Im Weltall oder Stadion: Wie man sich heute bestatten lassen kann

Heute werden fast Dreiviertel der Toten eingeäschert. Asche kann vielfältiger beigesetzt werden als ein Sarg: als Feuerwerk in der Luft oder als Diamant gepresst. Welche Bestattungsmöglichkeiten es weltweit gibt und was in Deutschland legal ist.

Pflegeleicht soll es heute sein: Bestattung unter Bäumen, auf der Nordsee oder in der Luft.

Foto von Adobe Stock
Von Theresa Tröndle
Veröffentlicht am 13. Sept. 2021, 16:18 MESZ, Aktualisiert am 14. Sept. 2021, 10:24 MESZ

Jahrhundertelang endete das Leben feucht. Unter der Erde, in einem Sarg aus Kiefern oder Eiche, etwa 200 Zentimeter lang, 65 Zentimeter breit und hoch. Heute reicht oft ein Stück Blech für die zwei bis drei Liter Asche, die von einem Menschen übrig bleiben, wenn man ihn verbrennt. Die Urne hat den Sarg verdrängt. 72 Prozent aller Toten werden mittlerweile eingeäschert, schätzt der Bundesverband für Bestattungen.

Vom Mittelalter bis ins Deutsche Kaiserreich war das anders. Damals gab es in der christlichen Welt nur Erdbestattungen. Einäscherungen wurden als Bestattung zweiter Klasse und als vorgezogenes Fegefeuer verachtet. Erst auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1963 erlaubte die katholische Kirche die Kremation. Seitdem steigt die Zahl der Feuerbestattungen.

Gründe dafür gibt es viele. Die Menschen sind nicht mehr so stark verwurzelt wie ihre Vorfahren. Familien leben oft hunderte Kilometer voneinander entfernt. Da ist es schwierig, einmal in der Woche die Begonien auf dem Grab von Oma zu gießen. Pflegeleicht soll es heute sein – mit Bestattung unter Bäumen, auf der Nordsee oder in der Luft.

Bestattungen: Individualität bis in den Tod

Der letzte Weg führt immer seltener zum Friedhof. Das mag daran liegen, dass auf traditionelle Bindungen wie die Ehe oder kirchliche Gemeinschaften weniger Wert gelegt wird, und damit auf tradierte Orte der Erinnerung. Dazu kommt, dass es mittlerweile auch im Tod um ein Bedürfnis der Gegenwart geht: Individualität. Urnen lassen sich vielfältiger beisetzen als Särge. Vom Stadion über das All bis hin zum Diamanten wird alles angeboten. Das Geschäft mit dem Tod ist ein freier Markt geworden. Vieles davon ist in Deutschland allerdings nur über den nicht ganz legalen Umweg über das Ausland möglich. Denn der Tod ist hierzulande streng geregelt.

Hans Baldung Grien

Es gibt zwei Zwänge, die vor Seuchen schützen und die Pietät wahren sollen: den zur Bestattung und den zum Friedhof. Das heißt, Urne oder Leichnam müssen auf einem zugelassenen Friedhof bestattet werden. Und auf diesem gilt das Friedhofs- und Bestattungsgesetz des jeweiligen Bundeslandes. In Bayern und Sachsen ist das konservativer als etwa in Bremen. Es ist das einzige Bundesland, in dem es erlaubt ist, die Asche des Verstorbenen auf privatem Grund zu vergraben. Ansonsten ist der Friedhofszwang traditionelle Grundlage des deutschen Bestattungswesens.

Was also sind die Möglichkeiten in Deutschland?

Baumbestattung

„Die Angebote für Urnenbeisetzungen werden von Jahr zu Jahr vielfältiger“, sagt Stephan Neuser vom Bundesverband Deutscher Bestatter. Am gefragtesten seien derzeit naturnahe Bestattungen unter Bäumen, besser bekannt unter den Namen der beiden größten Anbieter: FriedWald und RuheForst. Bei dieser Bestattung wird die Asche des Verstorbenen in einer biologisch abbaubaren Urne zwischen Baumwurzeln gebettet. Auf den bundesweit rund 160 Bestattungswäldern gibt es mittlerweile auch Familien- und Freundschaftsbäume mit bis zu zehn Plätzen sowie Partnerbäume mit zwei Grabstellen.

Seebestattung

Eine weitere Art in der Natur zu bestatten, ist die Seebestattung. Dabei wird die Asche des Verstorbenen in einer wasserlöslichen Urne außerhalb der Dreimeilenzone ins Meer gegeben – in einem Gebiet, in dem Fischen und Wassersport verboten sind. Das ist auf der Nord- und Ostsee möglich, es gibt aber auch Gebiete im Mittelmeer, im Pazifik und Atlantik. Nach dem Absinken der Urne verteilt sich die Asche im Meer. Wie bei der Baumbestattung fallen weder weitere Kosten noch Pflege an.

Tree-of-life-Bestattung

Eine zugelassene Bestattung, bei der man auch eine Erinnerung an den Verstorbenen erhält, ist die sogenannte Tree-of-life-Bestattung, die in Sachsen-Anhalt zugelassen ist. Dabei wird die Asche in den Wurzelstumpf eines Baumes gegeben. Dieser wird anschließend sechs Monate in einem Pflanzkübel im Ausland aufbewahrt und dann nach Deutschland geliefert. Die Idee: In dieser Zeit hat der Baum die Asche des Verstorbenen absorbiert und ist damit nicht bestattungspflichtig. Das Problem: Wurzeln können viel weniger Asche absorbieren. „Für die zwei bis drei Kilo, die im Durchschnitt von einem Menschen übrig bleiben, bräuchte der Baum etwa 200 Jahre", sagt der Bestattungsrechtler Torsten Barthel.

Mehr Möglichkeiten im Ausland

Wer noch mehr Freiheiten will, wird jenseits der deutschen Grenze fündig. „Man kann das deutsche Bestattungsrecht leicht umgehen", sagt der Bestattungsrechtler Torsten Barthel.

So ist es etwa legal, den Leichnam im Ausland einäschern zu lassen. Bei der Überführung muss man den sogenannten Leichenpass vom Gesundheitsamt vorweisen, dann kommt der Leichnam in der Regel ohne Probleme in die Niederlande oder nach Tschechien. „Und da ist so ziemlich alles erlaubt", sagt Barthel. Die Urne kann also dort von den Hinterbliebenen abgeholt und zurück über die Grenze gebracht werden – ohne Kontrolle. Laut deutschem Recht müsste man die Urne dann auf dem Friedhof beisetzen, aber auch das kontrolliert niemand. Wer erwischt wird, muss ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro bezahlen.

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    Vor demselben Gesetzeskonflikt steht, wer die Asche des Verstorbenen als Diamant tragen möchte. Denn auch dieser müsste in Deutschland bestattet werden. Asche von Hinterbliebenen in einen Schmuckstein zu verwandeln, ist trotzdem gefragt. „Das zeigt, dass Menschen gerne eine Erinnerung haben", sagt Neuser. Ein altes Bedürfnis. Schon im 18. Jahrhundert hätte man den Verstorbenen ein Stück Haar abgeschnitten.

    Viele deutsche Bestatter haben diesen Wunsch erkannt und arbeiten mit Diamant-Herstellern in der Schweiz oder in Österreich zusammen. Das schweizer Unternehmen Algordanza etwa benötigt für einen Diamanten mindestens ein halbes Kilo Asche. Daraus wird der Kohlenstoff extrahiert und anschließend im Vakuum auf 2.500 bis 2.700 Grad Celsius erhitzt. Dabei entsteht Graphit, in das eine spezielle Wachstumszelle eingesetzt wird. Bei rund 1.400 Grad Celsius und einem Druck von rund 60.000 bar, wandelt sich der Graphit in einen Diamanten.

    Bedingungen, für die die Natur Jahrtausende benötigt, werden im Labor in einem mehrwöchigen Prozess simuliert. Anschließend kann der Rohdiamant zum Brillanten, Smaragd oder Radiant geschliffen und poliert werden. Algordanza bietet diese Leistung ab 4.000 Euro an. Weil für den Diamanten nicht die komplette Asche verwendet wird muss die, die übrig bleibt, bestattet werden. Es kommen also weitere Kosten hinzu.

    Die wahrscheinlich kleinste Urne der Welt: Dieser Ring beinhaltet die Asche eines verstorbenen Angehörigen.

    Die wahrscheinlich kleinste Urne der Welt: Dieser Ring beinhaltet die Asche eines verstorbenen Angehörigen.

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    Auf „heiligem“ Rasen oder im All

    Auch sonst gibt es jenseites der deutschen Grenze viele weitere Möglichkeiten. In England etwa darf man die Asche überall verstreuen, solange man die Erlaubnis des Grundbesitzers hat. Für Fußballfans heißt das: Fan-gerechte Bestattung im Stadion. Mehrere Vereine, darunter Hull City oder Leicester City, erlauben das Verstreuen der Asche auf dem Rasen an Tagen, an denen keine Spiele stattfinden. Auch Fans deutscher Vereine können sich auf Fan-Feldern bestatten lassen. In Gelsenkirchen können Schalke-Ultras sich wenige hundert Meter von der Arena entfernt auf einem nachgebauten Stadion aus blau-weißen Blumen bestatten lassen. Angelehnt an das Gründungsjahr des Vereins gibt es 1.904 Grabstellen, Preise starten bei 2.800 Euro.

    In den Niederlanden wird in der Luft bestattet. Die Asche kann aus einem Flugzeug, einem Heißluftballon oder einem Heliumballon verstreut werden. Zahlreiche Bestattungsunternehmen in der Grenzregion bieten diese Bestattungen in Zusammenarbeit mit holländischen Partnern an. Im Heißluftballon begleiten zwischen einer und sechs Personen die Asche des Verstorbenen und verstreuen sie. Dabei werden die Koordinaten festgehalten, sodass die Angehörigen später einen Ort haben, an den sie zum Gedenken zurückkehren können. 

    Für die Bestattung mit dem Heliumballon wird die Asche erst auf mehrere Ballons verteilt und dann auf ihre letzte Reise geschickt. In 20 bis 35 Kilometern Höhe platzen die Ballons. Wem das zu leise ist, der kann es in den USA zum Abschied krachen lasse: Das Unternehmen Heavens Above Fireworks integriert Asche in Feuerwerkskörper. Es stehen Varianten wie „A Gentle Farewell“, „Spectacular Goodbye“ oder „Grand Finale“zur Auswahl, die Kosten belaufen sich auf mindestens 2.000 US-Dollar.

    Noch höher hinauf geht es bei der Weltraumbestattung, bei der maximal sieben Gramm Asche in einer kleinen Metallkapsel an Bord einer Trägerrakete in den Weltraum geschossen werden. Die Raketen starten in der Regel in den USA oder Russland. Dabei kann man zwischen drei Methoden wählen: Die Asche verglüht in der Atmosphäre, sie bleibt im Weltraum und fliegt dort in der Kapsel durch das All oder sie wird auf den Mond geschossen. Egal für welche Variante man sich entscheidet, Bestattungen im Weltraum zählen zu den teuersten. Beim US-Unternehmen Celestis, das 1997 die erste Weltraumbestattung durchführte, bei der auch „Star Trek“-Erfinder Gene Roddenberry auf seine letzte Reise ging, kostet der Schuss in die Erdumlaufbahn zwischen 4.995 und 13.990 US-Dollar. Der Preis, um drei Gramm Asche auf den Mond zu schicken, liegt bei 25.000 US-Dollar.

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    Von Lauge bis Kompost: Skurrile Methoden

    Wenn es um skurrile Bestattungsformen geht, liegen die USA weit vorne. Seit ein paar Jahren ist es sogar möglich, Leichname aufzulösen. Bei dieser chemischen Art der Bestattung, der sogenannten Resomation, wird der Tote mit Wasser und Kalilauge in einem Edelstahltank unter Druck auf 150 Grad Celsius erhitzt, vergelichbar mit der Funktionsweise eines Schnellkochtopfs. Nach etwa dreieinhalb Stunden hat sich das Fleisch zu einer zähen, braunen Flüssigkeit aufgelöst. Übrig bleiben Knochen, die zu Pulver zermahlen in einer Urne beigesetzt werden. Die Flüssigkeit kann in den Abfluss gegossen werden. Bestatter in Deutschland sehen diese chemische Methode aus religiösen und moralischen Gründen kritisch.

    In Washington gibt es seit Mitte 2020 neben Erd- oder Feuerbestattung noch eine dritte Variante: die Kompost-Bestattung. Dabei wird der Leichnam in eine Wanne mit Stroh, Holzspänen und Pflanzenresten gelegt. Durch die sich entwickelnde Wärme wird der Tote abhängig von Größe und Gewicht in etwa 40 Tagen in Erde umgewandelt. „Das ist Verwesung im Speed-Verfahren“, sagt Torsten Barthel. Das Unternehmen Return Home liefert die etwa 200 Kilogramm Erde, die übrig bleiben, an die Angehörigen. Diese können die Erde dann als Dünger einsetzen. Etwa 5.500 US-Dollar kostet das Kompostieren. Torsten Barthel rechnet damit, dass diese Bestattungsart bald auch in Deutschland zugelassen wird. In Zeiten von Fridays for Future muss wohl auch der Tod grüner werden.

    Verglichen mit weltweiten Bestattungsarten mögen die in Deutschland zugelassenen konservativ erscheinen. Doch in den vergangen Jahren haben einige Bundesländer ihre Gesetze überarbeitet. So ist es nun beispielsweise möglich, in Grüften und Mausoleen zu bestatten. Und längst sind christliche Beerdigungen nicht mehr der einzige Ausdruck der deutschen Bestattungskultur. Nordrhein-Westfalen etwa erlaubt muslimischen Gemeinschaften, eigene Friedhöfe zu unterhalten. „Die Friedhöfe öffnen sich immer mehr anderen Religionen gegenüber“, sagt Stephan Neuser vom Bundesverband Deutscher Bestatter. Auf vielen Friedhöfen gebe es mittlerweile etwa spezielle Grabstellen für Muslime, ausgerichtet nach Mekka. Dort ist teilweise auch eine Bestattung im Tuch möglich, wie es bei islamischen Beerdigungen üblich ist. Die Bestattungskultur ändert sich also – in Deutschland vielleicht nur langsamer als anderswo.

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