Anfänger streicheln kompetenter: Sind Katzenlaien die besseren Katzenkenner?

Ausgerechnet erfahrene Halter schätzen die Bedürfnisse ihrer Katze oft falsch ein. Zu diesem Schluss kommt eine britische Studie.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 17. Okt. 2022, 16:34 MESZ
Eine grauweiße Katze liegt auf der Seite und genießt es, am Kinn gekrault zu werden.

Erfahrung ist nicht alles: Katzenlaien gehen oft besser mit Hauskatzen um als erfahrene Halter.

Foto von Adobe Stock

Katzen haben den Ruf, ziemlich eigensinnig zu sein. Ob und wie sich Haustier und Halter verstehen, hängt aber nicht nur vom Charakter des Stubentigers ab. Die Beziehung von Katze und Mensch ist stark geprägt von der Persönlichkeit, der Erfahrung und dem Alter des Halters. Bis heute ist aber nicht genau erforscht, welche Faktoren bei diesem komplexen Zusammenspiel besonders wichtig sind. Ein britisches Forschungsteam hat sich zum Ziel gesetzt, das zu ändern – und dabei eine überraschende Entdeckung gemacht.

Hierzu haben die Wissenschaftlerinnen eine Studie mit 119 Versuchsteilnehmern und 114 Hauskatzen durchgeführt. Ziel war es, typische Verhaltensmuster zu ermitteln, mit denen Menschen und Hauskatzen interagieren: sogenannte „Human Cat Interactions“ (HCI). Wie gut verstehen Katzenhalter ihre Schützlinge wirklich? Eine Analyse der HCI sollte Klarheit bringen.

Die Teilnehmenden wurden über Social Media rekrutiert. Rund 90 Prozent waren weiblich und etwa zwei Drittel zwischen 26 und 55 Jahre alt. Die Mehrheit lebte zum Studienzeitpunkt mit mindestens einer Katze zusammen. Viele hatten bereits professionell mit Tieren zusammenarbeitet.

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Das Experiment: Auf Tuchfühlung mit dem Stubentiger

Zunächst mussten alle einen Fragebogen beantworten. Darin ging es auch um persönliche Erfahrungen im Umgang mit Katzen. Auf einer Skala von eins bis fünf schätzten sie ihre Charaktereigenschaften und Katzenkompetenz ein.

Die Katzen waren während der Studiendauer in einer Katzenpension untergebracht. Vor dem Experiment hatten sie genug Zeit, um sich dort einzuleben. Sie wurden über den gesamten Zeitraum tierärztlich überwacht. Großen Wert legten die Studienautorinnen nach eigenen Worten auf eine stressfreie, möglichst natürliche Atmosphäre.

Das Experiment fand in einer haushaltsähnlichen Umgebung statt. Jeweils fünf Minuten lang beschäftigen sich die Teilnehmenden mit einer Katze. Für alle galten gleiche Bedingungen: Sie mussten eine bestimmte Sitzposition einnehmen, damit die Katzen von sich aus den Kontakt suchen oder auch vermeiden konnten.

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Alles im grünen Bereich? Was Katzen am meisten mögen

Alle Begegnungen wurden gefilmt, insgesamt 558 Videos ausgewertet. Dabei identifizierte das Team sieben verschiedene Arten der Human Cat Interactions. Einige wurden als besonders kompetent eingestuft – andere dagegen schienen bei den Katzen nicht gerade auf Gegenliebe zu stoßen. Tatsächlich näherten sich manche Teilnehmenden den Tieren geradezu übergriffig.

Besonders katzenfreundlich: eine zurückhaltende, passive Interaktion mit minimalen Berührungen. Das entspreche am ehesten dem natürlichen Verhalten von Katzen, erklärt das Forschungsteam. Denn Katzen entscheiden selbst, ob sie eine Bindung aufbauen möchten. Auch Berührungen an sogenannten „grünen Bereichen“ – also Kopf, Wange und Kinn – wurden positiv gewertet.

Wer dagegen „rote Bereiche“ kraulte, entlarvte sich als Katzendilettant. Solche Berührungen an Schwanzansatz und Bauch finden Stubentiger meist eher unangenehm. Die Haarfollikel sind dort besonders berührungsempfindlich.

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Warum ausgerechnet erfahrene Halter ihre Katze oft missverstehen

Paradoxerweise stellte sich heraus, dass ausgerechnet diejenigen Menschen wenig katzenkompetent waren, die von sich sagten, besonders geübt im Umgang mit Katzen zu sein. Viele von ihnen kraulten genau an den Stellen, an denen Hauskatzen für gewöhnlich nicht gern berührt werden wollen.

Möglicherweise überbewerten sie ihre eigene Erfahrung – ein bekanntes psychologisches Phänomen, das als Dunning-Kruger-Effekt bekannt ist. Demnach überschätzen inkompetente Menschen ihre eigenen Fähigkeiten auffällig oft, während sie gleichzeitig die Leistungen kompetenterer Menschen unterschätzen. Das Dilemma: Es ist ihnen noch nicht einmal bewusst.

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Haustiere haben bekanntermaßen einen positiven – manchmal sogar therapeutischen – Einfluss auf ihre menschlichen Begleiter. Möglicherweise glaubten einige Falschkrauler, dass ihre übergriffigen Streicheleinheiten nicht nur ihnen selbst guttun würden, sondern auch ihrem tierischen Gegenüber.

Alles in allem scheinen Katzen also nicht unbedingt von einer größeren Erfahrung ihrer Halter zu profitieren. Mehr noch: Im Laufe der Versuchsreihe zeigte sich auch, dass überraschend viele Katzenlaien oft einen besonders guten Draht zu den Vierbeinern hatten. Sie näherten sich oft besonders achtsam und umsichtig. Damit hatten sie in vielen Fällen das bessere Gespür – ob bewusst oder unbewusst.

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