Essen 2050: Wie schmeckt unsere Zukunft?

Klimawandel und Überbevölkerung verändern die Lebensmittelproduktion – und damit auch unsere Ernährung. Welche neuen Nahrungsmittel es 2050 geben wird, wo wir dann noch anbauen können und was Quallen mit dem Thema zu tun haben.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 22. Juni 2023, 10:04 MESZ
Der gedruckte Käsekuchen vor einem weißen Hintergrund.

Dessert aus dem 3D-Drucker: Die Forschenden der Columbia University in New York haben einen Käsekuchen aus sieben Zutaten gedruckt.

Foto von Jonathan Blutinger/Columbia Engineering

Im Jahr 2050 werden knapp zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben – der Großteil von ihnen im urbanen Raum. Die deutschen Sommer könnten über 40 Grad Celsius heiß werden und die meisten Äcker aufgrund des Klimawandels nicht mehr bewirtschaftbar sein, heißt es in den Extremszenarien vieler Forschungsprojekte. 

Was werden wir also in knapp 30 Jahren essen? Wie wird der Anbau von Nahrungsmitteln aussehen? Und wird es noch um Genuss gehen – oder nur darum, möglichst viele Menschen satt zu bekommen? Fragen wie diese bestimmen bereits jetzt den Alltag diverser Forschungsteams. Sie entwickeln schon heute die Menüs von morgen und testen neue Anbaumöglichkeiten. 

Wie man mitten in der Stadt Landwirtschaft betreiben kann und ob uns bald ein 3D-Drucker bekochen wird – Einblicke in die derzeitige Forschung. 

“Unsere Ernährungsweise ist ein großer Hebel für das Meistern der Herausforderungen der Zukunft.”

von Monika Schreiner
food4future

Urbane Landwirtschaft: Gemüse aus dem U-Bahn-Tunnel

Wenn auf den vertrockneten und versalzten Äckern der Zukunft nicht mehr angebaut werden kann, müssen Alternativen her. Wie genau diese aussehen können, untersucht unter anderem das Verbundprojekt „food4future – Nahrung der Zukunft“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Laut den Wissenschaftler*innen des Projekts könnte die Lebensmittelproduktion der Zukunft aus den ländlichen Regionen auch in das Zentrum der Städte rücken – und damit näher an die Verbraucher*innen.

„Orte dafür gibt es genug“, sagt Julia Vogt, Projektmanagerin von food4future. Gerade in der Hauptstadt Berlin gebe es ober- und unterhalb der Erde viele Gebäude oder räumliche Strukturen, die nicht genutzt würden. „Die Lebensmittelproduktion könnte sich in verlassene U-Bahn-Tunnel verlagern – oder in leerstehende Gewerbeflächen in den Innenstädten“, sagt sie.

Produziert wird dabei in modularen, abgeschlossenen Kompartimenten – indoor und ohne natürliches Licht. Die einzelnen Module bestehen aus neuen Leichtbaumaterialien wie naturfaserverstärkten, biologisch abbaubaren Polymeren. Integrierte LED-Technik sorgt dafür, dass Pflanzen oder andere essbare Organismen optimal mit Licht versorgt werden – angepasst an das jeweilige Produktionsziel. 

„Die im Projekt untersuchten Organismen kommen zudem mit wenig bis gar keinem Frischwasser aus“, erklärt Monika Schreiner, Koordinatorin des food4future-Projekts. Es handelt sich bei ihnen unter anderem um sogenannte Halophyten – Pflanzen, die auf salzigen Böden wachsen – oder um Insekten wie Grillen, die ebenfalls wenig Wasser benötigen. 

BELIEBT

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    Zukünftig könnte auch der urbane Raum für die Lebensmittelproduktion in Betracht gezogen werden – zum Beispiel ungenutzte Flächen in U-Bahn-Tunneln. Das Projekt food4future untersucht die neuen Anbaumöglichkeiten. 

    Foto von food4future

    Die Vorteile der Produktionsmethode: Sie ist umweltschonend, nachhaltig, erbringt höhere Ernteerträge – und spart vor allem Platz. Die Module können flexibel miteinander verknüpft und so an die verschiedensten Räume angepasst werden. Dazu werden sie entweder übereinander gestapelt – bekannt als Vertical Farming – oder in ein Paternoster-System integriert. 

    Ein Praxisbeispiel für die Landwirtschaft im U-Bahn-Tunnel gibt es bereits: In London befindet sich 33 Meter unter der Erde die erste Untergrund-Farm der Welt. In Deutschland soll das food4future-Konzept im kleinen Rahmen getestet werden: In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin sowie diversen Expert*innen aus dem Bereich Stadtplanung und Architektur soll der HTW-Campus zum Smart Food Campus werden. „Als Vorbild – damit irgendwann das Smart Food Stadtviertel oder ganze Smart Food Cities entstehen können“, sagt Monika Schreiner. 

    Halophytensmoothies und Quallenchips – neue Lebensmittel im Test

    Schon in wenigen Jahren könnten aufgrund der alternativen Anbaubedingungen ganz neue Lebensmittel auf unseren Speiseplänen stehen: Algen, Halophyten, Grillen und Quallen sind potenzielle Kandidaten, die im food4future-Projekt testweise auf dem Teller landen. Ihr Verzehr wäre nicht nur gesund für die Menschheit, sondern auch für den Planeten.

    Grillen, Quallen, Makroalgen und Meeresspargel – die Organismen, die im food4future-Projekt untersucht werden, könnten schon bald Teil unserer täglichen Ernährung werden. 

    Foto von ATB/Nina Schwab; ZMT/Achim Meyer; IGZ/Julia Vogt; IGZ/Maria Fitzner

    „Man muss jetzt aber nicht denken, dass wir in Zukunft komplette Quallen essen“, sagt Schreiner, die mit ihrem Team die verschiedenen Nahrungsquellen testet. Stattdessen extrahieren die Forschenden einzelne Nahrungsbestandteile aus den Organismen – zum Beispiel Proteine, Vitamine oder gesundheitsfördernde Carotinoide – und bauen sie in bekannte Lebensmittel ein. „Der Weg zu neuen Nahrungsmitteln funktioniert am besten, wenn man über bereits Bekanntes geht“, sagt Vogt. 

    Dazu entwickelt das Projektteam ganze Gerichte. Rezepte für Spaghetti mit Pesto aus Queller – einer Halophyten-Pflanze, die auch als Meeresspargel bezeichnet wird – oder frittierten Meersalat im Teigmantel gibt es schon jetzt zum Nachkochen. Auch in einem Smoothie lassen sich Halophyten gemeinsam mit Obst und Gemüse verarbeiten. „Nur der salzige Geschmack ist ein kleiner Bruch mit den Gewohnheiten“, sagt Vogt. 

    Links: Oben:

    Vollkornspaghetti mit Quellerpesto. 

    Rechts: Unten:

    Frittierte Apfelstückchen in Speckalge. 

    bilder von Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau IGZ/Julia Vogt

    Während sich Proteinmehl aus Grillen zum Beispiel zu einem Brot verarbeiten lässt, eignen sich die Nährstoffe aus Quallen für gesunde Chips. Quallen sind reich an Calcium, Natrium und Proteinen und enthalten kein Fett oder Cholesterin. „Unsere untersuchten Organismen sind in ihren Inhaltsstoffen durchaus gleichwertig gegenüber Produkten, die wir bislang schon essen. Für den Planeten sind sie jedoch gesünder“, so Schreiner. 

    Gedruckter Käsekuchen und kuriose Fleischalternativen

    Auch die künstliche Herstellung von Nahrungsmitteln entwickelt sich kontinuierlich weiter. So könnten 3D-Drucker vielleicht schon bald Einzug in die Küche erhalten. In einer Studie aus dem März 2023 erklärt ein US-amerikanisches Forschungsteam unter der Leitung von Jonathan Blutinger von der Columbia University in New York: „Laserkochen und der 3D-Druck von Lebensmitteln könnten zukünftig eine durchaus nahrhafte, praktische und kostengünstige Möglichkeit darstellen.“ 

    Die Forschenden konnten mithilfe eines 3D-Druckers bereits einen Käsekuchen aus sieben verschiedenen Zutaten backen – ein Rekord. Dazu füllten sie alle Zutaten einzeln in die Spritzen des 3D-Druckers und trugen die Schichten des Kuchens nach und nach auf. Das Ergebnis lässt sich sehen: Das gedruckte Tortenstück ähnelt seinen herkömmlich gebackenen Vorbildern. 

    Könnte vielleicht bald Alltag werden: Käsekuchen aus dem 3D-Drucker.

    Foto von Jonathan Blutinger/Columbia Engineering

    Auch die Produktion von Fleisch könnte künftig eher im Labor als auf der Wiese stattfinden. In-vitro Fleisch, das aus tierischen Stammzellen im Labor gezüchtet wird, ist in Asien und den USA teilweise schon auf dem Markt angekommen. Für den Fleischgenuss müssen keine Tiere mehr sterben und die Umweltbilanz ist besser als bei den natürlich gezüchteten Varianten.

    Noch einen Schritt weiter geht ein Forschungsteam der australischen Firma Vow: Sie produzieren in ihren Laboren Fleischbällchen – aus Mammutfleisch. Mithilfe 10.000 Jahre alter DNA züchten die Forschenden das Fleisch des längst ausgestorbenen Steinzeitriesen und bringen damit die Nahrung unserer Vorfahren zurück auf den Teller. In Zukunft probieren, wie die Vergangenheit geschmeckt hat – durch modernste Technik soll das bald möglich sein. 

    Ist die Vergangenheit der Schlüssel zur Ernährung der Zukunft? Forschende stellen Mammutfleischbällchen her. 

    Foto von Aico Lind/ www.studioaico.nl

    Sicher ist bei aller Forschung jedoch, dass es am Ende auch um Genuss geht: „Keine dieser Innovationen wird Eingang finden – weder auf den Markt, noch in die Gesellschaft –, wenn sie nicht schmecken. Es darf kein Ekelfaktor oder ein anderes Akzeptanzproblem entstehen“, sagt Schreiner vom food4future-Projekt.

    Wann werden die Innovationen Realität?

    Was sich nach ferner Zukunft anfühlt, ist gar nicht mehr weit weg. „Einige dieser Zukunftsvisionen haben bereits begonnen“, sagt Schreiner. Das sehe man an aktuellen Food Trends: In Sushi steckten bereits Makroalgen und auch Insektenproteine seien schon in Lebensmitteln enthalten – zum Beispiel in Proteinriegeln, Burgerpatties oder Brot. 

    Auch die extremen Zukunftsszenarien, die sich die Forschenden im food4future-Projekt überlegt haben, sind bereits teilweise eingetroffen. „Der eingeschränkte Handel aus unserem No Trade-Szenario wurde in Corona-Zeiten plötzlich Realität. Länder fokussierten sich auf sich selbst und schotteten sich ab“, sagt Schreiner. Dadurch hätten Menschen allerdings auch wieder mehr über selbst angebaute Lebensmittel nachgedacht: „Unsere food4future-Überlegungen sind plötzlich gelebt worden.“ Szenarien wie diese zeigen, wie wichtig es ist, schon jetzt neue Möglichkeiten der Ernährung und Lebensmittelproduktion in Betracht zu ziehen.   

    Bis die neuen Anbaumethoden und Lebensmittel Realität werden können, müssen allerdings noch einige Hürden genommen werden. Damit Quallenchips und Mammutfleisch auf den Markt kommen können, muss die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ihre Zustimmung geben. Und es braucht Genehmigungen für die neuen Anbauflächen: U-Bahn-Tunnel sind bisher nicht für die Lebensmittelproduktion ausgewiesen. „Für eine Veränderung müssen alle Akteur*innen mitziehen“, sagt Vogt, „auch in der Politik.“ 

    Sicher ist: Unsere Ernährungsweise wird langfristig darüber entscheiden, wie wir die Herausforderungen der Zukunft – unter anderem Klimawandel und Überbevölkerung – meistern werden. „Mit dem, was wir heute auf dem Teller haben, entscheiden wir, wie unsere Zukunft und die der künftigen Generationen aussehen wird“, sagt Schreiner. 

     

     

     

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