Unser Aussehen beeinflusst schon im Kindesalter unser Selbstwertgefühl
Oftmals entscheidet unser Äußeres, wie wir in der Gesellschaft wahrgenommen werden – und wie wir uns selbst bewerten. Eine neue Studie zeigt: Schon im Kindesalter ist der eigene Selbstwert stark vom Aussehen abhängig.
Wie zufrieden Kinder mit sich selbst sind, kann sehr unterschiedlich sein. Das Äußere spielt dabei schon in jungen Jahren eine entscheidende Rolle.
Was magst du an dir selbst? Eine Frage, die manchmal gar nicht so leicht zu beantworten ist – und auf die es, je nach Person, die verschiedensten Antworten geben kann. Vom Aussehen über den Intellekt bis hin zu sportlichen Leistungen oder sozialen Fähigkeiten.
All diese Bewertungen unseres Selbst, unserer Eigenschaften und unserer Fähigkeiten bilden unser sogenanntes Selbstwertgefühl. Es entwickelt sich bereits im mittleren bis älteren Kindesalter, zwischen acht und 12 Jahren. Forschende haben nun herausgefunden: Die größte Rolle spielt dabei das Aussehen – noch weit vor den eigenen Fähigkeiten oder den sozialen Beziehungen.
Seine Studie veröffentlichte das Team um Yixin Tang und Eddie Brummelman, Psycholog*innen vom Forschungsinstitut für Kindesentwicklung und Bildung an der Universität Amsterdam in der Zeitschrift International Journal of Behavioral Development. Sie ist die derzeit größte wissenschaftliche Erhebung über die Entstehung des Selbstwertgefühls im Kindesalter.
Kindliches Selbstwertgefühl ist weltweit vom Aussehen abhängig
Um herauszufinden, welche Parameter den meisten Einfluss auf das frühe Selbstwertgefühl haben, nutzten die Psycholog*innen des Forschungsteams eine weltweite Meta-Analyse. Die rund 33.000 Kinder waren im Alter von acht bis 12 Jahren und wurden zu ihrer Selbstwahrnehmung befragt. Sie stammten aus 21 Ländern rund um den gesamten Globus – von Amerika über Europa, Afrika und den Nahen Osten bis Asien.
Heraus kam ein sehr eindeutiges Ergebnis: Das Selbstwertgefühl der Kinder wurde am stärksten dadurch beeinflusst, wie zufrieden die Kinder mit ihrem Aussehen waren – und zwar weltweit, unabhängig von ihrer jeweiligen Kultur oder ihrem Geschlecht. Erst mit großem Abstand folgten auch andere Faktoren, die Einfluss auf den Selbstwert der Kinder hatten, darunter positiv bewertete Verhaltensweisen wie Ehrlichkeit oder moralisches Handeln, soziale Beziehungen, akademische Fähigkeiten, sportliche Kompetenzen und die Beziehung zu den Eltern.
Das überraschte die Forschenden, die zuvor angenommen hatten, dass es zumindest Unterschiede zwischen den individualistischen Kulturen in den westlichen Ländern und den kollektivistischen Kulturen in Ostasien, Südamerika oder den afrikanischen Ländern geben könnte.
„Individualistische Kulturen heben Ideale und Normen der persönlichen Unabhängigkeit, Entscheidungsfreiheit und Selbstverwirklichung hervor, während kollektivistische Kulturen im Gegensatz dazu Ideale und Normen der wechselseitigen Abhängigkeit und sozialen Gefüge im Fokus haben“, so die Forschenden. Sie glaubten, dass das Aussehen in individualistischen Kulturen aufgrund dieser starken Fokussierung auf das einzelne Individuum eine größere Rolle spielen würde als in kollektivistischen Kulturen – damit lagen sie jedoch falsch.
Warum ist Kindern ihr Aussehen so wichtig?
Doch wie kommt es dazu, dass Kinder ihr Selbstwertgefühl auf der ganzen Welt vor allem von ihrem körperlichen Aussehen abhängig machen? Dazu stellten die Forschenden einige Thesen auf: Das Äußere ist sehr sichtbar für andere und das erste, was von einer anderen Person beurteilt werden kann – noch bevor eine Eigenschaft wie Intelligenz überhaupt in Erscheinung treten kann.
Gerade die modernen Medien und die Gesellschaft vermitteln rund um die Uhr Schönheitsideale und die Wichtigkeit des Äußeren. Damit wird das sowieso schon gesteigerte Aufmerksamkeitsempfinden für die Bewertungen von Gleichaltrigen und Erwachsenen, das sich bei Kindern in dieser Phase entwickelt, noch befeuert.
Das Schwierige daran: Das Aussehen liegt größtenteils außerhalb der eigenen Kontrolle, macht aber trotzdem viel davon aus, wie man von Gleichaltrigen akzeptiert und von Erwachsenen bewertet wird.
Bessere Unterstützung von Kindern für ein gesundes Selbstwertgefühl
All diese Parameter – die äußere Bewertung, die hohe Sichtbarkeit von Schönheitsidealen, das Realisieren der sozialen Bedeutung des eigenen Aussehens und dessen Unkontrollierbarkeit – tragen zur Entwicklung des Selbstkonzeptes eines Kindes bei. Und sie sorgen dafür, dass ein Kind sein Selbstwertgefühl von Anfang an stark mit seinem Äußeren verknüpft.
Die Ergebnisse der großangelegten Studie sind laut den Forschenden „entscheidend für das Verständnis der Selbstwertentwicklung“. Mithilfe der Studie könnten zukünftig außerdem Möglichkeiten der Intervention und Unterstützung besser angepasst werden, die ein gesundes Selbstwertgefühl bei Kindern fördern.