Wie bringt man ein weinendes Baby zum Einschlafen?
Tragen, Halten, Ablegen: Was beruhigt schreiende Säuglinge am schnellsten? Eine neue Studie aus Japan liefert verzweifelten Eltern eine wissenschaftliche Antwort.
Halten, tragen oder ablegen? Welche die beste Strategie ist, um weinende Säuglinge zu beruhigen und wieder zum Einschlafen zu bringen, erforschte nun ein wissenschaftliches Team aus Japan.
Alle Babys sind unterschiedlich: Manche sind eher ruhig, andere schreien oft. Doch egal, welches Temperament der Nachwuchs hat: Alle Eltern finden sich meist früher als später in einer Situation wieder, in der sie ihren weinenden Säugling beruhigen müssen. Eine Aufgabe, die oft nicht leicht zu bewältigen ist. Je länger es dauert, bis das Baby schläft, desto größer die Frustration und der Stress bei Mutter und Vater – und desto schwieriger wird es für den Säugling, wieder in den Schlaf zu finden.
Ob Tragen, Halten oder Ablegen die beste Strategie ist, um ein weinendes Baby wieder zum Schlafen zu bringen, darüber scheiden sich die Geister. Kumi Kuroda, Hirnforscherin am RIKEN Center for Brain Science (CBS) in Wako, Japan, hat sich dieser Frage mit ihrem Team nun von der wissenschaftlichen Seite genähert. Aus ihren Erkenntnissen haben die Forschenden eine Technik abgeleitet, mit der sich weinende Säuglinge zuverlässig beruhigen und zum Schlafen bringen lassen. Ihre Studie ist in der Zeitschrift Current Biology erschienen.
Tragen reduziert die Herzfrequenz
Für die Studie zeichnete das Team das Verhalten von 21 Babys mithilfe von Videokameras auf, während ihre Mütter mit verschiedenen Methoden wie Tragen, Halten oder dem Schieben im Kinderwagen versuchten, sie zu beruhigen. Gleichzeitig maß ein Baby-EKG-Gerät die Herzfrequenz der Säuglinge beim Schlafen, Weinen und im ruhigen Wachzustand. Dabei wurde für jeden Herzschlag das Verhalten und der Zustand des Babys dokumentiert, sodass die Wissenschaftler sekundengenaue Zusammenhänge zwischen Herzfrequenz und Mikroaktivitäten herstellen konnten.
Die Analyse der Daten bestätigte bereits Bekanntes: Die Nähe zur Mutter wirkt auf das Baby beruhigend, auf ihre Bewegungen reagiert es extrem sensibel. So stellt die Studie fest, dass das Halten eines weinenden Babys im Sitzen nicht beruhigend wirkt. Stattdessen steigt die Herzfrequenz des Säuglings dabei tendenziell sogar an.
Förderlich für das Einschlafen ist hingegen das Tragen. Dieses löst eine komplexe Reihe parallel ablaufender physiologischer Prozesse aus, die auf das Baby beruhigend wirken. „Nachdem sie fünf Minuten getragen wurden, hatten alle untersuchten Säuglinge aufgehört zu weinen und eine reduzierte Herzfrequenz. Etwa die Hälfte schlief“, sagt Kuroda. Allerdings gilt diese Beobachtung nur für weinende Babys. Bei bereits ruhigen Säuglingen blieb der Effekt aus.
“Der Schlüsselparameter für das erfolgreiche Ablegen von schlafenden Säuglingen ist die Zeit, die seit dem Einschlafen vergangen ist.”
Kaum hingelegt, schon wieder wach
Oft wachen Babys, wenn sie nach dem Einschlafen ins Bett gelegt werden, sofort wieder auf. Auch dieses Problem wurde im Rahmen der Studie untersucht. Es zeigte sich, dass von allen betrachteten Situationen der Anstieg der Herzfrequenz dann am stärksten war, wenn die Mutter sich körperlich von ihrem schlafenden Säugling entfernte. Ein Drittel der untersuchten Babys war innerhalb von 20 Sekunden nach dem Ablegen wieder wach.
Wie und in welcher Position sie ins Bett gelegt wurden, spielte für das Weiterschlafen keine Rolle. Wichtiger war offenbar ein anderer Aspekt. „Der Schlüsselparameter für das erfolgreiche Ablegen von schlafenden Säuglingen ist die Zeit, die seit dem Einschlafen vergangen ist“, erklärt Kuroda. Ihr zufolge sollte das Ablegen erst nach acht Minuten erfolgen.
Einschlaftrick auf wissenschaftlicher Basis
Der Studie zufolge nimmt die wissenschaftliche Methode, einen weinenden Säugling zum Einschlafen zu bringen und ihn dann ohne erneutes Aufwachen abzulegen, nur dreizehn Minuten in Anspruch: Nachdem das Baby fünf Minuten lang mit sanften Bewegungen getragen wurde und eingeschlafen ist, muss es noch weitere acht Minuten ruhig im Sitzen gehalten werden. Dann kann es im Bett abgelegt werden und schläft weiter. Für die Studie wurden zwar nur Babys und ihre Mütter untersucht, das Forschungsteam geht jedoch davon aus, dass die Ergebnisse ihrer Arbeit auch auf andere Bezugspersonen – insbesondere Väter – übertragbar sind.
Dass das Tragen die effektivste Beruhigungsstrategie für weinende Babys ist, ist für die meisten Eltern vermutlich keine große Überraschung. Doch gerade für unerfahrene Mütter und Väter können die Erkenntnisse eine große Hilfe sein und hoffentlich dazu beitragen, dass durch Stress ausgelöste Kurzschlusshandlungen wie das Schütteln eines nicht zu beruhigenden Säuglings in Zukunft vermieden werden können.
Kumi Kuroda betont auch darum die Wichtigkeit der Erforschung solch alltäglicher Probleme. „Viele von uns erziehen intuitiv und hören auf die Ratschläge anderer, ohne die Ansätze mit strengen wissenschaftlichen Methoden zu testen“, sagt sie. „Um das Verhalten von Babys zu verstehen, brauchen wir aber die Wissenschaft, denn es ist viel komplexer und vielfältiger, als man denkt.“