Insekten essen: Ist der Ekel in Europa zu groß?

Alternative Nahrungsmittel werden immer beliebter. Auch Mehlwürmer und Heuschrecken stehen auf den Speiseplänen der Zukunft weit oben. Doch wer möchte sie künftig essen? Und wie überzeugt man die, die es nicht wollen?

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 6. Nov. 2023, 08:57 MEZ
Burger mit Mehlwurm-Patty.

Könnte dieser Mehlwurm-Burger künftig häufiger auf dem Mittagstisch landen?

Foto von exclusive-design / Adobe Stock

Fleisch aus dem Labor, Kuchen aus dem 3D-Drucker oder Burgerbrötchen aus Insekten: Forschende werden kreativ, wenn es um die Zukunft unseres Essens geht. Fakt ist, dass wir im Jahr 2050 viele Menschen auf der Welt sein werden – zu viele, um uns weiterhin so ernähren zu können wie bisher. Um 9,1 Milliarden Personen satt zu bekommen, müssen zwangsläufig neue Nahrungsquellen her. 

Eine einfache Lösung sind Nahrungsmittel aus Insekten. Sie sind reich an Proteinen, Mineralien und Vitaminen und sind leichter und umweltschonender zu produzieren als Rinder- oder Schweinefleisch. Insekten könnten eine perfekte neue Eiweißquelle der Zukunft sein – wenn da nicht das Problem mit der Akzeptanz wäre. 

Wie viele Europäer*innen bislang offen gegenüber Lebensmitteln aus Insekten sind, zeigt eine neue Erhebung eines europäischen Forschungsprojektes namens „Sustainable Insect Chain“ (SUSINCHAIN). Eins zeichnete sich klar ab: Der Weg zum Insektenburger auf dem privaten Mittagstisch ist noch ein weiter. 

Wie hoch ist die Akzeptanz gegenüber Insekten?

Für ihre Erhebung befragte das Forschungsteam unter der Leitung von Mariam Nikravech, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin im Fachbereich Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft, jeweils 500 Personen aus Italien, Portugal und Deutschland. Die Befragten waren zwischen 18 und 65 Jahre alt, Frauen und Männer waren circa zu gleichen Anteilen vertreten. 

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Zunächst sollten sich die Befragten entscheiden, ob sie lieber Fleischbällchen, die hauptsächlich aus Heuschrecken und Mehlwürmern hergestellt wurden, essen wollen – oder Fleischbällchen aus Fleisch von Hühnern, die mit Insekten gefüttert wurden. Dabei war die Akzeptanz für das Fleisch der Hühner, die mit Insekten gefüttert wurden, nur etwas höher als die für die Fleischbällchen aus Insekten. 

Dabei waren die Befragten kaum bereit, Geld für Lebensmittel aus Insekten auszugeben. „Ganz im Gegenteil: Sie sind sogar der Meinung, dass es einen finanziellen Anreiz oder eine Art Prämie geben sollte, damit man zu insektenbasierten Lebensmitteln greift“, sagt Nikravech. 

Nahrungsmittel aus Insekten? Niemals! 

Besonders ablehnend stehen die sogenannten „Never-Takers“ dem Verzehr von Insekten gegenüber: Sie würden niemals zu Lebensmitteln aus Insekten greifen. Laut den Ergebnissen der Forschenden zählt dazu momentan noch die Mehrheit der Befragten – zumindest in Deutschland und Portugal. 

Ganz anders sah es jedoch in Italien aus: „In Italien machten diese ‚Never-Takers‘ nur zwei Prozent aus. Das war überraschend, erklären können wir uns das Gefälle zwischen den Ländern aber noch nicht“, sagt Nikravech.

Wie man Menschen von neuen Lebensmitteln überzeugt

Die meisten Personen sind dem insektenbasierten Essen aus Ekel oder Angst vor Gesundheitsrisiken kritisch gegenüber eingestellt. Wie man sie dennoch von den neuen Nahrungsmitteln überzeugen kann, versuchten die Forschenden in einem weiteren Schritt ihres Experiments herauszufinden. Dazu gaben sie den Testpersonen zusätzliche Informationen zu den Lebensmitteln. Zum Beispiel die, dass Hackfleisch durch fleischlose Alternativen, einschließlich Insektenproteine, ersetzt werden kann und dadurch Treibhausgasemissionen reduziert werden können und man nachhaltiger isst. 

BELIEBT

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    Die Information beeinflusste die Akzeptanz in allen drei Ländern positiv – in Deutschland allerdings nur jene von Heuschrecken und mit Insekten gefütterten Hühnern. Es zeigte sich auch, dass Vertrauen ein wichtiger Faktor ist: „Bei Menschen, die Lebensmittel aus Insekten als sicher ansehen, sie also nicht als gesundheitsschädlich einschätzen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie solche Lebensmittel auch kaufen“, so Nikravech. 

    Auch bei den hartnäckigen „Never-Takers“ versuchten es die Forschenden. Um deren grundsätzliche Ablehnung aufzuweichen, sei es vor allem wichtig gewesen, sie in Kontakt mit insektenbasiertem Essen zu bringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, es zu probieren. Bei ihnen wirkte sich ebenfalls eine Zusatzinformation positiv auf ihre Akzeptanz aus. „Es war vor allem die Information, dass Insekten reicher an Proteinen und Mineralien sind als Fleisch, die die ‚Never-Takers‘ offener machte“, sagt Nikravech. 

    Insekten for Future?

    Ob es mit positiven Informationen und Insekten-Tastings in Zukunft getan sein wird, muss sich wohl zeigen. Die Forschenden sind zuversichtlich und haben den Weg zur insektenbasierten Ernährung mit ihrer Untersuchung ein Stück mehr geebnet. 

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