Umweltskandal: Giftiges Geisterschiff vor Brasilien versenkt

Brasilien hat seinen Flugzeugträger São Paolo nach jahrelanger Irrfahrt im Atlantik entsorgt – allen möglichen Umweltschäden zum Trotz. NGOs sprechen von einem Jahrhundertverbrechen.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 8. Feb. 2023, 11:14 MEZ
Ein Flugzeugträger vor der Küste Brasiliens.

Symbolbild: Ein ähnlicher Flugzeugträger irrte jahrelang durch die Weltmeere – anlegen durfte er weder in der Türkei noch in Brasilien.

Foto von dietwalther / adobe stock

350 Kilometer vor der Küste Brasiliens hat die brasilianische Marine den 66 Jahre alten, ausgemusterten Flugzeugträger São Paolo versenkt – und mit ihm mehrere Hundert Tonnen an hochgiftigen Materialien wie Asbest.

Sogar die brasilianische Bundesstaatsanwaltschaft hatte zuletzt eindringlich vor den Auswirkungen für die Umwelt gewarnt und eine umweltfreundliche Entsorgung des herrenlosen Schiffs gefordert – ohne Erfolg. NGOs äußern sich schwer enttäuscht. 

Ein Umweltproblem wird seinem Untergang geweiht

5.000 Meter – so tief ist der Atlantik an der Stelle, an der die São Paolo Anfang Februar 2023 durch den gezielten Einsatz von Sprengstoff das Zeitliche segnete. Laut der brasilianischen Marine geschah dieses Vorgehen kontrolliert, sowie „mit der erforderlichen technischen Kompetenz und Sicherheit.“ 

Man habe dem maroden Schiff zuvorkommen wollen. Der Flugzeugträger sei aufgrund seines schlechten Zustands Gefahr gelaufen, unkontrolliert auf Grund zu gehen oder gar zu sinken. Doch auch das kontrollierte Versenken wird wohl fatale Folgen für Ökosysteme, Gesundheit, Fischerei und Schifffahrt nach sich ziehen. Denn mit dem Schiff sollte auch eine Vielzahl an kritischen Giftstoffen in den Tiefen des Atlantiks verschwinden: Rund 9,6 Tonnen Asbest und weitere 644 Tonnen giftige Gefahrstoffe wie PCBs befanden sich laut der brasilianischen Bundesstaatsanwaltschaft noch an Bord des Schiffs.

„PCBs sind extrem giftige und langlebige Chemikalien, die seit vielen Jahren verboten sind. Sie neigen dazu, Wildtiere zu schädigen und die Nahrungskette zu kontaminieren, nachdem sie von Fischen und anderen Meerestieren aufgenommen wurden“, so die NGO Basel Action Network (BAN).

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Ähnlich hohe Belastungen waren laut BAN bereits vor sieben Jahren bei dem ausgedienten Schwesterschiff Clemenceau ans Licht gekommen. Allerdings wurde die Clemenceau recycelt und die Giftstoffe gelangten nicht ins Meer. Anders bei der São Paolo, bei der Brasilien zusätzlich auf wertvolle Metalle und Stahl, die das Recycling eingebracht hätte, verzichtet hat.

Ein Geisterschiff, das niemand wollte

Die ersten 37 Jahre ihrer Lebenszeit diente die São Paolo als „Foch“ der französischen Marine. Mit dem Verkauf an Brasilien wurde der Flugzeugträger im Jahr 2000 nicht nur umbenannt, auch sein Zustand verschlechterte sich rapide. 2005 setzte dem Schiff ein Brand so sehr zu, dass die nötigen Investitionen einer Modernisierung laut der brasilianischen Marine nicht rentabel gewesen wären. 

Ein Versuch, das Schiff für etwa 1,8 Millionen Euro an ein türkisches Unternehmen zu verkaufen, scheiterte 2021. Während seiner Reise in die neue Heimat zog die Türkei die Erlaubnis zum Anlegen an türkischen Häfen zurück. Doch mittlerweile war dies dem Flugzeugträger auch in brasilianischen Gefilden untersagt. Seitdem trieb das 30.000 Tonnen schwere, giftige Geisterschiff im Atlantik umher. 

Schiffbruch statt Recycling: NGOs unter Schock

Die Methode, die Brasilien letztendlich für die Entsorgung der São Paolo wählte, schockiert auch BAN-Direktor Jim Puckett. Das Versenken sei völlig unnötig gewesen: „Wir bitten die brasilianische Marine seit Monaten darum, das Schiff einfach zu einem Marinestützpunkt zurückzubringen, um eine ordnungsgemäße Untersuchung der gefährlichen Materialien an Bord zu erhalten.“ 

BELIEBT

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    “[Diese Entscheidung] wird in die Geschichte eingehen als die eklatanteste Verletzung von Chemikalien- und Abfallabkommen, die jemals von einem Land begangen wurde.”

    von Nicola Mulinaris
    NGO Shipbreaking Platform

    Zusätzlich wirft BAN Brasilien mehrfachen Vertragsbruch vor: Erstens das Basler Übereinkommen, denn es wurde versäumt, das Schiff nach der abgebrochenen Überbringung in die Türkei sicher zu verwalten. Zweitens das Stockholmer Übereinkommen, welches die Entsorgung von PCB im Meer untersagt. Und drittens die Londoner Konvention, die besagt, dass Schiffe vor ihrem Versenken von sämtlichen schädlichen Stoffen bereinigt werden müssen. 

    Die Entscheidung „wird in die Geschichte eingehen als die eklatanteste Verletzung von Chemikalien- und Abfallabkommen, die jemals von einem Land begangen wurde“, so Nicola Mulinaris von Shipbreaking Platform. Die NGO setzt sich für das sichere und fachgerechte Recycling ausgemusterter Schiffe ein. „Eine unabhängige Untersuchung muss durchgeführt werden – um herauszufinden, warum dies geschah und um sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passiert.“

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