Bernstein oder Phosphor? Brandgefährliche Funde am Ostseestrand

Nach Winterstürmen spült die Ostsee oft Bernstein an die Strände. Doch nicht alles, was golden glänzt, ist harmlos. Weißer Phosphor aus alten Weltkriegsbomben sieht Bernstein zum Verwechseln ähnlich – und ist brandgefährlich.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 7. Feb. 2025, 08:58 MEZ
Bernstein – zu erkennen an den eingeschlossenen Insekten.

Bernstein – zu erkennen an den eingeschlossenen Insekten.

Foto von RomanVX / stock.adobe.com

Wenn Stürme im Winter die Ostsee aufwühlen, lockt das die Bernsteinsammler an den Strand. Das eisige Salzwasser hat jetzt eine besonders hohe Dichte. Bernstein treibt dann weit oben im Wasser. Denn das fossile Harz ist viel leichter als echte Steine. Nach stürmischen Winternächten mit auflandigen Winden stehen die Chancen besonders gut, Bernstein in der Gischt zu finden. 

Besonders große Bernsteinvorkommen gibt es an den Küsten von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Vor 40 bis 50 Millionen Jahren wuchsen dort riesige Nadelwälder. Das Baumharz verhärtete sich im Laufe der Jahrmillionen zu Bernstein. Die Ostsee selbst entstand erst vor rund 12.000 Jahren. 

Immer wieder kommt es zu spektakulären Funden. Vor gut einem Jahr etwa entdeckte ein Ehepaar aus Fehmarn einen riesigen, fast 140 Gramm schweren Bernsteinbrocken am Strand der Insel. Ähnlich wie beim Pilzesammeln gibt es regelrechte Hotspots. Oft versteckt sich Bernstein zwischen anderen angeschwemmten Teilchen wie Seetang oder Kohlestückchen im Spülsaum. Doch nicht alles, was funkelt, ist Ostseegold.

99 Mio. Jahre altes Schlangenfossil in Bernstein entdeckt
Ein 99 Millionen Jahre altes Fossil einer jungen Schlange wurde in einem Bernsteinstück entdeckt.

Weißer Phosphor: Brandgefährlicher Doppelgänger

Meist sind es einfach nur orangegelbe Steinchen oder Glasscherben, die auf den ersten Blick mit Bernstein verwechselt werden. Doch es gibt auch einen hochgefährlichen Doppelgänger, der Bernstein täuschend ähnlich sieht: Weißer Phosphor. Er ist hochgiftig, leicht entflammbar und verursacht schlimme Verbrennungen.

Weißer Phosphor stammt von Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg, in denen die hochreaktive Substanz als Brandmittel eingesetzt wurde. Viele dieser Bomben liegen noch heute auf dem Grund der Ostsee, oft nicht weit von der Küste entfernt. Mit der Zeit beginnen sie zu rosten und setzten ihre giftigen Stoffe frei. Immer wieder kommt es zu Verwechslungen. Auf Usedom und an anderen Urlauborten weisen Warnschilder an den Stränden auf die Gefahr hin.

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    Weißer Phosphor. Die giftige Chemikalie sieht Bernstein zum Verwechseln ähnlich.

    Weißer Phosphor. Die giftige Chemikalie sieht Bernstein zum Verwechseln ähnlich.

    Foto von Dnn87 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

    Selbstentzündung an der Luft

    Besonders tückisch: Trockener Phosphor kann sich an der Luft von selbst entzünden. Das passiert schon bei Zimmertemperatur. Wer sich den falschen Bernstein in die Hosentasche steckt, riskiert, dass plötzlich die Kleidung in Flammen steht. Was dann passiert, ist mit normalen Brandwunden nicht vergleichbar.

    Weißer Phosphor brennt sich als klebrige Masse mit gleißender Flamme, hochgiftigen Dämpfen und Temperaturen um die 1.300 Grad durch die Haut. Und er brennt weiter – solange er Kontakt zu Sauerstoff hat. So drohen schwerste Verletzungen. Und der Heilungsprozess dauert. In der Regel muss das betroffene Körpergewebe komplett entfernt werden.

    Was tun im Ernstfall? 

    Polizei und Gesundheitsschutz des Landes Schleswig-Holstein raten: Wer mit brennendem Phosphor in Kontakt gerät, sollte die betroffene Kleidung so schnell wie möglich ausziehen und den Notdienst alarmieren. 

    Auch wenn es schwerfällt im Winter: Am besten, man geht sofort ins Wasser und bleibt dort, bis die Rettungskräfte eingetroffen sind. Gibt es keine Möglichkeit, das Wasser zu erreichen, sollte man die Wunde mit nassem Sand bedecken.

    Wichtig zu wissen: Brennender Phosphor lässt sich nicht einfach mit Wasser löschen. Er legt dort nur eine Pause ein. Wird er wieder trocken, kann er sich erneut entzünden. Kampfmittelräumdienste arbeiten mit Sand und speziellem Löschschaum.

    Nahaufnahme des Bernsteins.

    Bernstein suchen: Tipps für sicheres Sammeln

    Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollte man Fundstücke nie am Körper oder in der Hand tragen. Besser ist es, sie in feuchtem Zustand in einem offenen Metallgefäß aufzubewahren. Selbst erfahrenen Sammlern und Mineraloginnen fällt es schwer, Bernstein und Phosphor am Aussehen zu unterscheiden.

    Deshalb empfehlen Fachleute, bei der späteren finalen Bestimmung auf einer feuerfesten Unterlage (zum Beispiel einem Porzellanteller) zu arbeiten. Gerät das vermeintliche Ostseegold dann plötzlich in Brand, heißt es: Abstand halten, die Menge kontrolliert abbrennen lassen, gut lüften und einen Arzt aufsuchen. Vergiftungserscheinungen treten oft erst Tage später auf.

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