Warum immer ich? Wie Mücken ihre Opfer auswählen

Studien haben gezeigt, dass Mücken manche Menschen bevorzugt stechen. Woran liegt das und was kann man tun, um den kleinen Blutsaugern zu entkommen?

Von Connie Chang
Veröffentlicht am 23. Juni 2023, 15:47 MESZ
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Farbige Rasterelektronenmikroskopaufnahme einer weiblichen Anopheles gambiae. Ihr Hinterleib ist nach einer Mahlzeit mit menschlichem Blut aufgebläht. 

Foto von Micrograph by DR TONY BRAIN, SCIENCE PHOTO LIBRARY

Es ist nicht fair. Es gibt Menschen, die an einem Sommerabend im Freien schon nach wenigen Minuten von Mückenstichen übersät sind. Für andere hingegen scheinen sich die Plagegeister nicht zu interessieren.

Mit verschiedenen Experimenten und Studien versucht die Wissenschaft der Frage, warum die Insekten bestimmte Opfer bevorzugen, auf den Grund zu gehen. Die Antwort könnte den Weg für garantiert wirksame Schutzmittel freimachen – und allen Menschen mit sogenanntem „süßem Blut“ die Hoffnung auf Sommer ohne juckende Quaddeln geben.

Wie finden Mücken ihr Ziel?

Mücken lassen sich bei der Wahl ihres Ziels von einer Reihe verschiedener Faktoren leiten. Der erste Hinweis auf die Anwesenheit eines menschlichen Opfers ist das Kohlenstoffdioxid, das wir ausatmen und das Mücken aus einer Entfernung von mehr als 60 Metern wahrnehmen können. Kommt uns das Insekt näher, ist es der Geruch unserer Haut, unserer Füße und unserer Achseln, dem es folgt. Menschen riechen deutlich anders als andere Tierarten und es gibt Mückenspezies, die sich auf dieses besondere Bouquet spezialisiert haben.

In einer Entfernung von rund 15 Metern kann die Mücke uns sogar sehen: als dunklen Umriss vor Lichtquellen. Schließlich ist sie uns so nah, dass sie sich von unserer Körperwärme leiten lässt. Nach der Landung auf unserer Haut helfen ihr Geschmacksrezeptoren an den Füßen dabei, zu entscheiden, wo sie zustechen soll.

„Es ist erstaunlich, wie gut Mücken darin sind, uns aufzuspüren“, sagt Diego Giraldo, Neurowissenschaftler an der Johns Hopkins University in Baltimore. Im Rahmen einer Studie haben er und sein Team untersucht, welche menschlichen Geruchsprofile Anopheles gambiae anlocken, die Anopheles-Mücke, die Malaria überträgt. Dabei zeigte sich, dass Mücken aus verschiedenen Menschen gezielt ihr Opfer auswählen – und das auf einem Areal von der Größe einer Eislaufbahn.

Mückenstich: Zufall oder gezielter Angriff?

Für die Studie wurden auf so einem Areal acht Zelte aufgebaut, die über Luftschächte miteinander verbunden waren. In jedem Zelt befand sich eine schwarze Scheibe, auf der der Geruch einer Person aufgebracht war. Beim Erhitzen der Scheibe verbreitete sich der Geruch im Zelt und über die Luftschächte auch in die Nachbarzelte. Mücken konnten sich in diesem System frei bewegen und ihr Ziel auswählen.

Mücken verhalten sich unauffällig, um an Blut zu kommen

Das Ergebnis: Auf einer Scheibe, auf der der Geruch einer Person aufgebracht war, die oft von Mücken gestochen wird, landeten die Mücken im Vergleich zu anderen Scheiben viermal häufiger. „Das bestätigt die Vermutung, dass auch in komplexen Situationen, in denen es mehrere Geruchsquellen gibt, Mücken in Bezug auf ihre Opfer eindeutige Präferenzen haben“, sagt Giraldo.

Das Studienteam erstellte daraufhin Profile aller Körpergerüche, die in dem Experiment zum Einsatz kamen. „Leider ist der menschliche Körpergeruch aber unglaublich komplex“, sagt Stephanie Rankin-Turner, Chemikerin an der Johns Hopkins University, die ebenfalls an der Studie mitgewirkt hat. Im menschlichen Körpergeruch „finden sich viele Komponenten, die noch niemand klassifiziert hat“, sagt sie.

Die Forschenden beschränkten sich in ihrer Analyse darum auf die bisher bekannten chemischen Bestandteile des menschlichen Geruchs und identifizierten 15 Stoffe, die in den Geruchsproben aller Testpersonen vorhanden waren – jedoch in unterschiedlich hoher Konzentration. Die unterschiedliche Zusammensetzung scheint also der Faktor zu sein, der bestimmt, wie wahrscheinlich ein Mückenstich ist.

Welcher Geruch zieht Mücken an?

Doch welche Stoffe ziehen Mücken an? Zum einen sind es Carbonsäuren, die in menschlichem Schweiß zu finden sind. Sie stecken aber auch in unserem Hauttalg oder werden von Mikroben produziert, die auf unserer Haut leben. Auch Acetoin, das ebenfalls von Mikroben produziert wird, ist ein Mückenmagnet. „Das Hautmikrobiom hat also sehr wahrscheinlich einen Einfluss darauf, wie wir riechen – und demnach auch darauf, wie attraktiv wir für Mücken sind“, sagt Rankin-Turner.

Zwar haben auch Faktoren wie Schwangerschaft, Krankheit oder die Ernährungsweise einen Einfluss auf unseren Eigengeruch – doch manche Merkmale scheinen über Monate und Jahre auffällig konstant zu bleiben. So könnte sich erklären, warum manche Menschen zuverlässig Mücken anziehen.

„Wenn wir dieses Geheimnis lüften, können wir auf dieser Basis die nächste Generation der Mückenschutzmittel entwickeln“, sagt Matthew DeGennaro, Mückengenetiker an der Florida International University in Miami.

BELIEBT

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    Körpergeruch überdecken – hilft das?

    Die Idee, Mücken gar nicht erst anzulocken, indem man seinen Körpergeruch verändert, liegt nahe. Menschen nutzen jeden Tag duftende Pflegeprodukte: von der Seife übers Deo bis hin zum Shampoo. So getarnt müsste man eigentlich dem Mückenradar entgehen können. Doch ganz so einfach ist es nicht, wie Forschende im Rahmen einer Proof-of-Concept-Studie herausgefunden haben.

    Um zu ermitteln, inwiefern der Geruch von Seife es Mücken erschwert, uns aufzuspüren, wurden Testpersonen Nylonärmel übergestülpt. Ein Arm wurde zuvor mit Seife gewaschen, der andere nicht. Dann wurden die getragenen Ärmel Mücken ausgesetzt und gezählt, wie viele auf dem einen oder anderen landeten. An dem Experiment nahmen mehrere Testpersonen teil, vier unterschiedlichen Sorten Seife wurden getestet.

    Eine überaus überraschende Erkenntnis: In manchen Fällen zogen die Mücken den Geruch gewaschener Haut dem von ungewaschener Haut vor. Dieser Effekt konnte nicht bei allen Seifentypen beobachtet werden, legt aber trotzdem nahe, dass die Inhaltsstoffe der Seife eine untergeordnete Rolle spielen. Wichtiger ist offenbar, wie die chemischen Komponenten mit der individuellen menschlichen Haut reagieren.

    „In allen Seifen, die wir untersucht haben, war ein Stoff namens Limonen vorhanden“, sagt Studienautor Clément Vinauger, Neuroethologe an der Virginia Tech in Blacksburg. „Limonen ist eigentlich dafür bekannt, Mücken abzuwehren – doch bei drei der vier Seifen haben wir einen gegenteiligen Effekt beobachtet.“

    Brauchen wir individuelle Mückenschutzmittel?

    Abhängig von seiner Konzentration und davon, wie er mit der Haut reagiert, kann also ein und derselbe Inhaltsstoff Mücken entweder abstoßen oder anziehen. Vinauger vermutet, dass Mücken – je nachdem, wie die Komponenten miteinander reagieren – eine Kombination entweder als „Pflanze“ oder als „Mensch“ interpretieren.

    Maria Elena De Obaldia, Neurogenetikerin an der Rockefeller University in New York, forscht zum Geruchssinn von Mücken. Dass die Ergebnisse der Studie, an der sie nicht beteiligt war, nicht konsistent sind, überrascht sie nicht. Der Mensch sei für den Lebenskreislauf von Mücken so wichtig, dass die Insekten eine Vielzahl von Mechanismen entwickelt hätten, um uns zu finden. „Ein Signal wäre nicht genug“, sagt sie. „Darum verfügen sie über ein solides System mit dem sie eine ganze Reihe verschiedener Gerüche wahrnehmen – und das ist schwer zu durchblicken.“

    In der zweiten Phase der Studie analysierten die Forschenden die verschiedenen chemischen Kombinationen in den Nylonärmeln. Auf dieser Basis stellten sie künstliche Geruchsmischungen her, die auf ihren Erkenntnissen beruhend auf die Mücken abstoßend oder anziehend wirken sollten. Anschließende Tests zeigten laut Studienautorin Chloé Lahondère, Entomologin an der Virginia Tech, dass die Mücken in überwältigender Zahl die anziehende Mischung bevorzugten.

    Sie hofft, dass es mithilfe weiterer Studien mit mehr Testpersonen irgendwann möglich sein wird, individuelle Empfehlungen zu geben, welche Seife in Verbindung mit dem persönlichen Körpergeruch Mücken am besten fernhält.

    Wie kann man sich vor Stechmücken schützen?

    Bis es soweit ist, empfiehlt Studienautor Vinauger Pflegeprodukte zu nutzen, die nach Kokos riechen. Dieser Duft hat sich im Rahmen der Studie als für Mücken besonders unattraktiv herausgestellt. „Weil der persönliche Körpergeruch auch eine Rolle spielt, sollte man verschiedene Produkte ausprobieren, um herauszufinden, welches am besten hilft“, sagt er.

    Lahondère schlägt vor, sich ein Beispiel an den Mückenforschenden zu nehmen. „Wenn wir Mücken fangen, tragen wir helle Kleidung mit langen Ärmeln. Dunkle Farben ziehen sie eher an.“

    Das wirksamste Mittel gegen Mücken ist derzeit noch immer der traditionelle Mückenschutz mit Diethyltoluamid (DEET). Experten raten dazu, diesen auf jeden Fall zu nutzen, wenn man in eine Region reist, in der Krankheiten, die von Mücken übertragen werden, endemisch sind. Zwar könnten auch natürliche Mittel wie Zitroneneukalyptusöl helfen, diese seien aber weitaus weniger effektiv und müssten häufiger aufgetragen werden.

    Matthew DeGennaro sieht die Zukunft der Mückenabwehr im menschlichen Hautmikrobiom und „der Entwicklung probiotischer Lösungen, die es so verändern, dass es uns vor Mückenstichen schützt.“

    Maria Elena De Obaldia zufolge ist diese Forschung wesentlich, wenn wir mit der Evolution der Mücken Schritt halten wollen. Einige Spezies würden beispielsweise inzwischen früher am Tag stechen, weil Moskitonetze uns nachts in unseren Betten vor ihnen schützen. „Nur wenn wir wissen, wie Mücken uns finden und wodurch wir sie anziehen, können wir effektive Schutzmittel entwickeln“, sagt sie.

     Dieser Artikel wurde ursprünglich in einer längeren Fassung in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht. 

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