Partnerwahl bei Vögeln: Schüchternheit siegt

Bisher dachte man, dass laute, bunte Angeber im Vogelreich bei der Partnersuche den Schnabel vorn haben. Doch nun zeigt sich: Es ist das Wechselspiel zwischen Zurückhaltung und Zurschaustellen, das die Weibchen anzieht.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 14. Nov. 2023, 10:01 MEZ
Ein Rotkardinal fliegt mit gespreizten Flügeln nahe einem auf einem Ast sitzenden Weibchen.

Ein Rotkardinal wirbt um die Gunst eines Weibchens. Doch große Gesten sind nicht immer der Weg zum Erfolg: Schüchternes Verhalten gehört zur Balz ebenso dazu.

Foto von Tom / adobe Stock

Bei der Balz – also dem Werben um die Gunst eines Weibchens – geben Vogelmännchen alles: Sie plustern ihr glänzendes Gefieder auf, präsentieren ihr ganzes Gesangsrepertoire bauen extravagante Nester und servieren dem Objekt ihrer Begierde erlesenes Futter. Nur wer mit seinen Fähigkeiten überzeugen und zeigen kann, dass er besonders fit ist, hat eine Chance auf die Paarung und darauf, seine Gene weiterzugeben. So jedenfalls die bisher geltende Annahme.

Eine Studie von Forschenden der Veterinärmedizinischen Universität Wien, die in der Zeitschrift Proceedings of the Royal Society B erschienen ist, hat nun aber ergeben, dass die lautesten Angeber nicht zwangsläufig das Weibchen für sich gewinnen. Offenbar nutzen Vogelmännchen eine Reihe von bisher nicht beachteten subtileren Balzstrategien, die eine nicht minder wichtige Rolle spielen. Wer auch die leisen Zwischentöne beherrscht, hat bei den Weibchen größere Chancen.

Flirt-Tipp für Vögel: Weniger ist mehr

Zu dieser Erkenntnis kommt das Forschungsteam durch die Analyse früherer, bereits veröffentlichter Studien, die alle ergaben: Je stärker, beeindruckender und ausgefallener die Balzhandlung, desto größer die Erfolgsaussichten. Den Wiener Forschenden zufolge wurden dabei jedoch die weniger auffälligen Elemente der Balz übersehen. „So sind zum Beispiel sehr intensive Bewegungen oft mit subtileren Komponenten wie statischen Körperhaltungen oder Versteckspielen gekoppelt“, sagt Studienautor Thomas MacGillavry, Doktorand am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV).

Heiße Moves: Vogelbalz mit Moonwalk
Der männliche Gelbhosenpipra bezirzt die Damen nicht nur mit seiner farbstarken Fashion, sondern legt auch noch erstklassige Moves aufs Parkett. Szenen aus „Tierische Freaks“.

Laut den Forschenden muss man die Balz als zeitlich strukturierte Choreographie betrachten, die sowohl intensive als auch „schüchterne“ Verhaltenselemente abdeckt. Die Vogelmännchen schalten zwischendurch immer wieder einen Gang zurück und unterbrechen ihre große Show, indem sie ihre Vorzüge oder sich selbst verstecken. Sie zeigen dem Weibchen also zeitweise nicht den vollen Umfang ihres Könnens. Dahinter scheint ein gewisses Kalkül zu stecken – aber welches?

Stille Wasser sind tief – und spannend

Das Studienteam hat dazu drei verschiedene Erklärungsansätze. Laut Giovanni Spezie, Verhaltensforscher am KLIVV, könnte der Grund zum einen sein, dass Männchen auf diese Weise weniger bedrohlich wirken wollen. Zu aufdringliches, lautes Verhalten könnte die Weibchen verschrecken.

Eine zweite Hypothese ist, dass der Wechsel zwischen intensiver Balz und Zurückhaltung dafür sorgen könnte, dass das Weibchen die Werbeveranstaltung mit größerem Interesse verfolgt. „Ähnlich wie in der menschlichen Musik oder im Theater können Balzvorführungen echte Darbietungen sein, bei denen verschiedene Elemente zusammenwirken, um das Publikum zu verführen, Spannung aufzubauen, zu überraschen und zu erregen“, sagt Leonida Fusani, Leiter des KLIVV.

Das Studienteam hält es aber auch für möglich, dass schüchternes Balzverhalten das Weibchen neugierig macht. Es will wissen, welche Informationen das Männchen zurückhält und fühlt sich darum von ihm angezogen. Dieses Phänomen, das als „curiosity bias“ bezeichnet wird, lässt sich mit dem Motto „Mach dich rar und du bist ein Star“ zusammenfassen – eine Strategie, die auch bei der sexuellen Selektion von Menschen bewiesenermaßen zum Erfolg führt.

BELIEBT

    mehr anzeigen

    Muss das Balzverhalten neu interpretiert werden?

    Dass die extravaganten Aspekte der Balz in der bisherigen Forschung alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, ist nachvollziehbar, denn sie fallen im Gegensatz zu den schüchternen Elementen sofort auf. Die Annahme, dass nur die lebhaften Teile der Balzchoreographie Rückschlüsse auf die Eignung der Männchen als Partner erlauben, ist den Studienautoren zufolge aber zu kurz gedacht: Dass die Männchen dazu in der Lage sind, ihren Kopulationsdrang so zu kontrollieren, dass sie durch geschickte Zurückhaltung attraktiver auf die Weibchen wirken, sei ein Zeichen für starke kognitive Fähigkeiten – und diese lassen ebenso auf eine hohe genetische Qualität schließen wie ein schöner Gesang oder besonders glänzendes Gefieder.

    Dass solchen Aspekten bislang nicht genug Beachtung geschenkt wurde, liege den Forschenden zufolge daran, dass das Balzverhalten nur in Einzelteilen und nicht in seiner Gesamtheit betrachtet wurde. Die neue Studie könnte die Erforschung des Phänomens nun in eine neue Richtung lenken.

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved