Die Sagen und Mythen hinter den Naturwundern Islands

Vorsicht vor den Trollen.

Von Austa Somvichian-Clausen
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:39 MEZ, Aktualisiert am 12. Nov. 2020, 13:12 MEZ
Basaltformation an der Küste von Vík
Laut den volkstümlichen Erzählungen Islands waren die Basaltformationen vor der Küste von Vík einst Trolle.
Foto von Smitt, Getty Images

Island ist nicht nur für seine malerischen Landschaften bekannt, sondern auch für seine freundlichen Einwohner, atemberaubende Wasserfälle und hervorragende Aussichten auf das Polarlicht, Aurora borealis. Ein nicht ganz so bekannter Aspekt des beliebten Reiseziels ist die eigentümliche und unverwechselbare Folklore des Landes. Deren Gestalten wie Trolle, Elfen, Geister und Feen sind feste Bestandteile in den Geschichten vieler bekannter natürlicher Formationen des Landes.

Viele dieser Geschichten wurden schon im 12. Jahrhundert aufgezeichnet und besonders Kindern zu mehr als nur Unterhaltungszwecken erzählt. Das Land hielt schon immer harsche Lebensbedingungen für seine Bewohner bereit, speziell während der Wintermonate, wenn das Licht des Tages nur für wenige Stunden die Landschaft erhellt. Diese fantastischen Geschichten wurden von Generation zu Generation weitergegeben und sollten den isländischen Kindern beibringen, wie man sich in so einer unerbittlichen Umgebung verhält.

Auch heute noch haben viele Isländer große Hochachtung vor den Erzählungen. In den letzten Jahren wurden sogar Bauprojekte – darunter ein Straßenbauprojekt, das durch das alte Lavafeld Gálgahraun führen sollte – gestoppt, weil die entsprechenden Gebiete als Heimat von Elfen und Zwergen gelten. In der Geschichte Islands gibt es Tausende Mythen und Erzählungen – wir haben ein paar zusammengestellt, die besonders interessant sind.

REYNISFJARA, VIK

Vor dem kleinen Dorf Vík, dessen Population sich gerade mal auf 300 Menschen beläuft, befindet sich der berühmte schwarze Strand Reynisfjara. Aus dem dunklen Sand erheben sich hexagonale Basaltsäulen am Fuße des Berges Reynisfjell. Nur ein kleines Stück von der Küste entfernt wachsen etwa 66 Meter hohe Steinsäulen namens Reynisdrangar aus dem stürmischen Atlantik.

Laut einer volkstümlichen Erzählung aus Island handelt es sich bei diesen Säulen eigentlich um Trolle. Sie zogen einen Dreimaster an Land, aber ließen sich zu viel Zeit mit dem Erreichen des Ufers und wurden bei Sonnenaufgang zu Stein. Selbst heute noch glauben die Isländer, dass man ihr Wehklagen und Gejammer hören kann, wenn man nah an den Klippen vorbeifährt – sie sehnen sich nach ihrer Heimat in den Bergen.

DRANGEY

BELIEBT

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    Pastellfarbene Wolken ziehen über die Insel Drangey hinweg.
    Foto von subtik, Getty Images

    Die kleine Vulkaninsel Drangey ist von den Ufern von Skagafjörður gut sichtbar – einem Fjord im Norden Islands. Die schroffen Klippen von Drangey bieten zahlreichen Vogelarten wie Papageitauchern und Gryllteisten eine Heimstatt. Die Insel war außerdem der Zufluchtsort für einen der berühmtesten Wikinger Islands: Grettir den Starken. In der Geschichte Islands ist er der Mann, der am längsten als Gesetzloser überlebt hat – drei Jahre davon auf Drangey –, bevor er in die Zivilisation zurückkehrte.

    Die Legende erzählt von einigen Männern, welche die Insel besuchten, um Vögel zu jagen oder deren Eier zu sammeln. Sie wurden von einem Dämon, der auf Drangey lebte, die Klippen hinabgestoßen. Daraufhin wurde der Schutzheilige Islands, Guðmundur Arason, gerufen, um die Insel zu segnen. Als Guðmundur dem Dämon begegnete, soll dieser gesagt haben: „Selbst das Böse muss irgendwo leben.“ Dem Dämon wurde ein kleiner Bereich der Klippe zugesprochen, der nun als „Heathen Cliff“ (dt. Heidenklippe) bekannt ist. In diesem Bereich werden deshalb auch keine Eier mehr gesammelt und es wird nicht mehr gejagt.

    DIMMUBORGIR

    Die Sonne geht über dem Lavafeld Dimmuborgir unter.
    Foto von Arctic-Images/Getty Images

    Im Norden Islands befinden sich die einzigartigen Felsformationen des Lavafelds Dimmuborgir. Diese Säulen und Röhren aus Vulkangestein bahnen sich ihren Weg durch die Landschaft, die von der heißen Lava geformt wurde, welche einst über Teiche strömte.

    Die dramatischen Gebilde dienen als Kulisse für einen düsteren Mythos. Dimmuborgir, was sich grob als „dunkle Burgen“ übersetzen lässt, gilt als Heimat von Grýla, einer menschenmordenden Frau, die halb Troll und halb Oger ist. Ihre 13 Kinder sind die Jólasveinar oder „Weihnachtsgesellen“ – die boshaften, isländischen Varianten des westlichen Nikolaus.

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    In den 13 Tagen vor Weihnachten stellen Kinder in ganz Island ihre Schuhe auf die Fensterbretter und erhalten darin Geschenke, wenn sie brav waren. Die unartigen Kinder bekommen nur eine vergammelte Kartoffel und werden vielleicht von den Gesellen entführt und als Grýlas Abendessen zubereitet. Grýla besitzt außerdem eine große schwarze Katze, die nur einmal im Jahr etwas frisst. Sie wartet, bis alle Kinder ihre Weihnachtsgeschenke ausgepackt haben, und frisst dann jeden, der kein Kleidungsstück bekommen hat.

    1746 hatten die Kinder solche Angst davor, gefressen zu werden, dass die Regierung einschreiten und das Erzählen der Legende zur Abschreckung verbieten musste.

    RAUÐFELDAR-SCHLUCHT, SNÆFELLSNES-HALBINSEL

    Laut einer Legende ist die Schlucht Rauðfeldar das Grab eines jungen Trolls.
    Foto von Richard Bradley, Alamy Stock Photo

    Die Snæfellsnes-Halbinsel im Westen Islands wird von Wasserfällen, Bergen, Lavafeldern und entzückenden Küstendörfern geprägt. Dort gibt es einige der einzigen goldenen und rosafarbenen Strände Islands.

    Die Halbinsel wurde nach Bárður Snæfellsás benannt, der halb Troll und halb Mensch war. Bárður, dessen Vater ein Halbtitan und dessen Mutter ein Mensch war, ließ sich im 9. Jahrhundert auf Island nieder. Die Rauðfeldar-Schlucht erhielt ihren Namen aufgrund der Tragödie, die sich dort zwischen Bárður, seiner ältesten Tochter Helga und den Kindern seines Halbbruders Þorkell ereignet haben soll. Þorkells Sohn Rauðfeldur stieß seine Cousine auf einen Eisberg, der aufs offene Meer trieb, bis sie schließlich Grönland erreichte. Als Bárður das herausfand, war seine Wut grenzenlos. Er packte seine Neffen, die sich draußen vor ihrem Haus aufhielten, und warf Rauðfeldur in eine große, tiefe Schlucht hinab, die zum Grab des jungen Trolls wurde.

    VÖLVULEIÐI, HÓLMANES

    Die Stadt Eskifjörður soll unter dem Schutz einer Völva stehen, einer Prophetin.
    Foto von robertharding/Alamy Stock Photo

    Im Osten Islands verbindet eine Straße die beiden Hafenstädte Reyðarfjörður und Eskifjörður miteinander. Reyðarfjörður befindet sich auf dem längsten Fjord in ganz Island, während Eskifjörður hauptsächlich für sein Fischereiwesen und seine wunderschönen Bergwasserfälle bekannt ist.

    In kurzer Entfernung zur Straße liegen unter einem Steinhaufen die Gebeine einer isländischen Prophetin, auch Völva genannt. Der Legende zufolge beschützt sie die beiden Städte schon seit Jahrhunderten, selbst lange nach ihrem Tod. Solange ihre Gebeine in der Grabstätte bleiben, so heißt es, wird auch ihr Schutz über die Städte aufrechterhalten. 1627 näherten sich angeblich algerische Piraten der Ostküste, um die Hafenstädte zu plündern. Die Völva war ihnen jedoch einen Schritt voraus und schickte ihnen einen dichten, undurchdringlichen Nebel, der die Piraten dazu zwang, ihren Plan aufzugeben und aufs offene Meer zurückzufahren.

    Über die Hälfte der Einwohner dieses Landes glaubt an Elfen

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