Paarung wider Willen: Erste Bilder zeigen Sex bei Buckelwalen

Obwohl Buckelwale eine gut erforschte Spezies sind, wurde ihr Sexualverhalten noch nie im Bild festgehalten. Nun gibt es erstmals Aufnahmen – von einem übergriffigen Akt zwischen zwei Männchen.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 1. März 2024, 16:09 MEZ
Ein Buckelwalmännchen führt seinen Penis in den Genitalschlitz eines anderen männlichen Buckelwals ein.

Auf dieser Aufnahme, die am 19. Januar 2022 vor der Küste von Maui, Hawaii, entstand, führt ein erwachsenes Buckelwalmännchen seinen Penis in den Genitalschlitz eines Artgenossen ein.

Foto von Brandi Romano, Lyle Krannichfeld

Im Januar 2022 befanden sich die Fotografin Brandi Romano und ihr Kollege Lyle Krannichfeld an Bord eines privaten Boots, das vor der Küste der hawaiianischen Insel Maui unterwegs war. Als sich ihnen zwei ausgewachsene Buckelwale (Megaptera novaeangliae) näherten und begannen, das Boot knapp unter der Wasseroberfläche zu umkreisen, weckte die ungewöhnliche Braunfärbung am Körper des einen Tieres ihr Interesse. Sie begannen, die Wale mit ihren Unterwasserkameras zu filmen und zu fotografieren. Zu diesem Zeitpunkt ahnten sie noch nicht, welch wissenschaftliche Sensation die Bilder sein würden, die aus dieser Begegnung entstanden.

Denn die Fotos von Krannichfeld und Romano dokumentieren etwas, das noch nie zuvor im Bild festgehalten wurde: den sexuellen Akt zwischen zwei Buckelwalen. Ebenfalls spektakulär ist die Tatsache, dass es sich bei den beiden Tieren um Männchen handelt. „Dies ist der erste Bericht über die Penetration durch einen Buckelwal und der erste Bericht über sexuelle Aktivitäten zwischen zwei männlichen Buckelwalen“, heißt es in der Studie zu der Beobachtung, die jetzt in der Zeitschrift Marine Mammal Science erschienen ist.

Der Walpenis – ein seltener Anblick

Studienautorin Stephanie Stack, Biologin bei der Pacific Whale Foundation in Wailuku, Hawaii, beschreibt das Verhalten der Wale bis ins kleinste Detail. Dass es sich bei den beobachteten Tieren um zwei Männchen handelt, fand sie heraus, indem sie Fotos der Schwanzflossen mit der Datenbank happywhale.com abglich. Beide Buckelwale waren hier registriert und konnten so identifiziert werden.

Etwa 30 Minuten lang umrundeten die Tiere langsam das Boot. Der erste Wal war sichtlich abgemagert und von Walläusen (Cyamus boopis) bedeckt. Die Parasiten befallen die Haut kranker und verletzter Tiere, schränken ihre Bewegungen ein und rufen die Braunfärbung hervor, die Kranichfeld und Romano sofort aufgefallen war. Bei der Sichtung der Fotos stellte die Forscherin außerdem eine ernste Kieferverletzung fest, die möglicherweise von dem Zusammenstoß mit einem Schiff stammte und dem Wal vermutlich die Nahrungsaufnahme erschwerte. Der Studie zufolge war der Gesundheitszustand des Tieres so schlecht, dass es möglicherweise bereits im Sterben lag.

Weil der Penis von Buckelwalen meist in ihrem Genitalsschlitz versteckt und selten nahe der Oberfläche herausgestreckt wird, haben diese Aufnahmen des Geschlechtsteils großen Seltenheitswert.

Foto von Brandi Romano, Lyle Krannichfeld

Der zweite Buckelwal schien vollkommen gesund zu sein. Er verfolgte seinen geschwächten Artgenossen, dem offenbar die Energie fehlte, um wegzuschwimmen. Laut Stack suchte der kranke Wal am Boot möglicherweise Schutz vor seinem Verfolger. Während der gesamten Dauer der Begegnung war der Penis des zweiten Wals ausgestreckt – ein seltener Anblick, denn meistens ist das Geschlechtsteil im sogenannten Genitalschlitz verborgen. Außerdem geschieht das Herausstrecken normalerweise unter Wasser und nicht an der Oberfläche, sodass es schwer zu beobachten ist.

Das gesunde Tier näherte sich wiederholt dem ersten Buckelwal und hielt ihn mit den Brustflossen fest. In der Vergangenheit wurde dieses Greifverhalten bereits als wichtiger Bestandteil der Paarung bei Buckelwalen beschrieben. Mehrmals drang der zweite Wal mit seinem Penis schätzungsweise einige Zentimeter tief in den Genitalschlitz des anderen Männchens ein. Die Dauer der Penetration lag jeweils unter zwei Minuten.

Der kranke Wal nahm dabei zeitweise eine s-förmige Körperhaltung ein. Laut Stack könnte das bedeuten, dass ihm nicht gefiel, was sein Artgenosse mit ihm machte, er jedoch nicht genug Energie hatte, um den Übergriff anderweitig abzuwehren.

BELIEBT

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    Dominanzverhalten oder Bindungsstärkung

    Eine konkrete Erklärung zu der Beobachtung kann die Studie nicht liefern. Stack zufolge ist nicht auszuschließen, dass es sich um aggressives Verhalten handeln könnte, das gezielt gegen einen geschwächten Konkurrenten gerichtet wurde. Möglicherweise wurde hier aber auch ein irrtümlicher Paarungsversuch dokumentiert oder der gesunde Wal wollte seine soziale Bindung zu dem kranken Männchen stärken. Sexuelle Handlungen, die nicht der Fortpflanzung dienen – also gleichgeschlechtliches Paarungsverhalten oder Sex zwischen unreifen Tieren – sind im Tierreich weit verbreitet und wurden schon oft beschrieben. Sie werden zu Übungszwecken durchgeführt, dienen dem Aufbau und der Festigung von Beziehungen und bauen soziale Spannungen ab. Manchmal – und das wurde bei Walen bereits beobachtet – soll durch sie aber auch Dominanz etabliert werden.

    Einer der beiden Buckelwale (unten) war abgemagert und mit Walläusen befallen. Er hatte außerdem eine Verletzung am Unterkiefer.

    Foto von Brandi Romano, Lyle Krannichfeld

    „Hier wurde zum ersten Mal ein männlicher Buckelwal dabei dokumentiert, wie er einen anderen Buckelwal sexuell penetriert. Gleichzeitig sehen wir aber auch ein verletztes, krankes Tier, das von einem scheinbar gesunden, starken Wal penetriert wird“, schreibt Stack in der Studie. „Ob ein solches Verhalten auch zwischen zwei gesunden Männchen auftreten würde, wissen wir nicht.“

    Seit 40 Jahren werden die Buckelwale in den hawaiianischen Brutgebieten intensiv erforscht – und in all der Zeit war es nicht gelungen, den Geschlechtsakt der Tiere im Bild festzuhalten. Dass dies nun zufällig zwei Privatpersonen geschafft haben, die unabhängig von einer Forschungsgruppe in dem Gebiet unterwegs waren, zeige, so Stack, wie wichtig und wertvoll die Zusammenarbeit zwischen Bevölkerung und Wissenschaft sei. Sie hofft auf weitere glückliche Zufälle dieser Art, die Einblicke in die komplexen Interaktionen der großen Meeressäuger liefern und dabei helfen können, ihr Verhalten besser zu verstehen.

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