Der dunkle Klang des Planeten

Der konstante Brummton der Erde ist zwar keine Neuentdeckung, aber Messungen vom Meeresboden aus könnten helfen, mehr über das Erdinnere zu erfahren.

Von Elaina Zachos
Veröffentlicht am 12. Dez. 2017, 14:32 MEZ
Korallen, Anemonen und Riesenmuscheln auf dem Meeresboden. Birnie Island, Phoenix Islands, Kiribati, Polynesien.
Korallen, Anemonen und Riesenmuscheln auf dem Meeresboden. Birnie Island, Phoenix Islands, Kiribati, Polynesien.
Foto von Paul Nicklen, National Geographic Creative

Unser Blauer Planet bewegt sich nicht nur durch die Weiten des Weltalls – er brummt dabei auch.

Europäischen Wissenschaftlern zufolge entspringt das permanente Brummen dem Grund des Ozeans. Die entsprechende Studie wurde im November von Forschern des Instituts für Geophysik Paris in „Geophysical Research Letters“ veröffentlicht. Darin verglich man Daten diverser seismografischer Stationen am Meeresboden mit vorherigen Daten von Vibrationsmessgeräten an Land.

„Das ist, als würde man alle Tasten eines Klaviers gleichzeitig drücken“, sagt Spahr Webb vom Earth Institute der Columbia Universität. Der Wissenschaftler war an der Studie nicht beteiligt. „Nur, dass es keine schönen Harmonien sind. Es sind ziemlich komische Frequenzen.“

BRUMMEN NACH ZAHLEN

Das Brummen des Planeten beschäftigt Wissenschaftler seit 1959, aber maßgebliche Forschungen zu diesem Thema wurden erstmals 1998 abgeschlossen. Die aktuelle Studie ist die erste, welche das Grummeln vom Grunde des Meeres dokumentiert.

Die Forscher an Instituten in Paris, Stuttgart und Oxford durchkämmten Seismografen-Aufzeichnungen aus elf Monaten für einen Bereich von 3.100 Quadratkilometern des Meeresbodens vom Indischen Ozean östlich von Madagaskar. Aus diesen Daten aus den Jahren 2012 und 2013 schossen sie sich schließlich auf zwei Stationen mit qualitativ hochwertigen Daten ein und filterten Störgeräusche von lauten Wellen sowie elektronische Störimpulse heraus. Was herauskam, war der natürliche Klang der Erde.

Dieses irdische Summen ist allerdings fast nicht wahrnehmbar. Die Vibration des Planeten oszilliert zwischen 2,9 und 4,5 Millihertz. Damit ist die Frequenz 10.000 Mal niedriger als alles, was Menschen wahrnehmen können. Unsere Hörschwelle beginnt erst bei ungefähr 20 Hertz.

Die Forscher fanden außerdem heraus, dass sich die Amplitude bzw. die Lautstärke des Summens mit der Zeit nicht veränderte. Die Veränderungen im Frequenzbereich waren nicht abhängig von den Jahreszeiten, was anderen Studien widerspricht, die einen größeren Frequenzbereich untersucht hatten.

„Wir glauben, um besser zu verstehen, woher das Signal kommt, kann es hilfreich sein, die Schwingungen vom Meeresboden aus zu beobachten“, sagt die Co-Autorin Martha Deen.

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WIND UND WELLEN

Das Brummen der Erde ist nichts Neues, sagt Webb. Wissenschaftler bemerkten schon bei den frühen Seismografen, dass die Nadeln der Instrumente immer für ein paar Sekunden hin und her zitterten, was sie auf regelmäßige Erschütterungen zurückführten. Sie sahen, dass Wellen Druckimpulse erzeugten, wenn sie sich in entgegengesetzte Richtungen bewegten, und schlossen daraus, dass der Brummton wahrscheinlich durch längere Wellen verursacht wird, die mit dem Meeresboden interagieren.

„Die Leute begriffen schon recht früh, dass das [Phänomen] von Meereswellen ausgelöst wird“, so Webb. „Als die Instrumente besser wurden, begriffen wir, dass das Brummen die ganze Zeit stattfindet.“

Seit den frühen Beobachtungen haben diverse Studien die Hypothese aufgestellt, dass das freie Schwingen der Erde ein Nebeneffekt der Meereswellen ist. Andere Forschungen deuten darauf hin, dass das Brummen durch atmosphärische Turbulenzen oder die Windbewegungen auf der Erde ausgelöst wird. Laut der aktuellen Studie könnten solche Turbulenzen für einen Teil der Vibration verantwortlich sein, während der Rest auf Wellen zurückgeht.

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    Allerdings ist nicht jeder derselben Meinung. „Die Turbulenzen in der Atmosphäre bewegen sich sehr, sehr langsam. Sie haben nicht genug Energie“, sagt Webb. „Das Brummen geht ausschließlich mit den Meereswellen einher.“

    Indem die Wissenschaftler den Brummton der Erde über die Messstationen am Meeresboden untersuchen, können sie eine detaillierte Karte des Erdinneren erstellen. Derzeit können sie nur während Erdbeben einen Blick ins Innere des Planeten werfen, was die Untersuchungen auf bestimmte Zeiten und Bereiche beschränkt. Und seismische Aktivität kann mit Messgeräten an Land nicht für jene Bereiche gemessen werden, die sich fernab von Inseln und Festland befinden. Aber das Brummen – konstant und monoton – kann auf der ganzen Welt nachgewiesen werden.

    „Das kann man nutzen, um den Aufbau der Erde abzubilden“, sagt Webb. „Dabei wird es helfen, Daten von neuen Orten zu bekommen.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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