Überraschende Gefahr für Jungvögel: Haustierfell erhöht Sterblichkeit

Wilde Vögel nutzen oft Haare von Haustieren, um ihre Nester auszukleiden. Dass das für den Nachwuchs eine tödliche Gefahr darstellt, zeigt eine Untersuchung der University of Sussex.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 28. Feb. 2025, 16:15 MEZ
Kohlmeise mit Haustierfell im Schnabel.

Vögel wie Blau- oder Kohlmeisen nutzen häufig das Fell von Haustieren zum Nestbau. Insgesamt 74 Prozent der Waldvogelarten in Mitteleuropa setzen auf diese Strategie – mit unbeabsichtigten negativen Folgen für ihren Nachwuchs.

Foto von DoreenB. Photography – stock.adobe.com

Den Hund beim Spaziergang kämmen und die Unterwolle direkt für den Nestbau werdender Vogeleltern liegen lassen: Was gut gemeint ist und von eifrigen Vogelpaaren auch bereitwillig angenommen wird, ist oftmals das Todesurteil für Jungvögel.

Wie eine Studie der University of Sussex ergeben hat, enthält das Fell von Haustieren in vielen Fällen schädliche Chemikalien, die die Sterblichkeit von Embryos und Küken erhöhen. Einige der gefundenen Stoffe sind in der EU-Landwirtschaft teils seit Jahren verboten – werden aber immer noch bei der Behandlung von Haustieren gegen Flöhe oder Zecken verwendet. 

Vogelnester mit giftigen Zecken- und Flohschutzmitteln belastet

Im Rahmen der Studie untersuchten die Forschenden insgesamt 103 Vogelnester von Blau- und Kohlmeisen aus urbanen und ländlichen Gegenden, die Freiwillige aus dem gesamten Vereinigten Königreich eingesandt hatten. Das darin befindliche Haustierfell testeten sie im Anschluss auf 20 Insektenvernichtungsmittel. Die Ergebnisse waren alarmierend: „Kein Nest in unserer Studie war frei von Insektiziden“, sagt Hauptautorin Cannelle Tassin de Montaigu. „Unsere Forschung zeigt, dass aufgrund der nachgewiesenen Chemikalien Tierarzneimittel für Flöhe und Zecken die wahrscheinlichste Kontaminationsquelle [für Vogelnester] sind.“

So enthielten beispielsweise alle Nester den Wirkstoff Fipronil. Seit 2013 ist seine Verwendung in der EU-Landwirtschaft untersagt – etwa, weil es bereits in geringen Mengen schädlich für Bienen ist. Als Gefahrstoff wirkt Fipronil laut Bundesumweltamt „giftig beim Einatmen, bei Hautkontakt und Verschlucken und führt zur Schädigung von Organen“. Wie es sich auf Säugetiere, Vögel oder Reptilien auswirkt, ist nicht näher erforscht – in hohen Dosen kann es allerdings durchaus zum Tod führen. Aufgrund der Risiken ist es verboten, Tiere damit zu behandeln, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Bei Haustieren wird das Mittel allerdings immer noch als frei zugänglicher Wirkstoff zur Bekämpfung von Flöhen und Zecken eingesetzt, beispielsweise in Form von Spot-On-Präparaten oder zugesetzt in Shampoos.

Weiter fanden sich in 89 Prozent der Nester Rückstände von Imidacloprid – einem Pflanzenschutzmittel, dessen Anwendung 2018 zunächst im Freiland durch die EU verboten wurde. Seit Dezember 2020 sind laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BLV) sämtliche Zulassungen des Mittels widerrufen. Als Nervengift ist es schädlich für Vögel und kann mit der Nahrung aufgenommen zu akuten Vergiftungen führen. 

Ebenfalls in 89 Prozent der Brutstätten wurde der umweltgefährdende Biozidwirkstoff Permethrin nachgewiesen, dessen Zulassung bereits im Jahr 2000 von der EU-Kommission zurückgenommen wurde. In Zeckenschutzmitteln für Haustiere ist es dennoch weiterhin erlaubt und für Laien frei zugänglich – auch wenn das BLV Katzenhalter*innen eindrücklich davor warnt, da es zu schweren Vergiftungen führen kann.

Ein Schwarm Vögel fliegt an einem Hochhaus mit vielen Fensterscheiben vorbei.

Insektizide erhöhen Sterberate von Jungvögeln

In Vogelnestern mit höherer Konzentration von Insektiziden wie FipronilImidacloprid oder Permethrin war die Sterblichkeit der Jungtiere laut den Forschenden erhöht. Sie enthielten etwa eine größere Anzahl toter Nachkommen oder nicht geschlüpfte, noch im Ei verstorbene Küken. Letztere deuten darauf hin, dass bereits der Kontakt der Eier mit den Insektiziden ausreicht, um die Sterblichkeit von Vögeln zu erhöhen und ihre Fortpflanzungsrate zu verringern.

Da die Forschungen zum Schutz der Vögel außerhalb der Brutzeit durchgeführt wurden, könnte das tatsächliche Ausmaß laut Tassin de Montaigu noch viel größer sein. Allein im Vereinigten Königreich gebe es knapp 11 Millionen Katzen und 10 Millionen Hunde – von denen ein Großteil mit in den Nestern gefundenen Pestiziden behandelt werde. 

Pestizide belasten Abwasser und Umwelt

Es ist künftig allerdings nicht damit getan, das Haustierfell einfach nicht mehr draußen liegen zu lassen. Eine weitere Studie der University of Sussex und des Imperial College London hat herausgefunden, dass die Wirkstoffe Fipronil und Imidacloprid zum Beispiel durch Händewaschen der Besitzer*innen auch ins Abwasser gelangen. So breiten sich die giftigen Insektizide in Flüssen und im Trinkwasser von Wildtieren oder Lebensräumen von Wasserorganismen aus.

„Das wirft Fragen zu den Umweltauswirkungen von Tierarzneimitteln auf“, sagt Tassin de Montaigu. Die Forschungsteams beider Studien fordern, die Risiken der langlebigen Insektizide in Tierarztneimitteln gegen Zecken und Flöhe neu zu bewerten – und gegebenenfalls neu zu regulieren.

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