Zerstört zu viel Salz unser Immunsystem?

Dass mehr als fünf Gramm Salz pro Tag ungesund sind, weiß man lange. Trotzdem essen wir zu viel davon. Eine Studie zeigt jetzt, welche gravierenden Auswirkungen das auf unseren Körper hat.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 19. Apr. 2023, 09:32 MESZ
Eine Frau salzt ein Spiegelei in der Pfanne.

Laut der WHO sind mehr als fünf Gramm Salz pro Tag ungesund – doch oft überschreitet unsere Ernährung diese Grenze.

Foto von dusanpetkovic1 / Adobe Stock

Wer zu viel Salz zu sich nimmt, schadet seinem Körper – das ist schon lange bekannt. Ein zu hoher Salzhaushalt sorgt für einen hohen Bluthochdruck und ein erhöhtes Schlaganfallrisiko – aber auch für eine geschwächte Immunabwehr. Das fand ein internationales Forschungsteam 2021 erstmals heraus. Bei Menschen, die zu viel Salz zu sich nehmen, ist die Funktion der Fresszellen, die eingedrungene Erreger unschädlich machen können, im Immunsystem gestört. 

Doch nicht nur das: Eine neue Studie des Teams unter der Leitung von Dominik Müller vom Max Delbrück Center und Markus Kleinewietfeld vom VIB Center für Entzündungsforschung zeigt nun, dass auch die adaptive Immunabwehr, die zum Beispiel bei Entzündungsreaktionen für die richtige Balance im Immunsystem sorgt, von einem hohen Salzgehalt in den Zellen beeinträchtigt wird. Die Folgen sind übermäßige Entzündungsreaktionen im Körper – ähnlich wie bei Autoimmunerkrankungen. Diese könnten durch einen starken Salzkonsum sogar gefördert werden.

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Zu viel Salz verändert den Zellstoffwechsel 

Ausgangspunkt der Studie, die in der Zeitschrift Cell Metabolism erschien, waren Beobachtungen bei Autoimmunerkrankten und die Ergebnisse einer vorherigen Studie. In dieser bewiesen die Forschenden, dass eine zu salzhaltige Ernährung die Mitochondrien der Makrophagen und Monozyten, also der Fresszellen des Immunsystems, schwächt – und diese dadurch nicht mehr richtig funktionieren. „Wir haben uns gefragt, ob ähnliche Probleme [...] [bei] gesunden Proband*innen auftreten können“, sagt Müller. 

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, nahmen die Forschenden menschliche Tregs unter die Lupe. Das sind die regulatorischen T-Zellen, die einen wesentlichen Teil des adaptiven Immunsystems ausmachen. So nennt man die Immunantwort, die im Laufe des Lebens durch den Kontakt mit Erregern erworben wird. Tregs werden auch als „Immunpolizei“ bezeichnet, da sie die aggressiven Immunzellen in Schach halten und dafür sorgen, dass die Immunreaktion kontrolliert abläuft. Funktionieren sie nicht richtig, kann es zu überschießenden Entzündungen im Körper kommen. Bei Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose arbeiten die Mitochondrien der Tregs zum Beispiel nicht richtig und sorgen so für Entzündungsreaktionen. 

Laut der Studie kann ein übermäßiger Salzkonsum ähnliche Prozesse in den Tregs gesunder Personen auslösen. Das Experiment des Forschungsteams, bei dem sie mithilfe menschlicher Tregs auf einem Nährmedium untersuchten, wie sich diese durch einen erhöhten Salzgehalt verändern, zeigte: Durch zu viel extrazelluläres Salz ähneln die Tregs gesunder Personen nach einiger Zeit den dysfunktionalen Tregs von Autoimmunerkrankten – und lösen auch deren Symptome aus. 

BELIEBT

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    Verantwortlich dafür ist eine erhöhte Natrium-Ionen-Konzentration im Inneren der Zellen, welche die Funktion der Treg-Mitochondrien hemmt. Wenn die Mitochondrien als Energiekraftwerke der Zellen ausfallen, können die Tregs nicht mehr richtig arbeiten. Das Ergebnis: Die dysfunktionalen Tregs können ihren Aufgaben im Immunsystem nicht mehr nachkommen – die Folge sind übermäßige Entzündungsreaktionen. 

    Verschlimmert erhöhter Salzkonsum Krankheiten?

    Auch wenn die Mitochondrienfunktion nur für kurze Zeit durch den hohen extrazellulären Salzgehalt gehemmt wurde, hatte das im Experiment lang anhaltende Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und die immunregulierende Kapazität der Tregs. Heißt: Auch der kurzzeitige Konsum von zu viel Salz kann bereits zu nachhaltigen zellulären Veränderungen führen.

    Die Forschenden vermuten außerdem, dass ein erhöhter Salzgehalt im Körper möglicherweise zur Dysfunktion von Tregs bei verschiedenen Krankheiten beitragen könnte. „Da Tregs auch bei Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle spielen, könnte die Aufklärung solcher durch Salz ausgelösten Effekte neuartige Ansätze eröffnen, um die Treg-Funktion bei verschiedenen Krankheiten zu verändern“, sagt Kleinewietfeld. Um die potenziellen Zusammenhänge zu verstehen, seien allerdings weitere Studien nötig.

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