Auf vereisten Pfoten: Immer mehr verletzte Eisbären durch Tauwetter

Viele Auswirkungen der Erderwärmung sind erwartbar. Doch steigende Temperaturen bringen auch Folgen mit sich, mit denen keiner gerechnet hat – wie eine neue Studie über Eisbären zeigt.

Von Nina Piatscheck
Veröffentlicht am 30. Okt. 2024, 09:43 MEZ
Frontalansicht auf einen Eisbär, der sich im Schnee streckt

Die breiten Pfoten von Eisbären sind fürs Eis gemacht – eigentlich. Denn wie eine Studie zeigt, weisen sie immer häufiger Schnittwunden und andere Verletzungen auf. Im Bild: Ein Eisbär in Kanada mit gesunden Tatzen.

Foto von National Geographic Image Collection / Bertie Gregory

Dass es auf der Erde wärmer wird, hat viele Folgen. Diese kann man an verschiedenen Stellen beobachten – sogar an den Pfoten von Eisbären, wie eine Studie der University of Washington nun ergab. Forschende haben zwischen 2012 und 2022 zwei Eisbärpopulationen oberhalb des 70. nördlichen Breitengrades begleitet. Bei vielen der Tiere stellten sie Schnittwunden, Haarausfall, Eisbildung und Hautgeschwüre fest, vor allem an den Tatzen. Schuld sind nach Angaben der Autor*innen Frost-Tau-Zyklen, die durch die Klimaerwärmung immer häufiger werden. 

Bis zu 30 Zentimeter große Eisklumpen

Durch steigende Temperaturen kommt es in der Artis außerdem öfter zu Regen, der auf den Schnee fällt. Der dadurch entstehende Schneematsch setzt sich an den Pfoten fest und gefriert bei sinkenden Temperaturen zu einer festen Masse. Ähnliche Eisklumpen kennen Hundebesitzer von ihren Vierbeinern im Winter – das Ausmaß bei den Bären ist jedoch extremer: An den Fußballen zweier Bären klebten Eisblöcke mit einem Durchmesser von bis zu 30 Zentimetern, die tiefe, blutende Schnitte verursachten und ihnen das Gehen erschwerten. 

„Beide Bären konnten nicht mehr rennen – nicht einmal einfach gehen”, sagt Kristin Laidre, leitende Wissenschaftlerin der University of Washington und Hauptautorin der Studie. Die Eisbären wurden im Rahmen der Forschungsarbeit ruhiggestellt und die Eisklumpen entfernt. „Die Brocken blieben nicht nur in den Haaren hängen”, sagt Laidre. „Sie waren fest mit der Haut verbunden. Beim Abtasten der Füße merkte man, dass die Bären Schmerzen hatten.“

Zwei Tatzen eines Eisbären im Schnee mit dicken Eis- und Schneeklumpen

Völlig vereist: Auf diesem Bild sieht man die Hinterpfoten eines Eisbären, der 2022 für Forschungszwecke in Ostgrönland betäubt wurde. Das Forschungsteam beschreibt die Eisklumpen als neues Phänomen, das auf die Klimaerwärmung zurückzuführen ist.

Foto von Kristin Laidre/University of Washington

Für die Studie, die im Herbst 2024 im Fachmagazin Ecology veröffentlicht wurde, beobachteten die Forschenden eine Eisbärenpopulation im Kane Basin zwischen Kanada und Grönland. Dort wiesen 31 von 61 Tieren vereisungsbedingte Verletzungen auf. Bei einer zweiten Population in Ostgrönland wurden ähnliche Verletzungen bei 15 von 124 Eisbären festgestellt. 

Neues Phänomen durch Klimaerwärmung

Bereits seit den Neunzigerjahren werden die im Rahmen der Studie beobachteten Eisbärpopulationen wissenschaftlich begleitet. Die nun dokumentierten Verletzungen sind in all den Jahren noch nie beobachtet worden. „Gespräche mit indigenen Jägern und eine Untersuchung der wissenschaftlichen Literatur lassen darauf schließen, dass es sich hierbei um ein neues Phänomen handelt”, heißt es in der Studie. 

Für die zunehmende Verletzungen an den Pfoten der Bären gibt es nach Angaben der Autor*innen der Studie noch mehr Gründe als vereiste Pfoten. So führen die zunehmenden Wärmeperioden dazu, dass Schnee an der Oberfläche schmilzt und dann wieder zu einer harten Kruste gefriert. Beim Laufen durchbrechen die bis zu 600 Kilo schweren Tiere die Kruste und schneiden sich an den scharfen Kanten. 

Was die Studienergebnisse für die Zukunft der Eisbären bedeuten, ist nach Angaben der Autor*innen derzeit schwer einzuschätzen: „Wir haben diese vereisungsbedingten Verletzungen bei einzelnen Eisbären festgestellt“, sagte Laidre. „Mit voreiligen Schlussfolgerungen über die Auswirkungen auf komplette Populationen wäre ich vorsichtig.“ 

GALERIE: Unsere schönsten Eisbär-Bilder

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