Solaranlagen retten Bienen

Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen können mehr als nur grünen Strom erzeugen. Wie eine fünfjährige Feldstudie zeigt, entsteht in ihrem Umfeld explosionsartig neues Leben.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 26. Jan. 2024, 15:23 MEZ
Im Vordergrund sitzt eine Raupe auf einen Blatt, im Hintergrund eine Solaranlage.

Nachdem ein ehemaliger Acker für die Gewinnung von Solarstrom umgenutzt wurde, hat sich die Insekten- und Pflanzenvielfalt auf der Fläche innerhalb kürzester Zeit immens gesteigert. Unter den neuen Bewohnern ist auch diese Monarchfalter-Raupe.

Foto von Argonne National Laboratory/Lee Walston

Die Sonne gewinnt in Deutschland als Stromquelle immer mehr an Bedeutung. Im März 2023 zählte das Statistische Bundesamt (Destatis) auf deutschen Dächern und Grundstücken 2,6 Millionen Photovoltaikanlagen, die Strom in öffentliche Versorgungsnetze speisten – knapp 16 Prozent mehr als im Vorjahr 2022. Schon damals stammten elf Prozent des Stroms in den deutschen Netzen aus Solarenergie.

Diese Entwicklung ist nicht nur hilfreich für den Kampf gegen den Klimawandel. Denn wie eine Studie aus den USA zeigt, die in der Zeitschrift IOP Science erschienen ist, haben Solaranlagen noch einen anderen positiven Nebeneffekt: Wenn sie auf stillgelegten Ackerflächen installiert werden, leisten sie dort einen wertvollen Beitrag zur Rettung der Artenvielfalt.

Vielfalt von Insekten und heimischen Pflanzen nimmt zu

Zu dieser Erkenntnis kommen Forschende des Argonne National Laboratory (ANL) in Lemont, Illinois, das an das US-amerikanische Energieministerium angeschlossen ist. Zuvor hatten sie im Rahmen einer mehrjährigen Feldstudie, die von August 2018 bis August 2022 lief, beobachtet, wie sich die Vegetation und Insektengemeinschaften auf zwei ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen im US-Bundesstaat Minnesota entwickelt haben, auf denen Solaranlagen installiert und einheimische Wildblumen gesät worden waren.

Insekten wie aus einer anderen Welt
Eine Fangschrecke schlägt blitzschnell aus dem Hinterhalt zu – das Opfer hat keine Chance.

Das Team führte im Beobachtungszeitraum insgesamt 358 Erhebungen durch, um die Veränderungen der Pflanzen- und Insektenvielfalt auf dem einstigen Ackern zu messen. „Um an diese Daten zu kommen, wurde ein beträchtlicher Aufwand betrieben“, sagt Studienautorin Heidi Hartmann, Leiterin des Programms für Landressourcen und Energiepolitik in der Abteilung Umweltwissenschaften des ANL. „Wir besuchten jeden Standort viermal pro Sommer, um die Bestäuber zu zählen.“

Die Mühe hat sich gelohnt, denn die Ergebnisse sind so deutlich wie erfreulich: Am Ende der Feldstudie hatte sich die Vielfalt der Blühpflanzen auf den untersuchten Feldern versieben- und die der Insekten verdreifacht.

Die am häufigsten festgestellten Insektengruppen waren Käfer, Fliegen und Motten, besonders groß war der Zuwachs in der Vielfalt aber bei den heimischen Bienenarten. Waren diese zu Beginn der Beobachtungen auf den Flächen fast vollständig verschwunden, stieg ihre Zahl im Beobachtungszeitraum um das Zwanzigfache. Davon profitierten auch die an die Solarfelder angrenzenden Anbauflächen für Soja, auf denen die Forschenden eine höhere Bestäuberdichte feststellten.

Artenschutz, Klima, Landwirtschaft – alle gewinnen

„Die Studie zeigt, dass die Insektengemeinschaft an Solarenergiestandorten relativ schnell auf die Wiederherstellung von Lebensräumen reagiert“, sagt Hauptautor Lee Walston, Landschaftsökologe und Umweltwissenschaftler am ANL. Stillgelegte Agrarflächen, auf denen die Insektenvielfalt durch die Nutzung zurückgegangen ist, sind demnach die ideale Wahl bei der Suche nach einem Standort für Solarmodule.

BELIEBT

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    Weltweit geht die biologische Vielfalt der Insekten rapide zurück. Neben dem Klimawandel und dem Einsatz von Pestiziden ist dafür vor allem der Verlust geeigneter Lebensräume verantwortlich. Die Agrivoltaik, also das Aufstellen von Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, kann, das zeigt die Studie, dabei helfen, diesen Trend zu stoppen oder sogar umzukehren. Denn während die Artenvielfalt gestärkt und grüner Strom gewonnen wird, profitieren umliegende Ackerflächen von der gesteigerten Bestäuberleistung – eine Win-Win-Win-Situation, die Konflikte, die im Zusammenhang mit der Umnutzung von Ackerland entstehen, entschärfen könnte.

    In zukünftigen Untersuchungen will das Studienteam sich mit der Frage beschäftigen, wie sich die Gewinnung lebensraumfreundlicher Solarenergie in verschiedenen Regionen am besten umsetzen lässt. Außerdem wollen die Forschenden herausfinden, wie dies geschehen muss, um bestimmte ökologische Ziele wie der Erhalt spezifischer Insekten- und Wildtierarten zu erreichen.

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