75 Prozent der weltweiten Landflächen sind degradiert

Ein neuer Bericht warnt davor, dass Umweltschäden das Wohlergehen von 3,2 Milliarden Menschen gefährden könnten. Lösungen gäbe es aber genug.

Von Stephen Leahy
Veröffentlicht am 5. Apr. 2018, 16:40 MESZ
Landfläche
Durch Winderosion wird die oberste humose Bodenschicht strapazierter Ackerflächen abgetragen, was auf der ganzen Welt zu Bodenschäden führt.
Foto von Robb Kendrick, National Geographic Creative

Mehr als 75 Prozent der Landgebiete unseres Planeten sind erheblich degradiert und gefährden damit das Wohlergehen von insgesamt 3,2 Milliarden Menschen. Zu diesem Schluss kommt der weltweit erste umfassende und evidenzbasierte Bericht zum Zustand des Bodens.

Der Boden ist die Basis jedes ländlichen Ökosystems unseres Planeten. Seine Mikrofauna baut totes organisches Material ab, er filtriert den Niederschlag und aus ihm sprießt neues Leben. Doch durch menschliche Fehlnutzung kommt es zunehmend zur Degradation: Der Boden kann seine Aufgaben nicht mehr erfüllen – die Grundlage jener Ökosysteme, die uns am Leben halten, beginnt zu bröckeln.

Die betroffenen Landgebiete sind entweder verwüstet, verschmutzt oder wurden entwaldet und zu Landwirtschaftsflächen umgewandelt, die die Hauptursache für das Aussterben diverser Tierarten sind.

Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnten bis zum Jahr 2050 90 Prozent der weltweiten Landbereiche degradiert sein. Das könnte potenziell Hunderte Millionen Menschen zur Migration zwingen, wenn die Nahrungsproduktion vielerorts zusammenbricht, wie der Bericht warnt.

„Die Bodendegradation, der Verlust der Biodiversität und der Klimawandel sind drei verschiedene Gesichter desselben zentralen Problems: Unsere Entscheidungen haben zunehmend gefährliche Auswirkungen auf die Gesundheit unserer natürlichen Umgebung“, sagte Sir Robert Watson, der Vorsitzende der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES), die den Bericht veröffentlichte.

Bei der IPBES handelt es sich um „ein zwischenstaatliches Gremium, das helfen soll, umweltpolitische Entscheidungen nach bestem Stand des Wissens zu treffen“, wie auf der entsprechenden Website nachzulesen ist. Die Bewertung der Bodendegradation dauerte drei Jahre und wurde von 100 führenden Experten aus 45 Ländern durchgeführt.

Die rapide Erweiterung und das nicht nachhaltige Management der Anbau- und Weideflächen sind die Hauptursachen für die Bodendegradation. Diese Faktoren bedingen einen beträchtlichen Verlust von Artenvielfalt und gefährden die Ernährungssicherung, die Filtrierung des Wassers, die Energieproduktion und andere wichtige Beiträge, die die Natur für den Menschen leistet. In vielen Teilen der Welt haben diese Folgen bereits ein „kritisches Maß“ erreicht, wie Watson in einem Interview sagte.

Die Feuchtgebiete hat es dabei am schwersten getroffen: In den letzten 300 Jahren verschwanden 87 Prozent der weltweiten Feuchtgebiete, 57 Prozent allein seit 1900. In Südostasien und dem Kongobecken werden diese Bereiche auch weiterhin zerstört, hauptsächlich zugunsten der Palmölherstellung.

Dem Bericht zufolge sind die zugrundeliegenden Faktoren für die Bodendegradation vorwiegend der stark von Konsum geprägte Lebensstil der meisten Industrieländer sowie der steigende Konsum in Entwicklungs- und Schwellenländern. Der hohe und steigende Pro-Kopf-Verbrauch, der durch das starke Bevölkerungswachstum in vielen Teilen der Welt noch gesteigert wird, führt zu einer nicht nachhaltigen Ausweitung der Landwirtschaftsflächen, zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und Mineralien und zur Urbanisierung.

„Wir wissen das seit über 20 Jahren, aber es wird immer nur schlimmer“, sagte Luca Montanarella, ein Bodenwissenschaftler aus Italien und Vizevorsitzender des Gutachtenprojekts.

Viele Regierungen sehen die Bodendegradation nicht als dringliches Problem an, obwohl viele von ihnen ein internationales Abkommen unterzeichnet haben, demzufolge sie bis zum Jahr 2030 eine Bodendegradationsneutralität erreichen wollen. „Wir müssen eine stabile Balance zwischen unserem Lebensstil und unseren Auswirkungen auf die Natur finden“, sagte Montanarella in einem Interview.

Wenn die Menschheit der Bodendegradation ein Ende setzen würde, wäre ein Drittel des Weges geschafft, um die globale Erwärmung auf 2 °C zu begrenzen. Das ist der Grenzwert, bis zu dem laut Klimawissenschaftlern die schlimmsten Folgen der Klimaerwärmung vermieden werden können. Allein die Entwaldung verursacht ganze 10 Prozent aller menschengemachten Emissionen.

KEIN MANGEL AN LÖSUNGEN

Für Entwicklungs- und Schwellenländer in Teilen Afrikas und Asiens wären die Kosten der Tatenlosigkeit im Angesicht der Bodendegradation mindestens dreimal höher als die Kosten des Handelns, wie der Bericht besagt. Zudem wären die finanziellen Vorteile der Wiederherstellung der Bodengesundheit zehnmal höher als die Ausgaben dafür.

Ein Ende der Produktionssubventionen in der Landwirtschaft, Fischerei, Energiegewinnung und anderen Sektoren würde viel dazu beitragen, den Druck auf die Natur zu verringern. Etwa 25 Prozent sind von der Vieh- und Schafzucht auf andere Bereiche umgestiegen, weil das Land zu trocken und der Sektor damit zu unprofitabel geworden ist, sagte Robert Scholes, ein südafrikanischer Ökologe und Vizevorsitzender der Beurteilung.

„Diese Ländereien werden von Wildtieren zurückerobert, die an diese Bedingungen besser angepasst sind“, sagte Scholes. „Das Gleiche passiert in Australien.“

Rodungsschneisen durchziehen den Regenwald auf Borneo.
Foto von Frans Lanting, National Geographic Creative

Es gibt viele erprobte Methoden, um diese Trends umzukehren. Dazu gehören beispielsweise eine bessere Stadtplanung, eine Bepflanzung mit heimischen Arten, eine grünere Infrastruktur, eine Wiederherstellung kontaminierter und versiegelter (z. B. unter Asphalt befindlicher) Böden, Abwasserreinigung und die Wiederherstellung natürlicher Flussläufe. Scholes zufolge müsse das Land unter Berücksichtigung der gesamten umliegenden Landschaft gemanagt werden, damit die Bedürfnisse von Landwirtschaft, Industrie und Stadtgebieten ganzheitlich ausbalanciert werden können.

Außerdem seien bessere und mehr frei zugängliche Informationen über die Auswirkungen von Handelsgütern nötig. Viele reiche Länder lagern ihre Auswirkung auf die Umwelt gewissermaßen aus, indem sie große Mengen an Nahrungsmitteln, Ressourcen und Produkte aus anderen Ländern einfach importieren. Die Europäische Union beispielsweise importiert 30 bis 40 Prozent ihrer Nahrungsmittel.

„Mit diesem Bericht hat die globale Expertengemeinschaft eine direkte und dringende Warnung sowie klare Optionen herausgegeben, um die schweren Umweltschäden in Angriff zu nehmen“, so Watson.

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