Klimaschutz: Wie steht es um das Ozonloch?

Unsichtbare Bedrohung aus dem All: Vor mehr als 35 Jahren konnten Wissenschaftler erstmals nachweisen, dass ein riesiges Ozonloch über der Antarktis klafft. Wie die Lage heute ist, erklärt Dr. Rolf Müller vom Forschungszentrum Jülich.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 15. Sept. 2021, 13:49 MESZ, Aktualisiert am 16. Sept. 2021, 10:50 MESZ
18 Millionen Quadratkilometer: Das Ozonloch über der Antarktis war Anfang Dezember 2020 so groß wie noch ...

18 Millionen Quadratkilometer: Das Ozonloch über der Antarktis war Anfang Dezember 2020 so groß wie noch nie zu dieser Jahreszeit. Langfristig rechnen Forschende allerdings mit einer Erholung.

Foto von Esa

Die Welt stand Kopf am 16. Mai 1985. Britische Forscher hatten ein gigantisches Loch in der Ozonschicht über der Antarktis entdeckt und ihre Ergebnisse in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht. Die beobachteten Ozonverluste waren dramatischer als alle Prognosen. Kein Wunder, dass die Neuigkeiten für Alarmstimmung sorgten: Ohne schützende Ozonschicht wäre das pflanzliche und tierische Leben in der uns bekannten Form kaum möglich. Wie ein riesiger Schirm filtert sie die schädliche UV-Strahlung der Sonne in rund 15 bis 30 Kilometern Höhe. Damit bewahrt sie zum Beispiel Menschen und Tiere vor fatalen Zellschäden, Hautkrebs und Augenleiden.

Die internationale Staatengemeinschaft zog an einem Strang: Im Montreal-Protokoll von 1987 sowie weiteren Vereinbarungen beschloss sie, ozonschädliche Substanzen zu verbieten, die der Mensch schon seit Jahrzehnten in die Atmosphäre gepustet hatte. Im Zentrum standen die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW): künstliche chemische Verbindungen, die seinerzeit weltweit als Treibgase, Kältemittel und Lösungsmittel im Einsatz waren und die Schutzschicht zerstörten. Der Ozonkiller FCKW ist seitdem so gut wie komplett aus Kühlschränken, Spraydosen und Schaustoffen verschwunden.

Doch hat sich auch die Ozonschicht erholt? Das Institut für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich untersucht die chemischen, mikrophysikalischen und dynamischen Prozesse in der Erdatmosphäre. Im Gespräch: der Physiker und Ozonforscher Dr. Rolf Müller.

BELIEBT

    mehr anzeigen

    Ozonforscher Dr. Rolf Müller ist optimistisch, dass sich das Ozonloch auf lange Sicht schließen wird: „Die notwendigen Schritte sind weitestgehend getan.“

    Foto von Rolf Müller

    Herr Dr. Müller, bitte klären Sie uns auf: Wächst oder schrumpft das Ozonloch?

    Die Wissenschaft beobachtet, dass sich die Ozonschicht über der Antarktis allmählich erholt. Wir gehen heute davon aus, dass sich das Ozonloch schließen wird. Aber das ist ein langer Prozess. Wir sprechen hier von einem Zeitraum von etwa 50 bis 100 Jahren.

    Warum dauert die Erholung so lange?

    Die ozonschädlichen FCKW haben Lebenszeiten von 50 bis 100 Jahren. Erst dann werden sie also aus der Atmosphäre verschwunden sein. Das können wir messen – zum Beispiel mit Forschungsballons, die selbst in 30 Kilometern Höhe Luft zur Analyse einsammeln können. Die höchste FCKW-Konzentration in der Atmosphäre hatten wir um das Jahr 2000. Seitdem beobachten wir eine Abnahme um insgesamt rund zehn Prozent. Damit sind wir ungefähr wieder auf dem Stand von 1991 oder 1992.

    In den letzten Monaten gab es aber immer wieder teils stark voneinander abweichende Meldungen über den Zustand der Ozonschicht. Mal war die Rede davon, das Ozonloch schließe sich. Dann hieß es, es sei so groß wie nie zuvor.

    Grundsätzlich muss man zwischen dem Ozonverlust in der Arktis und dem in der Antarktis unterscheiden. Die größte Ozonausdünnung tritt jedes Jahr im antarktischen Frühjahr auf, also im Oktober. Bis zu 80 Prozent der gesamten Ozonschicht gehen dann verloren. Auch über der Arktis beobachten wir inzwischen solche Ozonverluste. Doch es handelt sich um zwei unterschiedliche Phänomene. Die meteorologischen Bedingungen unterscheiden sich an den Polen. In der Arktischen Stratosphäre herrscht eine viel größere Variabilität, was das Klima angeht. Es gibt dort zum Beispiel größere Temperaturschwankungen und es ist in der Regel wärmer als am Südpol.

    Mit Forschungsballons lässt sich die Konzentration ozonschädlicher Stoffe selbst in 30 Kilometern Höhe messen.

    Foto von Elena Popa, Universität Utrecht

    Was bedeuten diese Temperaturschwankungen für die Ozonschicht?

    Entscheidend für die Ausdünnung der Ozonschicht sind extrem niedrige Temperaturen in der Atmosphäre und Tiefdruckgebiete, die das Ozonloch bildlich gesprochen umklammern. Die Ozonzerstörung beginnt erst ab einer Temperatur in der Atmosphäre von 195 Kelvin oder weniger. Das entspricht ungefähr minus 78 Grad Celsius. Manchmal ist es in der Arktis aber so warm, dass dieser Prozess gar nicht in Gang kommt – im Gegensatz zur Antarktis, wo das Phänomen alljährlich wiederkehrt, weil es dort eben in der Regel viel kälter ist. Aber auch der arktische Winter war 2020 in großen Höhen sehr lange überaus kalt, was zu einer starken Ozonausdünnung über dem Nordpol führte. So kam es dann zum Teil zu voreiligen Schlüssen: etwa dass sich das Ozonloch grundsätzlich wieder vergrößere. In den kommenden Jahren kann sich das aber wieder ganz anders darstellen. Kurz gesagt: Es kann immer wieder Jahre geben, in denen sich das Ozonloch über der Antarktis ausdehnt oder über der Arktis starke Ozonverluste auftreten. Langfristig rechnen wir aber wie erwähnt mit einer Erholung.

    Ozonzerstörung über der Arktis
    Auch am Nordpol beobachten Forschende immer wieder eine Ausdünnung der Ozonschicht. Die Animation zeigt die Entwicklung im März 2020. Video: beinhaltet Material von Copernicus (2020), bearbeitet von DLR/BIRA/ESA

     

    Sie sagten, die Ozonzerstörung beginne erst bei extrem niedrigen Temperaturen. Ist die globale Erderwärmung also gut für die Ozonschicht?

    Nein, das kann man so nicht sagen. Aktuell gibt es noch keine einheitlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ozonschicht. Ein Grundprinzip lautet: Je höher der CO2-Ausstoß, desto kälter die Stratosphäre. Hier unten wird es wärmer, oben dagegen kälter. Das hängt mit Wechselwirkungen zwischen dem CO2 und der Strahlung in der Atmosphäre zusammen. Zugleich gibt es aber Hypothesen, wonach die Luftbewegungen in der Stratosphäre im Zuge des Klimawandels zunehmen. Das könnte wärmere stratosphärische Winter zur Folge haben. Wir beobachten also grundsätzlich zwei Antriebe, die in unterschiedliche Richtungen führen könnten.

    Was stimmt Sie optimistisch, dass sich das Ozonloch eines Tages tatsächlich wieder schließen wird?

    Die notwendigen Schritte sind weitestgehend getan. Hauptverursacher des Ozonlochs sind die FCKW, die wir Menschen seit den 1930er Jahren freigesetzt haben. Mit Beschluss des Montreal-Protokolls und seiner Nachfolgeregelungen wurde dem ein Ende gesetzt, weil schlichtweg keine FCKW mehr produziert werden. Hätte die Staatengemeinschaft damals nicht reagiert, hätten wir heute schon dramatische Auswirkungen – und noch stärker in den kommenden Jahrzehnten. Und zwar nicht nur über den Polen, sondern in der gesamten Stratosphäre. Klar ist aber ebenso, dass wir auch andere ozonschädigende Stoffe wie etwa das Lachgas im Auge behalten müssen.

    Wie wichtig sind hierbei Kontrollen? Könnte man zum Beispiel illegale FCKW-Produktionen überhaupt aufspüren?

    Es gibt ein ganzes Netzwerk an Bodenstationen, die ein FCKW-Monitoring betreiben. Man kann tatsächlich feststellen, ob und wo das Montreal-Protokoll verletzt wird. Einige Stationen hatten zum Beispiel erhöhte Werte gemessen, die sich einer illegalen FCKW-Produktion in einigen Regionen in China zuordnen ließen. Aber soweit ich weiß, gibt es aktuell keine Vorfälle mehr. In dieser Umweltfrage ist die Staatengemeinschaft ganz offenbar auf einer Linie.

    Die Ozonschicht

    Umwelt1:12

    INTERNATIONALER TAG FÜR DEN SCHUTZ DER OZONSCHICHT

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved