Was sind “fleischfressende Bakterien” und wie bekämpft man sie?

Nekrotisierende Fasziitis führt in rasanter Geschwindigkeit zum Absterben von Gewebe und endet oft tödlich.

Von Elizabeth Armstrong Moore
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:47 MEZ
Illustration eines Bakteriums
Illustration eines Bakteriums der A-Streptokokken, dem Bakterienstamm, der am häufigsten nekrotisierende Fasziitis auslöst.
Foto von Illustration von CDC

Nachdem der Hurrikan Harvey über der Küste der USA gewütet hatte, lauerten gefährliche Wesen in den schlammigen Fluten, die im texanischen Houston verweilten. Als die 77 Jahre alte Nancy Reed in ihrem überschwemmten Haus hinfiel und sich den Arm brach, griff eines der gefährlichsten von ihnen an.

Reed starb an einer Infektion mit „fleischfressenden Bakterien“.  Die Erreger dringen in das Unterhautgewebe und die Faszien ein und zerstören alles auf ihrem Weg. 

Die vielzitierten „fleischfressenden Bakterien“ fressen nicht wirklich Fleisch. Sie sondern ein Toxin ab, das Gewebe verflüssigt. Der korrekte Begriff für die Krankheit lautet nekrotisierende Fasziitis. In den USA werden jährlich etwa eintausend Fälle gemeldet, wahrscheinlich ist die Dunkelziffer aber höher.

Aber was genau löst diese Krankheit aus und wie können wir sie bekämpfen? Wir haben einige Fragen und Antworten zusammengefasst.

Was ist nekrotisierende Fasziitis?

Es gibt verschiedene Bakterienarten, die ein solch rasantes Gewebeabsterben auslösen können, dass eine Infektion als nekrotisierende Fasziitis bezeichnet wird. Eine der häufigsten Gruppen sind die A-Streptokokken, die weit verbreitet sind. Sie leben oft ganz harmlos in unserer Kehle, lösen manchmal Scharlach aus und sorgen in seltenen Fällen dafür, dass Gewebe und Faszien absterben.

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    Eine Genomsequenzierung der A-Streptokokken im Jahr 2014 ermöglichte es Forschern, vier Veränderungen zu verfolgen, die in den letzten Jahrzehnten aufgetreten sind und eine aggressivere Version der Bakterien erzeugt haben. Ein besonders gefährlicher Bakterienstamm wurde von zwei verschiedenen Viren infiziert, weshalb er nun virale Gene enthält und mit größerer Wahrscheinlichkeit Krankheiten auslöst.

    Wie gelangen diese Bakterien in den Körper?

    „Oft gibt es Eintrittspunkte – ein Schnitt, der durch die Haut in tiefere Bereiche vordringt, manchmal auch ein Stich wie von einem Dorn oder einer Nadel. Es könnte auch ein Insektenstich sein“, sagt William Schaffner. Der Spezialist für Infektionskrankheiten vom medizinischen Zentrum der Vanderbilt Universität hat Jahrzehnte damit verbracht, diese Pathogene zu untersuchen. Es gibt aber auch Fälle, in denen Ärzte keinen Eintrittspunkt finden konnten. Es ist also möglich, dass die Bakterien auch unverletzte Haut durchdringen können.

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    Wie schnell breiten sich die Bakterien aus?

    Sie sind schnell. Die Infektion kann sich pro Stunde um 2,5 Zentimeter ausbreiten und zu einer Blutvergiftung, Organversagen und bei einem von drei Patienten sogar zum Tod führen, so Schaffner.

    Wie sehen die ersten Symptome aus?

    Das auffälligste Erstsymptom ist nicht das Fieber oder die Verfärbung der Haut, sondern ein schlimmer Schmerz, der auf den Schaden am tieferliegenden Gewebe zurückzuführen ist. „Noch bevor es sichtbare Symptome gibt, kann [die Krankheit] großen Schaden anrichten“, sagt Schaffner.

    Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es derzeit?

    „Die zwei wesentlichen Therapieansätze sind Antibiotika, um die Infektion zu bekämpfen, und eine OP, um Sauerstoff zuzuführen“, sagt Schaffner. Viele der beteiligten Bakterien sind anaerob, was bedeutet, dass sie in sauerstoffarmen Umgebungen gedeihen. Wenn sie mit Luft in Berührung kommen, sterben sie. Die Chirurgen müssen außerdem totes und beschädigtes Gewebe entfernen, damit die Wunden besser heilen.

    Sind Menschen, die bereits einmal mit den Bakterien infiziert wurden, irgendwie geschützt?

    „Das steht an vorderster Stelle der Dinge, die wir zu ergründen versuchen“, sagt Schaffner. Als erstes müssen die Ärzte herausfinden, ob bestimmte Bakterienstämme der A-Streptokokken eher nekrotisierende Fasziitis auslösen als andere. Danach wollen die Forscher jene Menschen untersuchen, die sich mit der Krankheit infizieren, um eine mögliche Rolle von genetischen Faktoren zu ergründen.

    „Viele Menschen haben mal einen rauen Hals, aber nur sehr wenige haben eine invasive Krankheit“, so Schaffner. „Gibt es Menschen mit einer genetischen Prädisposition für solche invasiven Infektionen bei der Begegnung mit A-Streptokokken? Das ist eine offene Frage.“

    Wird an einer Impfung gearbeitet?

    „Ja und nein“, sagte Schaffner. Eine Impfung würde nicht gegen alle Bakterienstämme schützen, die eine nekrotisierende Fasziitis auslösen können. Aber Wissenschaftler arbeiten an einer allgemeinen Impfung gegen A-Streptokokken, da diese Bakterien diverse Komplikationen verursachen können, darunter auch ein rheumatisches Fieber. Wenn diese Impfung erfolgreich ist, könnte sie auch bei einigen Fällen von nekrotisierender Fasziitis helfen.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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