Multiresistente Gonorrhoe und die Folgen des Antibiotika-Missbrauchs

Die sexuell übertragbare Krankheit ist zunehmend schwieriger zu behandeln.

Von Elaina Zachos
Veröffentlicht am 5. Apr. 2018, 10:53 MESZ
Gonorrhoe
Eine Nahaufnahme der Bakterien Neisseria gonorrhoeae, die eine sexuell übertragbare Krankheit auslösen.
Foto von Lester V. Bergman, Corbis via Getty Images

Im Vereinigten Königreich wurde bei einem Mann Gonorrhoe diagnostiziert. Die Besonderheit: Die Infektionskrankheit sprang in diesem Fall nicht auf die übliche Behandlung an. Es ist der erste bekannte Fall, bei dem die sexuell übertragbare Krankheit nicht mit Antibiotika behandelt werden konnte.

Der namentlich nicht genannte Mann hatte sich im letzten Jahr mit der Krankheit angesteckt, als er in Südostasien Geschlechtsverkehr mit einer Frau hatte. Einen Monat später bemerkte er anscheinend erste Symptome und begab sich Anfang 2018 in medizinische Behandlung.

Man versuchte, die Krankheit mit den Antibiotika Azithromycin und Ceftriaxon zu bekämpfen, jedoch ohne Erfolg. Daher griff man im Anschluss auf den Arzneistoff Ertapenem zurück, der eingesetzt wird, um Infektionen nach Operationen am Darm oder Rektum zu verhindern. Das Ertapenem scheint anzuschlagen, und der Mann soll in diesem Monat wieder untersucht werden, um den Stand der Behandlung zu überprüfen.

Der Mann hat eine feste Partnerin im Vereinigten Königreich, die negativ auf die Infektion getestet wurde. Die Gesundheitsbehörden untersuchen auch die früheren Geschlechtspartner des Mannes, um zu prüfen, ob noch jemand infiziert wurde. Bisher wurden jedoch keine weiteren Fälle entdeckt.

„Das ist der erste Fall, bei dem eine so hohe Resistenz gegen diese Arzneimittel und die meisten anderen geläufigen Antibiotika aufgetreten ist“, erzählte Gwenda Hughes den Medien. Hughes ist die Leiterin des Bereichs Geschlechtskrankheiten bei der Gesundheitsbehörde des Vereinigten Königreichs. „Wir verfolgen den Fall um sicherzustellen, dass die Infektion mit anderen Optionen effektiv behandelt wurde und das Risiko einer weiteren Infektion minimiert wird.“

Obwohl es sich um den ersten Fall von Gonorrhoe handelt, der als „unheilbar“ betitelt wurde, ist die generelle Resistenz der Krankheit in den letzten Jahren stetig angestiegen. Als die Vereinten Nationen 2016 gerade verkündeten, dass Antibiotikaresistenz die „größte und dringlichste globale Bedrohung“ darstellt, verkündeten die US-amerikanischen Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention (CDC), dass sich Gonorrhoe auf dem Weg zur Unheilbarkeit befindet.

BELIEBT

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    NICHT DIAGNOSTIZIERTE FÄLLE

    Gonorrhoe, auch Tripper genannt, wird durch das Bakterium Neisseria gonorrhoeae ausgelöst. Obwohl es eine sexuell übertragbare Krankheit ist, kann sie auch während der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen werden – dabei sind dann meistens die Augen betroffen.

    Die meisten Menschen, die sich mit der Krankheit infizieren, merken davon mitunter gar nichts. Aber die Betroffenen, die Symptome entwickeln, verspüren Schmerzen beim Urinieren, abnormale Ausflüsse aus den Geschlechtsorganen und Schmerzen im Genitalbereich. Wird der Tripper nicht behandelt, kann er zu Unfruchtbarkeit oder entzündlichen Beckenerkrankungen führen. Wenn ein Patient geheilt wird, ist er nicht immun und kann sich erneut mit der Krankheit infizieren.

    Das CDC schätzt, dass sich in den USA jährlich 820.000 Menschen mit der Krankheit anstecken und dass mehr als die Hälfte dieser Fälle gemeldet wird. Die Behandlung wird jedoch zunehmend schwieriger. Ältere, billigere Antibiotika wurden in den letzten Jahren missbraucht und übermäßig häufig genutzt, sodass sie nun ihren Dienst versagen. Von den drei häufigsten Geschlechtskrankheiten – die anderen beiden sind Chlamydiose und Syphilis – lässt sich Gonorrhoe am schlechtesten behandeln.  

    DIE ZEIT LÄUFT

    Die Bedenken darüber nehmen zu, dass Gonorrhoe zu einem Supererreger wird, der mit Antibiotika nicht mehr behandelbar ist. Von den zwei Millionen Menschen in den USA, die mit antibiotikaresistenten Bakterien infiziert sind, sterben jährlich 23.000 an ihrer Krankheit. 

    „Wir benutzten Antibiotika weiterhin in einer schlechten Art und Weise. Sie sollen eingesetzt werden, um Bakterien zu bekämpfen, keine Viren“, erzählte Stuart Levy National Geographic 2014. Levy ist der Direktor des Center for Adaptation Genetics and Drug Resistance am Tufts Medical Centre. „Jedes Mal, wenn man ein Antibiotikum benutzt, obwohl das nicht nötig ist, treibt man die Antibiotikaresistenz voran.“

    2011 berichtete National Geographic darüber, dass die Gonorrhoe-Bakterien menschliche DNA integriert haben. Nach dem Beginn der Infektion dringen die Bakterien in die menschlichen Zellen ein und beginnen dort, Kopien von sich zu erstellen. Einige Forschungen deuten darauf hin, dass die Bakterien selbst in tieferes Gewebe eindringen könnten. 

    „Die Bakterien haben die Fähigkeit entwickelt, das Antibiotikum zu zerstören, um sich zu schützen“, erzählte Levy. „Eine genetische Mutation könnte es einer Bakterie ermöglichen, Enzyme zu produzieren, die Antibiotika unwirksam machen. Sie könnte aber auch das eigentliche Ziel eliminieren, auf das das Antibiotikum abzielt.“

    2016 formulierte es die ehemalige Generaldirektorin der WHO Margaret Chan so: „Uns läuft die Zeit davon.“

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    Gummiente & Co: Ein Paradies für Bakterien

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