Teller statt Tonne: Wie wir weniger Lebensmittel verschwenden

Warum landen in Deutschland eigentlich so viele Lebensmittel im Müll? Und was können wir gegen die Verschwendung tun?

Deutschland und sein Luxusmüll: Privathaushalte sind für 52 Prozent der Lebensmittelabfälle verantwortlich.

Foto von Joern / stock.adobe.com
Von Jens Voss
Veröffentlicht am 11. Juni 2021, 13:19 MESZ

Fast ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel verdirbt und verrottet. Zwei Milliarden Menschen könnten davon satt werden. Nach Angaben des Bundesernährungsministeriums wandern allein in Deutschland jährlich 12 Millionen Tonnen Lebensmittel in den Abfall. Einer WWF-Analyse zufolge sind es sogar 18 Millionen Tonnen. Wer sind die Hauptverursacher? Dieser Frage ist das Thünen-Institut im Auftrag des Ernährungsministeriums in einer Studie nachgegangen.

Hiernach entstehen zwölf Prozent der Lebensmittelabfälle schon bei der Erzeugung in der Landwirtschaft – etwa beim Lagern, Sortieren oder Transportieren. In der weiteren Verarbeitung fallen 18 Prozent an, zum Beispiel durch beschädigte Verpackungen. Der Handel produziert vier Prozent der gesamten Abfälle, vor allem durch Ware, die nicht komplett verkauft wurde. In der Gastronomie entstehen 14 Prozent. Am meisten aber verursachen die Privathaushalte. Sie sind für 52 Prozent der Lebensmittelabfälle verantwortlich.

Bis 2030 will die Bundesregierung diesen gigantischen Müllberg halbieren. Dazu hat sie die „Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ entwickelt. Umwelt- und Verbraucherverbände begrüßen zwar das Ziel, hadern aber mit der Umsetzung. Denn das Strategiepapier setzt zu einem guten Teil auf freiwillige Vereinbarungen der Branchen.

Überproduktion und Dumping-Preise

Und damit packe die Regierung das Problem nicht an der Wurzel an, kritisiert etwa Slow Food. Die internationale Bewegung setzt sich nach eigenen Worten unter anderem für den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft und eine Lebensmittelerzeugung innerhalb gesunder Ökosysteme ein.

Als Hauptursachen des Verschwendungsproblems sieht Slow Food eine Überproduktion der Landwirtschaft und ein Überangebot in den Supermärkten. Bauern seien förmlich dazu gezwungen, mehr zu produzieren als eigentlich nötig, um die mit dem Handel vereinbarten Mengen liefern können. Schließlich sollen die Regale immer voll sein – selbst am Samstag kurz vor Ladenschluss.

Dumping-Preise und Verfügbarkeit rund um die Uhr? Für die deutsche Slow-Food-Vorsitzende Nina Wolff ein Irrweg, der nicht nur die Umwelt belaste, sondern auch dazu geführt habe, dass die Wertschätzung für Lebensmittel bei vielen Menschen verloren gegangen sei. Nach Angaben der Verbraucherzentrale haben wir 1950 rund 50 Prozent des Haushaltseinkommens für Nahrungs- und Genussmittel ausgegeben. Heute sind es nur noch gut zehn Prozent.

„Lebensmittelerzeugung und Ernährung müssen ökologischer, regionaler und pflanzlicher werden“, fordert Slow-Food-Chefin Wolff. Sie plädiert dafür, die Industrie in die Pflicht zu nehmen, statt auf die Wirkung freiwilliger Vereinbarungen zu hoffen.

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    Doch auch die Privathaushalte sind gefordert. Sie verschwenden nun mal mehr als die Hälfte aller Lebensmittel. Pro Kopf sind es jährlich 75 Kilogramm. Vor allem Obst, Gemüse und Fertiggerichte werden weggeschmissen.

    Dabei können schon einfache Tricks im Alltag dabei helfen, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Das Umweltbundesamt empfiehlt fünf Tipps:

    Besser planen beim Einkauf

    Klingt einleuchtend – und doch halten wir uns oft nicht daran: Einkaufszettel schreiben! Ein Blick in Kühlschrank und Vorratsregal vor dem Einkauf hilft, Doppeleinkäufe zu vermeiden. Und wenn sich Gäste ankündigen: vorher realistisch kalkulieren, statt zu übertreiben.

    Haltbarkeitsdatum? Erst probieren!

    Längst nicht alle Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, sind tatsächlich schlecht. Bei leicht verderblicher Ware wie Fisch oder Fleisch muss man natürlich genau hinschauen. Trockene Produkte wie Nudeln oder Reis halten aber fast ewig. Auch Jogurt bleibt meist viel länger frisch, als die Packung angibt.

    Kreativ werden – Reste verwerten

    Auch aus Resten lassen sich oft leckere Mahlzeiten zaubern. Inzwischen gibt es dazu viele Kochbücher und Apps. Viele übrig gebliebene Speisen lasen sich auch gut einfrieren. Hat das Gemüse oder Obst eine Delle? Schnell verwerten, bevor es schimmelt.

    Richtig lagern

    Wer die unterschiedlichen Kältezonen des Kühlschranks nutzt und Lebensmittel in getrennten Gefäßen aufbewahrt, verlängert die Haltbarkeit. Leicht Verderbliches gehört in die kühlste Zone über das Gemüsefach. Eier, Butter oder Getränke sind auch in der nicht ganz so kühlen Kühlschranktür gut aufgehoben.

    Verschenken statt verschwenden

    Auch wenn es das Problem der Überproduktion und Dumpingpreise nicht löst: Statt einwandfreie Lebensmittel wegzuwerfen, sollte man sie besser spenden – zum Beispiel über die bekannten Tafeln sowie andere Vereine Food Fighters oder Foodsharing.

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