Zigarettenstummel sind nicht länger der häufigste Strandmüll

Chipstüten, Kekspackungen, Grillgutschachteln: An den Stränden der Welt führen Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff die Müllstatistik an. Das liegt auch an den unterirdischen Recyclingquoten – selbst in Deutschland.

Von Laura Parker
Veröffentlicht am 7. Juni 2021, 13:45 MESZ
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Plastic trash in Freedom Island's ecotourism area.
Foto von Randy Olson, Nat Geo Image Collection

Bonbonpapier, Chipstüten, Käsepackungen: All das gehört nun zum häufigsten Strandmüll der Welt und hat erstmals Zigarettenstummel als Spitzenreiter abgelöst.

Diese traurige Statistik gehört zu den Ergebnissen des neuesten Berichts der Ocean Conservancy über ihre jährlichen Strandsäuberungen: Dabei wurden 2019 mehr als 20,8 Millionen Tonnen Müll an Stränden in 116 Ländern gesammelt. Das sind 32,5 Millionen eingesammelte Gegenstände an einem einzigen Tag.

Lebensmittelverpackungen – die zwischen 2002 und 2014 fast 45 Prozent der in den USA, Europa, China und Indien produzierten Kunststoffe ausmachten – stiegen im Laufe der Jahre zum dominanten Kunststoff im globalen Abfallstrom an. Trotzdem klammerte sich der unscheinbare Zigarettenfilter in der 34-jährigen Geschichte der Strandsäuberungen der Ocean Conservancy an den ersten Platz. Jetzt rangiert er mit 4,2 Millionen gesammelten Kippen auf Platz zwei. Lebensmittelverpackungen führen die Liste mit mehr als 4,7 Millionen gesammelten Verpackungen an.

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Ein Kompendium der gesammelten Gegenstände, aufgeschlüsselt nach Land und Art, wurde online veröffentlicht. Der Müll wurde an Stränden auf allen Kontinenten außer der Antarktis gesammelt.

Die anderen Gegenstände in den Top Ten fallen in die Kategorie Lebensmittel und Getränke, und die meisten von ihnen sind nicht recycelbar. Die Liste umfasst Flaschen und Verschlüsse, Strohhalme und Rührstäbchen, Becher, Deckel, To-Go-Boxen und Plastiktüten. Während Flaschen gut recycelbar sind, werden leichte Kunststoffverpackungen oft von Recyclingbetrieben abgelehnt, weil sie die Maschinen verstopfen.

Zigarettenstummel, die aus Zelluloseacetat bestehen, wurden von den Wissenschaftlern der Umweltgruppe lange Zeit als Anomalie betrachtet – ein separates Problem, das nichts mit den größeren Verbrauchertrends in Bezug auf Plastikmüll zu tun hat. Bei zukünftigen Säuberungsaktionen, abhängig von der Anzahl der Freiwilligen und der gereinigten Strände, könnte der allgegenwärtige Zigarettenstummel den ersten Platz aber zurückerobern, sagt Nicholas Mallos. Er leitet das Programm Trash-Free Seas der Ocean Conservancy.

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    „Dass Lebensmittelverpackungen auf den ersten Platz gerutscht sind, verdeutlicht lediglich die nicht nachhaltige Produktion von Einwegverpackungen für Lebensmittel und Getränke“, sagt er. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Großteil der Lebensmittelverpackungen von den Verbrauchern entweder nicht recycelt wird oder überhaupt nicht recycelt werden kann. Gerade das sei ein Umstand, der laut Mallos die „groben Unzulänglichkeiten“ im Umgang mit Plastikmüll in den meisten Gemeinden auf der Welt unterstreicht.

    Schlechte Recyclingquoten sind Teil des Problems

    Nur 13 Prozent der Kunststoffbehälter und -verpackungen wurden 2017 in den Vereinigten Staaten recycelt, so die Environmental Protection Agency – die niedrigste Recyclingrate bei Behältern und Verpackungen aller Materialien.

    In Deutschland sieht es nicht viel besser aus. Laut einer Untersuchung des BUND und der Heinrich-Böll-Stiftung von 2019 lag die Kunststoff-Recyclingquote gerade mal bei rund 15 Prozent. In anderen Statistiken fällt die Quote zwar größer aus – dabei wird aber nur berücksichtigt, ob das Abfallmaterial bei einem Recyclingunternehmen eintrifft, und nicht, ob daraus auch tatsächlich wiederverwendbares Material entsteht. Ein Großteil wird einfach zur Energiegewinnung verbrannt – oder gleich ins Ausland verschifft.

    Die Ocean Conservancy hat seit ihrer ersten Strandsäuberung 1986 jeden Gegenstand katalogisiert, der bei Strandsäuberungen eingesammelt wurde. So hat sie mittlerweile nach eigenen Angaben die weltweit größte Datenbank für nach Typ sortierten Meeresmüll mit mehr als 400 Millionen Objekttypen zusammengestellt. Die Zeitleiste zeigt allgemeine Trends im Verbraucherverhalten sowie die Verfügbarkeit verschiedener Produkte. Zum Beispiel fielen Getränkedosen und Papiertüten nach der Säuberungsaktion 2009 aus den Top Ten – etwa ein Jahrzehnt, nachdem Wasser in Flaschen weltweit Verbreitung fand und die Verwendung von Plastiktüten in Lebensmittelgeschäften die Papiertüten überholte. Glasflaschen verschwanden im Jahr 2017 aus den Top Ten. Das war das Jahr, in dem Plastik erstmals als meistgesammeltes Material die Statistik dominierte.

     „Der Datensatz der Ocean Conservancy ist eine so wichtige Momentaufnahme der Plastikverschmutzung für alle, die sich um dieses weltweite Thema sorgen“, sagt Jenna Jambeck. Die Ingenieurprofessorin an der University of Georgia ist ein National Geographic Fellow. „Seit ich vor 19 Jahren begann, zu diesem Thema zu forschen, nutze ich diese Daten.“

    Die Ausbeute der Aufräumaktion 2019 wurde von den Statistikern der Gruppe wie üblich mit Begriffen quantifiziert, die relevant für das Ökosystem sind, welches der Müll verschmutzt: Sie Sammlenden fanden genug Strohhalme, damit 322 Kraken ein Jahr lang acht Smoothies pro Tag trinken können, und genug Plastikbesteck, um 66.000 Haien ein Drei-Gänge-Menü zu servieren. Die Freiwilligen sammelten außerdem genug Angelschnur, damit ein Seevogel aus 88 Kilometern Höhe damit fischen könnte.

    Wie üblich wurden bei der Säuberung von 39.358 Kilometern Strand – vom asiatischen Pazifik über den Nordatlantik bis nach Südamerika – auch einige Kuriositäten gefunden. Ein Gartenzwerg tauchte an einem Strand in Japan auf: ein Beweis für die scheinbare Allgegenwärtigkeit seiner Art. Unter den anderen Funden: ein Barbecue-Grill in Hongkong, eine Badewanne in Jamaika, ein Bügelbrett in Venezuela, eine Couch im Westen Mexikos, eine Golftasche in Norwegen und eine Tiki-Fackel in Kalifornien.

    Die Aufräumaktion findet jeweils am dritten Samstag im September statt, so auch in diesem Jahr. Aber aufgrund der Pandemie werden die Freiwilligen ermutigt, allein oder in kleinen Gruppen zu arbeiten – oder den Strand ganz auszulassen und sich auf die Abfallreduzierung in ihren eigenen Haushalten zu konzentrieren.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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