Insekten statt Fischmehl: Gut für Lachse, gut für den Planeten
Ein niederländisches Unternehmen hat ein neues Futtermittel für Lachsfarmen entwickelt, das auch der Umwelt zugutekommen könnte – wenn die Produktion schnell genug gesteigert werden kann.
In den Niederlanden haben Forscher eine neue, nachhaltigere Methode entwickelt, um Lachse in Aquakulturen zu füttern. Die große Lösung: Insekten.
Die meisten Lachse, die auf unseren Tellern landen, stammen aus Aquakulturen, in denen sie mit einem speziellen Futtermittel ernährt werden, das ihr Wachstum anregen soll. In der Vergangenheit basierte dieses Futtermittel zu großen Teilen auf Fischmehl, einer protein- und nährstoffhaltigen Mischung, die aus anderen Fischen hergestellt wird. Diese Futterfische werden speziell zu dem Zweck gefangen, sie an andere Fische zu verfüttern.
Diese Praktik wurde jedoch mehrfach von Naturschützern verurteilt, die den Prozess als ineffizient kritisieren. Zudem trägt er zur Überfischung bei und schadet bedrohten Meerestieren wie Walen und Meeresschildkröten, die oft als Beifang in den Netzen landen.
Auf der Suche nach einer Alternative entwickelte das Unternehmen Protix mit Sitz in den Niederlanden ein Fischfutter, das auf Insekten basiert. Den Forschern kam diese Idee, als sie beobachteten, dass Tiere wie Hühner als Jungtiere Insektenlarven als Proteinquelle nutzen.
„Lachse gehören zu den anspruchsvolleren Zuchtfischen“, sagt Tarique Arsiwalla, der kaufmännische Leiter von Protix. Derzeit fängt ein Großteil der Aquakultur-Industrie „Fische, die wir nicht essen wollen, um Lachs zu züchten, den wir essen wollen“, erzählt er.
2014 begann Protix damit, verschiedene Insektenarten zu untersuchen. Schließlich entdeckte das Unternehmen, dass die Waffenfliegen-Art Hermetia illucens während ihres Larvenstadiums große Mengen an Proteinen speichert, da die Fliege nach dem Schlüpfen nicht mehr frisst.
Die Lachse, die recht wählerisch sind, zogen die Nahrung, die aus diesen Fliegen hergestellt wurde, anderen Alternativen vor.
Weil Lachse zwei bis zweieinhalb Jahre brauchen, um auszuwachsen, und weil die meisten neuen Futtermittel nur über einen Zeitraum von ein paar Monaten getestet werden, scheuen sich viele Unternehmen, neue Futtermittel auszuprobieren, sagt Kees Aarts, der Geschäftsführer von Protix. Um das Interesse der Industrie zu wecken, hat Protix sein neues Futter auf Insektenbasis vier Jahre lang getestet.
„Wir sind in einer Zeit aufgewachsen, in der wir dachten, das große blaue Meer sei unendlich“, so Aarts. „Aber durch die steigende Nachfrage im Bereich der Lachsproduktion brauchen wir diese Alternative.“
DAS AUS FÜR FISCHMEHL?
Noch vor ein paar Jahren brauchte man das Äquivalent von drei Fischen, um genügend Nahrung für einen Lachs aus einer Aquakultur herzustellen. Umweltschutzorganisationen wie Oceana und der WWF beklagten, dass das keine effiziente Nutzung der weltweiten Ressourcen sei. Gleichzeitig stieg die weltweite Nachfrage nach Lachs rasant an. Als Reaktion darauf arbeitete die Industrie hart an der Verbesserung dieses Verhältnisses und konnte es schließlich auf anderthalb Fische für jeden Lachs reduzieren (hauptsächlich durch Zugabe von Pflanzen wie Soja und Mais). Aber noch immer war das Fangen anderer Fische für die Futtermittelherstellung nötig.
Und diese Fische, aus denen das Fischmehl hergestellt wird, können Rückstände von Chemikalien aus Abwässern, von Plastik und von Toxinen (zum Beispiel Quecksilber aus den Emissionen von Kraftwerken) enthalten. All diese Verbindungen können von den Lachsen verschluckt werden und dann auf unserem Teller landen.
Laut Tim Cashion, einem Doktoranden an der Universität von British Columbia, hat die Industrie die Menge an Fischmehl bei der Lachsaufzucht bereits dramatisch gesenkt: In den 1960ern und 1970ern waren es noch 100 Prozent, bei seiner letzten Studie zu diesem Thema 2012 in Norwegen waren es nur noch 30 Prozent. Alternative Nahrungsquellen können aber unter Umständen nicht alle Aminosäuren ersetzen, die Lachse brauchen – und sie ersetzen auch nicht das Fischöl, das Lachs zu so einer gesunden Nahrungsquelle macht.
„Das Öl könnte der Teil sein, der sich nur schwer ersetzen lässt“, sagt Cashion. „Man braucht die richtigen Fette, die die Leute in ihrem Lachs haben wollen. Darum kann man Fischöl nicht komplett durch anderes Öl ersetzen.“
Das Futtermittel auf Insektenbasis soll nur die Proteine in der Nahrung der Lachse ersetzen, aber Aart sagt, dass Alternativen zum Fischöl derzeit vom Unternehmen wie DSM und Evonik entwickelt werden.
Ein wichtiger Faktor ist für Unternehmen wie Protix auch die große Menge, die nötig ist, damit das Futter auf Insektenbasis sich in der Aquakultur-Industrie durchsetzen kann.
„Der derzeitige Bedarf an Fischmehl beträgt schätzungsweise sechs Millionen Tonnen pro Jahr“, sagt Cashion. „Wenn man 100 Prozent davon mit Insektennahrung ersetzen will, brauchen wir eine Menge davon. Soweit ich das verstehe, kann die aktuelle Produktion das nicht leisten, aber es ist natürlich auch noch eine recht neue Industrie.“
Er fragt sich, ob der große Bedarf wohl zeitnah gedeckt werden könnte. Der Erfolg hängt ihm zufolge jedoch auch vom Preis der Insektennahrung ab.
„Wenn sie das Insektenmehl billiger einkaufen können als das Fischmehl und damit die gleichen Ergebnisse erzielen, werden sie das wahrscheinlich machen, wenn sich das für ihre Produktionsmenge eignet“, sagt er.
Da es sich noch um ein neues Produkt handelt, ist die Insektennahrung Aart zufolge noch etwas teurer als Fischmehl. Allerdings rechnet man damit, dass die Fischmehlpreise durch die sinkenden Fischbestände im Meer steigen werden, während der Bedarf an Lachs weiterwachsen wird.
ANDERES FUTTER, SELBER GESCHMACK
Der Geschmack des Lachses wird durch die andere Nahrung nicht beeinflusst, sagt Arsiwalla. „Das beste Ergebnis, das wir erzielen konnten, war, dass der Lachs so schmeckte, wie er schmecken sollte – obwohl wir eine erhebliche Änderung beim Futtermittel vorgenommen hatten“, sagt er. „Ein Lachs sollte wie ein Lachs schmecken.“
Um das zu beweisen, ließ das Unternehmen seinen Lachs in einem Blindversuch testen. Keiner der Tester erkannte einen Unterschied zwischen dem Protix-Lachs und einem Lachs, der mit herkömmlichem Futter aufgezogen wurde.
Protix arbeitet nun daran, seine Produktion zu vergrößern. Neben den Standort in den Niederlanden gibt es bereits neue Projekte in Europa, Asien und Mexiko. Das Unternehmen will pflanzliche Abfallprodukte von anderen Nahrungsmittelherstellern nutzen, um die Fliegenlarven zu füttern, die es in seiner eigenen Anlage züchtet. Eine zweite Anlage soll bald eröffnet werden, und seit Juli 2017 kann das Unternehmen seine Produkte in EU-Mitgliedsstaaten verkaufen.
„Wir glauben, dass die Industrie vor einem schnellen Wachstum steht“, sagt Aarts. „Unser Ziel ist es, die Sicherheit und das wirtschaftliche und umweltbewusste Potenzial dieser neuen Nahrungsmittelkategorie zu zeigen, aus der man neue Produkte entwickeln kann, zum Beispiel durch die Verwendung in Hühnerfutter.“
Nach der Genehmigung durch die EU gab es Aarts zufolge einen raschen Anstieg in der Nachfrage nach Futtermittel auf Insektenbasis. Protix hat auch Interesse an der Fütterung von anderen Aquakulturen wie Forellen und Shrimps.
„Wir müssen für unseren Planeten sorgen, und wir glauben auch, dass alle Menschen in jeder Lebensphase Zugang zu guten Nahrungsmitteln haben sollten“, sagt Aarts. „Das bedeutet auch, dass wir die Tiere, die wir selbst essen, gut ernähren müssen.“
FISCHE
Aquakultur - Die Blaue Revolution
Tilapia und Lachs statt Rind und Hühnchen: Immer mehr von unserem Essen wächst künftig im Wasser. Sind Aquakulturen die Lösung?
Der Klimawandel könnte Fische schrumpfen lassen
Laut einer neuen Studie könnte die Erwärmung des Meeres für kleinere Fische sorgen.
Meerestiere fressen tonnenweise Plastik
Fische und wirbellose Tiere fressen Mikroplastik aus dem Meer – und Wissenschaftler machen sich Sorgen über die Konsequenzen dieses Verhaltens.