Yeti-Legenden basieren laut DNA-Untersuchung auf echten Tieren

Der bisher genaueste Blick auf angebliche Überreste von Yetis gewährt wertvolle Einsichten in die genetische Geschichte seltener Tiere des Himalaya.

Von John Pickrell
Veröffentlicht am 29. Nov. 2017, 07:40 MEZ, Aktualisiert am 3. Feb. 2021, 11:53 MEZ
Dieser Oberschenkelknochen stammt von einem angeblichen Yeti, der in einer Höhle in Tibet gefunden wurde.
Foto von Icon Films Ltd

Der bisher genaueste Blick auf angebliche Überreste von Yetis gewährt wertvolle Einsichten in die genetische Geschichte seltener Tiere des Himalaya.

Zwischen den verschneiten Gipfeln von Nepal und Tibet erzählen Legenden von einer mysteriösen, affenartigen Kreatur namens Yeti. Die große, vage menschliche Gestalt mit dem zotteligen Pelz versetzt begeisterte Anhänger nach wie vor in Aufruhr, und noch immer hoffen etliche Menschen auf wissenschaftliche Beweise für die Existenz eines solchen Wesens. (Lesenswert: Dieser Mann suchte 60 Jahre lang nach dem Yeti – und fand ihn)

Nun sind DNA-Analysen mehrerer Proben fertig, die angeblich von einem Yeti stammen, darunter Haare, Zähne, Fell und Kot. Die Ergebnisse zeigen, dass die Geschichten über den Yeti auf echten Tieren basieren, die hoch in den Bergen leben. Die Studie wurde im November 2017 in „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht und stellt den bis dato besten Beweis dafür dar, dass die Legende des Yetis auf Braunbären und Schwarzbären zurückgeht.

Die Studienleiterin Charlotte Lindqvist von der Universität von Buffalo in New York untersuchte mit ihrem Team neun Yeti-Proben aus Museen und privaten Sammlungen. Bei einer Probe handelte es sich um einen Zahn eines ausgestopften Exemplars im Messner Mountain Museum in Italien. Eine andere Probe bestand aus einem Stück Haut eines angeblichen Yetis, welches aus einem Kloster stammte, wo es als religiöses Relikt gilt.

Die detaillierte DNA-Analyse zeigt, dass der Zahn von einem Haushund stammt, während die anderen Proben eindeutig von tibetischen und im Himalaya lebenden Unterarten des Braunbären und Kragenbären (auch als Asiatischer Schwarzbär bekannt) stammen. Diese Ergebnisse ermöglichen einen Einblick in die Ursprünge der Yeti-Legenden, die schon seit Jahrhunderten erzählt werden.

„Die Yeti-Proben zu analysieren und zu zeigen, dass ein Großteil von Bären stammt, schafft eine Verbindung zwischen den Mythen über einen seltenen Wildmenschen und einem echten Tier, das manchmal auch unheimlich sein kann“, sagt Ross Barnett. Der Evolutionsbiologe und Experte für alte DNA arbeitet an der Universität von Kopenhagen in Dänemark.

Die Arbeit ermöglichte es dem Team außerdem, einen neuen Stammbaum für gefährdete Unterarten asiatischer Bären aufzustellen, der bei Schutzmaßnahmen für die Tiere hilfreich sein kann.

Die Legende des Yeti überdauert

Lindqvist unterrichtet aktuell an der Nanyang Technological University in Singapur und entdeckte ihr Interesse am Yeti durch ein wissenschaftliches Missverständnis.

Sie war 2004 an der Entdeckung und Untersuchung eines 120.000 Jahre alten Kieferknochens eines Eisbären in Norwegen beteiligt. Fast zehn Jahre später entdeckte sie, dass ihre Arbeit in einer Studie der Universität Oxford zitiert wurde, die den Kieferknochen des Eisbären mit Überresten eines Yetis in Verbindung brachte.

Laut der mittlerweile kontroversen Studie von 2014 passten zwei Yeti-Fellproben aus Bhutan und Nordindien zu der DNA des uralten Eisbären. Das Team hinter der Studie argumentierte, dass eine Hybridart aus einem Braunbären und einem Eisbären noch heute in den verschneiten Hügeln leben könnte. Lindqvist war allerdings nicht überzeugt und beschloss, diese Befunde selbst zu prüfen.

„Ich war ein bisschen stutzig darüber, wie es im Himalaya Eisbären geben konnte“, sagt sie. Sie hatte auch Bedenken angesichts der Untersuchungsmethoden, da in der Studie nur relativ kurze und begrenzte Abschnitte der DNA untersucht wurden.

Ihr Team sammelte insgesamt 24 Proben von Kragenbären und angeblichen Yetis. Obwohl das Team die Fellproben nicht auftreiben konnte, die für die 2014er Studie genutzt wurden, vermutet Lindqvist, dass eine ihrer Proben von dem indischen Tier stammt. Sie führten eine detailliertere Analyse von längeren DNA-Sequenzen durch, die ihr zufolge mit größerer Wahrscheinlichkeit verlässliche Ergebnisse liefert.

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    „Diese Studie bestätigt eindeutig, dass die getesteten Yeti-Proben von Bären stammen, die im Himalaya und der Region Tibet leben“, sagt Bill Laurence. Der Naturschutzbiologe der James Cook Universität im australischen Queensland war an der neuen Studie nicht beteiligt.

    Für Lindqvist ist die Sammlung und Analyse dieser angeblichen Yeti-Überreste eine gute Möglichkeit, um „bessere Einblicke in die Evolutionsgeschichte der Bären in dieser Region“ zu erhalten.

    Der neue Stammbaum des Teams deutet beispielsweise darauf hin, dass die tibetischen Braunbären nah mit ihren europäischen und nordamerikanischen Cousins verwandt sind. Die vom Aussterben bedrohte Unterart im Himalaya hingegen gehört einer älteren Linie an, die sich vor etwa 650.000 Jahren während der Vergletscherung in der Eiszeit von den anderen Bären abgespaltet haben könnte.

    Laut Barnett ist die neue Studie gleich doppelt so wichtig, da zuvor nur sehr wenige genetische Untersuchungen der bedrohten Bären der Region durchgeführt wurden. Er hofft, dass die Studie ein größeres Verständnis der Braunbären des Himalaya ermöglicht und bei dem Schutz ihrer Unterart helfen kann.

    Aber trotz der soliden Befunde der Studie werden die Legenden über den Yeti wohl weiterleben, fügt er hinzu.

    „Man kann einen Mythos nicht mit so etwas Banalem wie Fakten entzaubern“, sagt er. „Solange die Geschichten erzählt und weitergegeben werden – und Bären bei schlechtem Wetter gesichtet werden oder Spuren im Schnee hinterlassen –, wird es Geschichten über Yetis geben.“

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