Der Fisch im Menschen: Wie die Tiere an Land kamen
Forschende haben das größte Genom aller Tiere entschlüsselt. Das Erbgut des Lungenfischs liefert Hinweise darauf, wie die Wirbeltiere einst das Festland eroberten. Und es zeigt, dass der Mensch einiges mit den Fischen gemeinsam hat.
Lungenfische sind die nächsten lebenden Verwandten urzeitlicher Fleischflosser, die vor rund 400 Millionen Jahren das Land eroberten.
Ein Flussdelta vor fast 400 Millionen Jahren: Am Ufer schlängelt sich ein lurchartiger Fisch durch den Schlamm. Stück für Stück zieht er sich mithilfe seiner fleischigen Flossen aus dem Wasser. Er hat keine Eile, ins gewohnte Element zurückzukehren. Stattdessen erkundet er das trockene Terrain. Seine Atemorgane erlauben es ihm, an Land zu bleiben. Denn dieser Fisch hat Lungen.
So oder so ähnlich könnte sich eines der faszinierendsten Ereignisse der Evolution abgespielt haben – der erste Landgang eines Wirbeltiers im späten Devon-Zeitalter. Der Hauptdarsteller: ein Fisch aus der Gruppe der Fleischflosser, zu deren Nachfahren die heutigen Lungenfische gehören. Lange rätselte die Wissenschaft, wie den wasserlebenden Wirbeltieren das Kunststück gelingen konnte, einen völlig anderen Lebensraum zu erobern.
Immerhin waren dafür enorme Umstellungen nötig. Um Luft an Land atmen zu können, brauchte es ein neues Organ – die Lunge. Außerdem bedurfte es einer Reihe anderer evolutionärer Innovationen wie die Fähigkeiten, sich auf dem Land fortzubewegen oder Duftstoffe in der Luft zu riechen.
Erster Landgang eines Fleischflossers: So ähnlich könnte es passiert sein.
Lungenfisch: Größtes Genom der Tierwelt
Um das Rätsel zu lösen, hat ein internationales Forschungsteam das Erbmaterial der nächsten heute noch vorkommenden Verwandten der urzeitlichen Fleischflosser im Rahmen einer genetischen Studie analysiert. Es sind die Lungenfische, „lebende Fossilien“, die mit sechs Arten in Afrika, Südamerika und Australien vorkommen.
Mit Hilfe moderner Technologien gelang dem Team um den Konstanzer Evolutionsbiologen Axel Meyer und den Würzburger Biochemiker Manfred Schartl, das Genom, also den kompletten genetischen Bauplan, der Lungenfisch-Arten zu entschlüsseln.
Lungenfische haben das größte Genom aller bekannten Tiere. Die Forschenden fanden heraus: Rekordhalter ist der Südamerikanische Lungenfisch. Seine DNA sei mit mehr als 90 Milliarden Basen über dreißigmal so groß wie die des Menschen, erklärt Schartl. Basen sind die Bausteine der DNA. Sie kodieren die Erbinformation.
Springende DNA: Booster für die Evolution
Warum aber haben Lungenfische ein so gigantisches Genom? Verantwortlich dafür sind die sogenannten Transposons. Das sind kurze DNA-Abschnitte, die sich immer wieder von allein vervielfältigen und ihre Position im Erbgut verändern können.
Weil Transposons im Genom „herumspringen“, können sie das Erbgut stark verändern. Das wirkt dann wie ein Booster für die Entwicklung einer Art. Auch bei anderen Lebewesen passiert das. Nach Angaben der Forschenden ist die Genom-Expansionsrate bei den Lungenfischen aber besonders hoch.
Auf diese Weise gelang es vermutlich auch den urzeitlichen Verwandten der Lungenfische, sich vergleichsweise schnell neuen Umweltbedingungen anzupassen und schließlich an Land zu gehen. Doch das ist noch nicht alles, was Lungenfische und ihre Vorfahren so bemerkenswert macht.
Australischer Lungenfisch
Mensch und Lungenfisch – gleiche Gene
Denn offenbar hat auch Homo sapiens mehr mit den urtümlichen Wesen gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. So konnten Schartl und Meyer bereits in einer vorherigen Studie zeigen, dass Mensch und Lungenfisch gleiche Gene besitzen, die die Embryonalentwicklung der Lunge steuern.
„Die Lunge von Lungenfischen ist entwicklungsgeschichtlich daher auf die gleiche Herkunft zurückzuführen wie die der Landwirbeltiere, einschließlich des Menschen“, so Axel Meyer. Auch bei Fingern und Flossen gebe es baugleiche Gene.