Warum Moore die besseren Wälder sind
Feuchtgebiete bedecken nur ein Prozent der Erdoberfläche, doch im Verhältnis zu ihrer Größe sind sie als CO₂-Speicher ungeschlagen. Eine neue Studie betont ihre unverzichtbare Funktion und fordert mehr Schutz für diese bedrohten Ökosysteme.

Feuchtgebiete wie Hochmoore decken nur etwa ein Prozent der Erdoberfläche – und sind dennoch Spitzenreiter bei der Kohlenstoffspeicherung.
Dass gesunde Wälder CO₂ binden und somit lebenswichtig für uns Menschen sind, ist inzwischen eindeutig belegt. Immer mehr Umweltschutzorganisationen fordern daher Maßnahmen für den Erhalt dieser wertvollen Ökosysteme. Eine anderer ebenso unverzichtbarer Lebensraum steht weitaus seltener im Zentrum der Diskussion: Das Moor. Dabei ist auch dieses Ökosystem durch Entwässerung, Torfabbau und Bebauung in großer Gefahr – obwohl es in seiner Funktion als Kohlenstoffspeicher in Hinblick auf die Effizienz Wälder sogar überholt.
Eine neue Studie betont nun den Status der weltweiten Feuchtgebiete als kohlenstoffspeichernde Hotspots – und warnt vor ihrem Verlust. „Obwohl Feuchtgebiete nur ein Prozent der Erdoberfläche bedecken, speichern sie 20 Prozent des globalen organischen Ökosystemkohlenstoffs”, schreiben die Forschenden. Jährlich ginge jedoch ein Prozent dieser Flächen durch menschlichen Einfluss verloren – eine alarmierende Rate.
Die Studie, die in Zusammenarbeit des Niederländischen Instituts für Meeresforschung mit den Universitäten Utrecht, Groningen, Radboud und Greifswald entstand, beschäftigt sich darum auch mit der Frage, wie verloren gegangene Feuchtgebiete wiederhergestellt werden können – und verweist mit Blick auf das Problem der globalen Erwärmung auf die Dringlichkeit rettender Maßnahmen. „Solche Vorgaben sind bei der Verfolgung der Ziele des Pariser Abkommens und der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen enorm wichtig”, schreiben die Forschenden.
“Entscheidend ist, die noch gut erhaltenen Moore streng zu schützen und die entwässerten, degradierten Moore möglichst schnell wiederzuvernässen und zu restaurieren.”
Unterschätzte Ökosysteme
Neben Mooren zählen auch Salz- und Seegraswiesen sowie Mangrovenwälder und Torfgebiete zu den untersuchten Feuchtgebieten. Ihre enorme CO₂-Speicherkapazität übersteigt die von Ozeanen um ein Vielfaches. Im Vergleich zu Wäldern sind sie fünfmal so effizient.
Der Grund dafür liegt der Studie zufolge in dem perfekten Zusammenspiel der verschiedenen Lebensformen des Ökosystems Moor. „Ein entscheidender Fortschritt beim Verständnis der Funktionsweise von Feuchtgebieten war die Anerkennung der Rolle gegenseitiger Wechselwirkungen zwischen Organismen und Landformen“, erklärt Ralph J. M. Temmink vom Copernicus Institute of Sustainable Development der Universität Utrecht. Diese sogenannten biogeomorphen Rückkopplungen sorgen dafür, dass sich das Wachstum der Pflanzen und die Ablagerung von Kohlenstoff im Boden gegenseitig stimulieren.
Die Rückkopplungen werden also durch die Vegetation selbst erzeugt: Die Pflanzen halten mit ihrem oberirdischen Blattwuchs und ihrer unterirdischen Wurzelmatte abgestorbenes Pflanzenmaterial zurück. Dieses setzt dann Nährstoffe frei, die die Pflanzen besser wachsen lassen. Die abgestorbenen Pflanzen können aufgrund des vorhandenen Ausschluss von Sauerstoff nicht vollständig zersetzt werden. So häuft sich immer mehr Biomasse an, es kommt zur Torfbildung. Zusätzlich werden in den entsprechenden Bodenschichten große Mengen CO₂ gespeichert. Das erklärt, warum die Vorräte an Kohlenstoff in Feuchtgebieten im Verhältnis zu ihrer Größe die in Wäldern und Ozeanen übersteigen.
Vom Kohlenstoffspeicher zur Emissionsquelle
Werden durch Entwässerung und anderweitige Nutzung die Feuchtgebiete zerstört, wird das gespeicherte CO₂ jedoch wieder freigesetzt. Etwa fünf Prozent der jährlichen CO₂-Emissionen haben hier ihren Ursprung. Der wertvolle Beitrag der Moore gegen den Klimawandel verdreht sich dadurch ins Gegenteil: Aus dem CO₂- Speicher wird eine CO₂-Quelle.
Von ehemals 1,5 Millionen Hektar Moor in Deutschland wurden für den Torfabbau, die Landwirtschaft und den Städtebau inzwischen rund 95 Prozent entwässert. Sie gelten als tot. Industrieller Torfabbau wird in Deutschland zwar kaum noch betrieben – der Torf, der in handelsüblicher Blumenerde verwendet wird stammt mittlerweile hauptsächlich aus baltischen oder russischen Hochmooren – doch einmal abgetorft, erweist sich eine Renaturierung als äußerst schwierig.
„Deshalb ist es entscheidend, die noch gut erhaltenen Moore streng zu schützen und die entwässerten, degradierten Moore möglichst schnell wiederzuvernässen und zu restaurieren”, sagt Hans Joosten, Professor für Moorkunde und Paläoökologie an der Universität Greifswald. „Die gute Nachricht ist, dass wir immer besser wissen, wie wir das großflächig machen sollen.“
Wie werden tote Moore wiederbelebt?
Simple Bewässerung allein reicht nicht aus, um tote Moore wieder zum Leben zu erwecken. Ebenso wichtig wie das Zuführen von Wasser ist es, dafür zu sorgen, dass dieses nicht wieder abfließt. Erreicht wird das abhängig vom Klima, der Wasserverfügbarkeit und den geografischen Bedingungen vor Ort zum Beispiel durch aktives Stauen und Schleusen des Wassers oder das gezielte Entfernen von Bäumen.
Im nordöstlichen Emsland in Niedersachsen arbeitet der NABU seit über 20 Jahren an der Wiederbelebung und Renaturierung des Hochmoors Theikenmeer, das zwischenzeitlich als tot galt. Hier konnten inzwischen gute Fortschritte erzielt werden. Auch am Ostrand des Steinhuder Meers bei Hannover bemüht man sich bereits seit 25 Jahren um die Rettung des Hochmoors. Lebendige Moore wachsen durch die Torfbildung jährlich um etwa einen Millimeter in die Höhe. Das entspricht für einen Zeitraum von 10.000 Jahren lediglich 10 Meter Höhenwachstum. Für die Wiederbelebung der Feuchtgebiete braucht man also einen langen Atem – umso wichtiger ist es, mit dieser Arbeit so schnell wie möglich zu beginnen.
