Mondbeben: Unser Mond ist geologisch aktiv

Eine neue Analyse von Daten der Apollo-Missionen offenbarte, dass das Innere des Mondes wärmer sein könnte als angenommen.

Von Adam Mann
Veröffentlicht am 17. Mai 2019, 14:38 MESZ
Der kleine, graue Erdtrabant könnte geologisch aktiver sein als angenommen, wie Daten von Instrumenten der Apollo-Missionen ...
Der kleine, graue Erdtrabant könnte geologisch aktiver sein als angenommen, wie Daten von Instrumenten der Apollo-Missionen zeigen.
Foto von NASA, Gsfc, Arizona State University

Wenn es darum geht, einen abgelegenen Außenposten zu etablieren, bietet es sich für gewöhnlich an, das weit entfernt von geologisch aktiven Verwerfungslinien zu tun. Für die Wissenschaftler, die ein menschliches Habitat auf dem Mond planen, sah es praktischerweise lange Zeit so aus, als wäre unser kleiner Satellit eine geologisch tote Welt. Schließlich ist für tektonische Aktivität Hitze im Inneren nötig, und kleine Gesteinskörper wie der Mond kühlen deutlich schneller ab als größere wie die Erde.

Aktuelle Analysen von Daten der Apollo-Missionen deuten aber darauf hin, dass der Mond tektonisch aktiver sein könnte als bisher angenommen.

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In einer Studie, die im Mai 2019 „Nature Geoscience“ veröffentlicht wurde, beschreiben Forscher, wie sie die mutmaßlichen Epizentren der mysteriösen Mondbeben ausfindig gemacht haben. Die Beben wurden von Seismografen aus der Apollo-Ära aufgezeichnet und schienen ihren Ursprung in Geländestufen zu haben.

„Die Vorstellung, dass ein 4,6 Milliarden Jahre alter Gesteinskörper wie der Mond in seinem Inneren warm genug bleiben konnte, um ein solches Netzwerk an Verwerfungslinien zu erzeugen, steht absolut im Widerspruch zur gängigen Meinung“, sagt der Co-Autor der Studie, Thomas Watters vom Smithsonian Institution in Washington, D.C.

Erschütternde Erkenntnis

Im kommenden Sommer wird das 50-jährige Jubiläum der Apollo-11-Mission stattfinden. Damals, beim Wettlauf ins All, kümmerten sich die USA hauptsächlich darum, ihre Astronauten auf den Mond und wieder zurück zu bringen, bevor die Sowjets das taten. Was genau die „Moonwalker“ dann aber dort machen sollten, war eher zweitrangig.

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BELIEBT

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    „Die dachten sich: Mist, wir brauchen irgendwas“, erzählt die Co-Autorin Renee Weber, eine Planetenwissenschaftlerin des Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville, Alabama.

    Aus „irgendwas“ wurde dann Wissenschaft, beispielsweise eine Sammlung umfangreicher geologischer Daten und Gesteinsproben, die zurück auf die Erde gebracht wurden. Auf vier der Apollo-Missionen stellten die Astronauten Seismografen an ihrem Landeplatz auf. Im Laufe ihrer achtjährigen Funktionsdauer zeichneten die Instrumente Tausende von Erschütterungen tief im Inneren des Mondes auf.

    Die seismische Aktivität auf dem Mond funktioniere allerdings anders als auf der Erde, sagt Weber. Der Großteil der Aktivität auf dem Mond entsteht durch die Gravitationskräfte, die die Erde auf ihren Satelliten ausübt – gewissermaßen das Gegenstück zu den Gezeitenkräften, die auf der Erde wirken. Im Gegensatz zu unserem Planeten ist der Mond aber nicht zu einem Großteil mit Wasser bedeckt, weshalb seine Oberfläche verformt wird. Je nach Position und den einwirkenden Kräften ist er mal kugelförmiger und mal langgezogener.

    Auch die starken Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, die bis zu 290°C betragen können, tragen ihren Teil zu den beben bei. Einige der Erschütterungen waren auch menschengemacht. Sie wurden aufgezeichnet, als das Missionskontrollzentrum anordnete, nicht notwendige Schiffsteile auf die Oberfläche stürzen zu lassen, um die Seismografen zu kalibrieren.

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    Von den aufgezeichneten Beben schienen 28 aus den oberen paar Kilometern der Kruste zu stammen. Diese Erschütterungen waren so stark wie irdische Beben der Stärke 5,5 und entzogen sich mehr als 40 Jahre lang jeglichen Erklärungsversuchen.

    Seismische Suche

    Seit 2009 kartierte Watters mithilfe von Aufnahmen des Lunar Reconnaissance Orbiter der NASA Tausende von Geländestufen auf der Mondoberfläche. Ausgehend davon, wie neu das Gesteinsmaterial rund um die Stufen aussah, konnte er erkennen, dass sie in jüngerer Zeit entstanden waren, womöglich vor weniger als 50 Millionen Jahren, „was geologisch betrachtet jung ist“, sagt er.

    Watters vermutete, dass diese Geländestufen für die flachen Mondbeben verantwortlich sein könnten, benötigte aber noch weitere Beweise. Mit nur vier Seismografen, die keine qualitativ hochwertigen Daten lieferten, konnten die Apollo-Instrumente die Beben nur auf etwa 160 Kilometer genau lokalisieren.

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    Deshalb nutzten die Forscher einen Algorithmus, der normalerweise in Regionen auf der Erde verwendet wird, in denen die Seismografennetzwerke nicht gut ausgebaut sind. So entstand ein Raster aus möglichen Epizentren der Mondbeben. Von den 28 aufgezeichneten Ereignissen ereigneten sich acht im Umkreis von 18 Kilometern um eine Geländestufe. Sechs weitere traten auf, als der Mond am weitesten von der Erde entfernt war – also dann, wenn die Gravitationskräfte der Erde am stärksten auf ihn wirken.

    Um zu überprüfen, ob dieser mutmaßliche Zusammenhang nur ein Zufall war, simulierte das Team 10.000 seismische Beben. Im Anschluss werteten die Forscher aus, wie oft Muster auftraten, die den Beobachtungsdaten ähnelten. Insgesamt ergab sich eine Wahrscheinlichkeit von einem Prozent dafür, dass alle Faktoren zu einem solchen Ergebnis führen würden. Für Watters bedeutet das, dass die Geländestufen die wahrscheinlichsten Epizentren der Mondbeben sind.

    Diese seismische ShakeMap, die aus Aufnahmen der NASA erstellt wurde, zeigt die erwarteten Bewegungen für ein flaches Mondbeben an einer Aufschiebung, die zur Mandel‘stam-Geländestufe auf dem Mond gehört.
    Foto von University Of Maryland, Smithsonian

    „Das heißt im Grunde, dass der Mond tektonisch aktiv ist“, sagt er. „Ich finde, das ist ein erstaunliches Ergebnis.“

    Neue Mission, bessere Daten

    Aber die Unsicherheiten des Ergebnisses überzeugen nicht alle Forscher.

    „Sie nutzen eine Menge statistischer Argumente und ich finde, sie haben gute wissenschaftliche Arbeit geleistet. Aber ich würde noch nicht sagen, dass das definitiv [der Ursprung] ist“, sagt Ceri Nunn, die sich am kalifornischen Jet Propulsion Laboratory der NASA ebenfalls mit der Mondseismologie beschäftigt. Trotzdem vermutet sie, dass das Team die Epizentren in Anbetracht der suboptimalen Datenqualität so gut identifiziert hat, wie es aktuell möglich ist.

    Weber und andere Forscher erarbeiten derzeit einen Vorschlag für eine Mission, bei der ein neues Netzwerk mit hochmodernen Seismografen auf dem Mond platziert werden soll – womöglich sogar in direkter Nähe zu oder auf einer Geländestufe.

    Bis dahin können die Ergebnisse angesichts des wachsenden Interesses am Mond – sowohl von diversen Ländern als auch von Privatunternehmen – einen guten Anhaltspunkt dafür liefern, welche Gegenden künftige Mondbesucher lieber meiden sollten.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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