozent.

    Keine wissenschaftlich fundierten Langzeitstudien

    Das Studienteam selbst ordnet diese Unterschiede als statistisch nicht signifikant ein. Es sei jedoch ein starker, zuverlässiger Trend zu beobachten, so Tiermediziner Andrew Knight, Hauptautor der Studie. Er weist darauf hin, dass die Ergebnisse sich mit denen einer früheren Studie der kanadischen University of Guelph aus dem Jahr 2021 decken. Diese ergab, dass vegan ernährte Katzen seltener von Magen-Darm- und Lebererkrankungen betroffen waren und andere Gesundheitsprobleme nicht öfter aufwiesen als Katzen, deren Futter fleischhaltig war.

    Wirosaf bemängelt, dass für die Arbeiten, die keine negativen Auswirkungen für die vegane Ernährung von Katzen feststellen konnten, meist eine zu geringe Anzahl an Tieren untersucht und/oder ein zu kurzer Zeitrahmen angesetzt worden sei. „Das heißt, es existieren keine wissenschaftlich fundierten Langzeitstudien zu dem Thema“, sagt sie. „Problematisch ist, dass Fehlversorgungen wie Kalziummangel nicht immer äußerlich erkennbar und zum Teil nur schwer oder erst sehr spät nachzuweisen sind.“

    Zumindest hinsichtlich der Menge der untersuchten Tiere kann die aktuelle Studie aus England punkten. „Der Umfang ist signifikant“, sagt Dr. Anja Coellfen, Tierärztin am akkreditierten Fachlabor für veterinärmedizinische Diagnostik Laboklin in Bad Kissingen. „Mich stört daran aber die Beurteilung des Zustands der Tiere durch die Halter*innen. Das ist schwierig und grundsätzlich sehr subjektiv, zumal Katzen sich oft nicht anmerken lassen, wie es ihnen geht – und ob das Fell ohne fleischhaltige Nahrung mehr glänzt als mit, lässt sich schwer objektiv beurteilen.“ Es sei zudem möglich, dass Halter*innen, die von einer veganen Ernährungsweise überzeugt sind, dazu neigen, verstärkt positive Effekte wahrzunehmen.

    Zwischen 33 und 60 Prozent der vegan ernährten Katzen, die an der Studie teilnahmen, waren Freigänger. Darum kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie auf ihren Rundgängen Mäuse gefangen und verzehrt oder bei Nachbarn fleischhaltiges Futter genascht haben. „Um die Auswirkungen der rein veganen Ernährung auf Katzen fundiert zu untersuchen, müsste eine ausreichend große Menge von ihnen über Jahre unter Laborbedingungen gehalten und beobachtet werden“, so Coelfen. „So ein Studienaufbau ist aber zurecht aus Gründen des Tierschutzes nicht erlaubt.“

    Vegane Alleinfuttermittel oft mangelhaft

    Knight zufolge belegt seine Studie, „dass vegane Tiernahrung so konzipiert und zusammengesetzt ist, dass sie alle notwendigen Nährstoffe enthält und dabei weniger ernährungsbedingte Risiken birgt als fleischhaltige Tiernahrung. Der Gesundheitszustand von Katzen, die sich vegan ernähren, ist demzufolge besser.“

    Katzenhalter*innen, die ihr Tier vegan ernähren möchten, stehen inzwischen eine ganze Reihe verschiedener veganer Alleinfuttermittel zur Auswahl, in denen statt Fleisch Pflanzen oder Pilze die primäre Proteinquelle sind. Einige der in Deutschland erhältlichen Produkte wurden im Jahr 2021 von einem Forschungsteam der Universität Leipzig hinsichtlich ihrer Angaben zu enthaltenen Nährstoffen und den tatsächlichen Nährwerten genauer untersucht.

    Chilenische Waldkatze: Der 10.000 Passagier auf der National Geographic Photo Ark
    Eine Chilenische Waldkatze (Leopardus guigna), auch Kodkod genannt, in Fauna Andina, Chile. Diese kleine und kaum bekannte Katze ist die 10.000. Tierart auf der National Geographic Photo Arc. Wissenschaftler und Artenschützer glauben, dass es sich hierbei wahrscheinlich um die ersten je veröffentlichten Audioaufnahmen dieser Art handelt. Video mit Genehmigung von Joel Sartore, National Geographic Photo Ark.

    In ihrer Studie kamen die Forschenden zu dem Schluss, dass keines der veganen Alleinfuttermittel uneingeschränkt die Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung für Katzen erfüllt und Mängel in der Zufuhr einzelner Nährstoffe bei langfristiger Fütterung der untersuchten Alleinfuttermittel nicht ausgeschlossen werden können.

    „Die vorgeblich bilanzierten veganen Fertigfutter im Handel sind in vielen Fällen nicht bedarfsdeckend“, so Wirosaf. „Somit kann bei veganer Fütterung nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Katze Schmerzen, Leiden und Schäden entstehen, womit Tierhaltende gegen das Tierschutzgesetz verstoßen würde.“

    Verstoß gegen das Tierschutzgesetz?

    Denn dieses besagt, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf (§ 1) und dass Personen, die ein Tier halten, betreuen oder zu betreuen haben, dieses seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen müssen (§ 2).

    Die Position des TVT e.V. ist noch drastischer. „Eine strikt vegane Katzenernährung [käme] einem nicht genehmigten, unkontrollierten Tierversuch gleich und verstößt gegen § 3 Nr. 10 des Tierschutzgesetzes, sobald bei der betroffenen Katze erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden durch das dargereichte Futter entstehen“, heißt es in einem Merkblatt.

    Wählerische Futterspezialisten

    „Als natürlich oder artgerecht würde ich die vegane Ernährung bei Katzen nicht bezeichnen“, sagt Coelfen. „Die Akzeptanz für veganes Futter ist demnach auch sehr überschaubar – freiwillig würden die Tiere sich das nicht aussuchen. “ 

    “Die vorgeblich bilanzierten veganen Fertigfutter im Handel sind in vielen Fällen nicht bedarfsdeckend.”

    von Verena Wirosaf
    Tierärztin und Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund e.V..

    Halter*innen, die diese Entscheidung für ihre Hauskatze trotzdem treffen, sollten sich Wirosaf zufolge bewusst machen, dass die Tiere Futterspezialisten sind. „Katzen haben eine starke Futterprägung“, sagt sie. Wenn man sie an pflanzliche Kost gewöhnt hat, kann es Probleme geben, wenn sie zum Beispiel im Krankheitsfall auf spezielles, fleischhaltiges Diätfutter angewiesen sind. Umgekehrt kann es passieren, dass Katzen, die nur fleischhaltiges Futter kennen, nach einem Wechsel zu pflanzlichem Futter das Fressen verweigern.

    Laut Andrew Knight wurden derartige Probleme im Rahmen der neuen Studie nicht beobachtet. Bei der Untersuchung von 15 Indikatoren dafür, wie gern eine Katze ein bestimmtes Futter frisst, seien nach detaillierter statistischer Verhaltensanalyse keine signifikanten Unterschiede zwischen angebotenem veganem oder fleischhaltigem Futter festgestellt worden.

    „Im Durchschnitt schienen Katzen, die sich vegan ernährten, ihre Mahlzeiten ebenso sehr zu genießen wie Katzen, die Fleisch konsumierten“, sagt er. „Demnach genießen Katzen, die sich vegan ernähren, ihre Mahlzeiten im Durchschnitt genauso sehr wie Katzen, die Fleisch verzehren.“

    Vorteile für Umwelt und Tierwohl

    Haustiere fleischlos zu ernähren, so Knight, sei nicht nur für deren Gesundheit gut: Durch den Verzicht auf Fleisch in Futtermitteln könnten zudem das Leid und die erheblichen Umweltauswirkungen der Tierhaltung zum Zweck der Produktion von Heimtierfutter reduziert werden.

    Ein Aspekt, der auch dem Deutschen Tierschutzbund wichtig ist – allerdings in Bezug auf die Halter*innen: „Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt es, wenn sich Menschen für eine vegetarische oder vegane Ernährung entscheiden.“ Wer konsequent keine tierischen Produkte verzehre, leiste „einen großen Beitrag zum Tierschutz. Eine pflanzliche Lebensweise ist zudem ein konsequenter Beitrag zum Klimaschutz.“

    Wie ernähre ich meine Katze fleischlos?

    Statt auf einen Schlag alle tierischen Produkte vom Speiseplan der Hauskatze zu streichen, können Halter*innen, die ihr Tier fleischlos ernähren wollen, eine Lakto-ovo-vegetarische Diät – die neben pflanzlichen Komponenten auch Eier und Milchprodukte einschließt – ausprobieren. Laut dem Deutschen Tierschutzbund ist auch diese Variante nicht ratsam, bei gesunden, ausgewachsenen Katzen rein theoretisch aber möglich – sofern eine adäquate Versorgung mit Nährstoffen gewährleistet ist.  Laut Wirosaf muss eine solche Ernährungsumstellung in jedem Fall von auf Tierernährung spezialisierten Tiermediziner*innen begleitet werden.

    „Ich befürworte die vegane Ernährung von Katzen nicht“, sagt Anja Coelfen. „Ich bin offen für Versuche, Fleisch in Futtermitteln zu reduzieren oder auszutauschen – zum Beispiel gegen Insekten. Wichtig ist aber, dabei immer auf eine gute Substitution achten, um mögliche Defizite auszugleichen.“

    Das betont auch Andrew Knight. „Um die Gesundheit unserer Katzenfreunde zu schützen, ist es wichtig, dass Tierhalter*innen nur kommerzielles veganes Tierfutter füttern, das als vollwertig gekennzeichnet ist und von seriösen Unternehmen mit guten Standards hergestellt wird“, sagt er. Wer das Experiment der fleischlosen Ernährung seiner Katze also wagen möchte, muss sich zuvor gründlich informieren, welche veganen Futtermittel alle notwendigen Nährstoffe abdecken – zum Wohl des Tieres.

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