„Wir wollen Kompostklos ein positives Image verpassen!“

Mit bunten Festival-WCs und Seemann-Toilettenpapier will der Sozialunternehmer Malte Schremmer Sanitärprojekte in Entwicklungsländern unterstützen.

Von Kathrin Fromm
bilder von Goldeimer
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:41 MEZ
Kompostklos von Goldeimer
Festivalbesucher stehen Schlange für die Kompostklos des Sozialunternehmens Goldeimer.
Foto von Goldeimer

Sie betreiben mit ihrem Sozialunternehmen Goldeimer Komposttoiletten auf Festivals und verkaufen Recyclingklopapier, das mit tätowierten Seemännern bedruckt ist. Muss jetzt sogar der Sanitärbereich cool sein?
Klar, warum nicht? Wenn man im Einzelhandel in den Gang geht, in dem das Klopapier liegt, sieht es da recht langweilig und dröge aus. Wir wollen auffallen! Raus aus der grauen Ecke! So kann man eben auch auf ein Anliegen aufmerksam machen, nicht nur, indem man auf die Tränendrüse drückt. Eine funktionierende Sanitärversorgung ist ein wichtiges Thema in Entwicklungsländern. Da hängen so viele Probleme dran, die gelöst werden müssen: Wasserkontamination, Bodendegradation, Durchfallkrankheiten, Menstruationshygiene... Das wollen wir vermitteln, ohne erhobenen Zeigefinger.

Wie soll das gehen?
Indem wir das Thema mit Kunst, Musik und anderen schönen Dingen verknüpfen. Unsere ehrenamtliche Crew vor Ort spricht mit den Festivalbesuchern über Sanitärversorgung. Wir wollen Kompostklos ein positives Image verpassen! Das Wichtigste ist die Kommunikation, man muss die Menschen sensibilisieren. Das gilt hier, genau so wie in Entwicklungsländern. Dort einfach eine Toilette hinstellen, bringt nichts, weil die Leute eben nicht an Klos, wie wir sie kennen, gewöhnt sind. Ohne Aufklärung wird die Toilette am Ende schon mal als Schuppen für irgendwelche Werkzeuge genutzt.

Wie sind Sie denn auf das Thema gekommen?
Ich habe mich schon im Studium ehrenamtlich bei der Trinkwasserorganisation Viva con Agua engagiert und bei vielen Fundraising-Projekten mitgemacht. So bekam ich die Möglichkeit, mir ein Wasserprojekt in Burkina Faso anzuschauen. Dabei ist mir aufgefallen, dass es im Zusammenhang mit sauberem Wasser auch immer um die Sanitärversorgung geht. Zurück in Deutschland stand meine Bachelorarbeit in Geografie an.

Malte Schremmer, Gründer des Sozialunternehmens Goldeimer.
Foto von Goldeimer

Die Sie dann darüber geschrieben haben?
Eigentlich wollte ich über Westafrika schreiben. Aber mein Prof schlug mir vor, lieber einen Aspekt in Deutschland zu behandeln. So bin ich auf das Thema Sanitärversorgung auf Großveranstaltungen gekommen – und habe untersucht, welches Potenzial Komposttoiletten dort haben. Zur gleichen Zeit hatte die Uni einen Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Ein Freund meinte bei einem Bier: Lass’ uns da doch mal Geld beantragen und zwei Klos bauen. Das haben wir gemacht und sind in dem Sommer auf vier Festivals gefahren. Danach ist Viva con Agua auf uns zugekommen und hat gefragt, ob wir das nicht etwas zusammen starten wollen. So ist vor vier Jahren unser Sozialunternehmen entstanden.

Was heißt das genau?
Alle unsere Gewinne werden in Sanitärprojekte der Welthungerhilfe fließen. Im Moment sind wir leider noch nicht so weit, weil wir erst noch unseren Startkredit abbezahlen müssen, aber in zwei Jahren hoffentlich. Unsere WC-Flotte ist auf jeden Fall schon deutlich gewachsen. Diesen Sommer sind wir auf rund 20 Festivals und haben an manchen Wochenenden 100 Toiletten im Einsatz.

Wie funktionieren die Kompostklos?
Jeder bekommt einen Becher mit Sägespänen mit, den er nach der Benutzung ins Klo kippt. So bindet man Gerüche. Wir verwenden keine Chemikalien und verbrauchen kein Wasser. Unter den Klos sind ausrangierte Mülltonnen. Darin wird alles gesammelt, nach dem Festival geleert und zu einer speziellen Kompostanlage gebracht.

Seit vergangenem Jahr gibt es außerdem Toilettenpapier von Goldeimer.
Ja. Mit den Festivaltoiletten erreicht man einfach nur eine gewisse Klientel, außerdem ist das ein Saisongeschäft. Klopapier braucht jeder, immer! Gerade sind wir dabei eine deutschlandweite Vertriebsstruktur aufzubauen. Im Moment gibt es unser Klopapier noch vor allem in unserer Heimatstadt Hamburg zu kaufen. Übrigens wird in Deutschland immer noch zu 60 Prozent Klopapier aus Zellstoff genutzt, das also direkt vom Baum stammt. Recycling ist besser – und auch bei weitem nicht mehr so kratzig wie früher mal.

Sind noch andere Projekte geplant?
Wir würden gerne irgendwann das Thema Windeln angehen. Uns schwebt eine ökologische Variante vor, die nicht aus Plastik besteht und bei der sich Windel plus Inhalt kompostieren lässt. Und wir wollen die Baupläne für die Kompostklos als Open Source Lizenz ins Internet stellen. Die Leute sollen das nachmachen können. Wir wollen da kein Monopol drauf. Uns geht es darum, nachhaltige Sanitärsysteme zu verbreiten.

Ein Artikel über die problematische Sanitärversorgung in Indien und anderen Ländern steht in der Ausgabe 9/2017 von National Geographic (einen Auszug gibt es hier). Jetzt ein Magazin-Abo abschließen!

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