Versteinerter Wald in Chemnitz: Urzeitlicher Riesenfarn entdeckt
Paläobotaniker rekonstruieren und beschreiben eine bislang unbekannte Art von Baumfarnen.
Vor 291 Millionen Jahren konservierte ein Vulkanausbruch die drei mal drei Meter große Baumkrone einer urzeitlichen Farnpflanze.
291 Millionen Jahre alt und eine echte Rarität: Das im Versteinerten Wald in Chemnitz entdeckte Fossil einer bislang unbekannten Pflanzenart könnte Aufschluss über die ökologische Vielfalt des frühen Perms geben.
Der außerordentliche Fund aus dem Versteinerten Wald stellt eine abgebrochene Baumkrone eines Samenfarns dar. Gefunden wurde die dreidimensional erhaltene Pflanze bereits im Jahr 2010, doch die aufwendige Dokumentation und Rekonstruktion dauerte mehr als zehn Jahre. Bis ins kleinste Detail beschrieb das Team um Paläobotaniker Ludwig Luthardt vom Museum für Naturkunde Berlin das erste bekannte Exemplar der Medullosales-Samenfarne in der nun veröffentlichten Studie.
Unter Vulkanasche konserviert
In der Gegend rund um das heutige Chemnitz bot einst ein üppiger Urwald eine Heimat für viele Tier- und Pflanzenarten – bis eine Eruption des Zeisigwald-Vulkansystems vor 291 Millionen Jahren der vielfältigen Flora und Fauna ein jähes Ende bescherte. Sie veränderte nicht nur die Geologie der umliegenden Region: Ihr Ascheregen konservierte zudem zumindest einige der imposanten Baumstämme für die Ewigkeit. Bereits in Schriften aus dem Jahr 1546 erwähnte Georgius Agricola, damaliger Chemnitzer Bürgermeister und Mitbegründer der modernen Geologie, versteinerte Baumstämme.
Die 2010 gefundene Baumkrone brach sehr wahrscheinlich unter der zunehmenden Last des Ascheregens ab und wurde daraufhin kopfüber unter den pyroklastischen Auswürfen des Vulkans begraben. Folglich wurde nicht nur der Spitzenstamm, sondern auch zehn anhängende, bis zu dreieinhalb Meter lange Blattwedel samt Blattstielen und -spindeln konserviert.
Schlanke Form und hoher Wasserbedarf
„Der rekonstruierte Baum soll selbsttragend und von schlanker Statur gewesen sein“, heißt es in der Studie. Aufgrund der Anatomien des erforschten Baumstammes samt Blattstielen und deren Gefäßen geht das Team vom Museum für Naturkunde Berlin davon aus, dass die Art Medullosa stellata ein hohes Wasserleitpotenzial aufgewiesen haben muss. Der Grund dafür: Das beträchtliche Maß an Verdunstung von Wasser über die große Oberfläche der dicht belaubten Blattwedel musste dadurch bewerkstelligt werden.
Die große Blattoberfläche hatte jedoch auch einen anderen Nutzen: Sie ermöglichte der Pflanze die maximale Aufnahme von Sonnenlicht an ihrem schattigen Standort. Aufgrund ihrer geringen Größe war sie nämlich wahrscheinlich eher im Schatten der hoch gewachsenen Cordaitenbäume anzutreffen, die die Kronenschicht bildeten.
Schematische Rekonstruktion der Stammanatomie und des Gefäßsystems von M. stellata var. „Diese konnten wahrscheinlich erhöhte Mengen an Wasser und Nährstoffen transportieren“, berichten Luthardt und seine Kollegen.
Dazu kommen weitere Ähnlichkeiten mit modernen Palm- oder Baumfarnen: So weist ausschließlich die „schirmartige Krone“ am oberen Ende des bis zu zehn Meter hohen Stammes Blattwuchs auf – in Form von zehn einzelnen, in Spiralform vom Stamm abgehenden Wedeln mit einer Länge von rund drei Metern. Narbenartige Gebilde entlang des Stammes sprechen dafür, dass untenliegende Blätter im Laufe des Lebens eines urzeitlichen Farns fortlaufend abgeworfen und durch neue ersetzt wurden. All diese Erkenntnisse sprechen für eine perfekte Anpassung an den Lebensraum in dichten und lichtarmen Tropenwäldern.
Erforschung noch nicht abgeschlossen
Laut den Paläobotanikern waren die Farnpflanzen aufgrund ihres hohen Wasserbedarfs auf Standorte mit einem großen Maß an Feuchtigkeit und einem hohen Grundwasserspiegel angewiesen. Im frühen Perm war dies in weiten Teilen des heutigen Mitteleuropas der Fall. Durch den Klimawandel auf dem neu entstandenen Superkontinent Pangäa starben Medullosa stellata vermutlich durch zunehmende Trockenheit gegen Ende des Perms aus.
„Ein spannender Aspekt dabei ist, auf Analogien in der ökologischen Rolle dieser Farnsamer im Vergleich zu Blütenpflanzen der heutigen Tropen beziehungsweise Subtropen einzugehen“, so Luthardt. „Die Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Vegetation und Klima im späten Paläozoikum bei, einer Zeit am Ende einer großen Vereisungsphase unserer Erde, die annähernd vergleichbar zu unserer heutigen Situation ist.“