Wie sich ein trister Sommer auf unsere Psyche auswirkt

Mehr Regen und wenig Sonne: Der Frühsommer in Deutschland war in diesem Jahr bislang düster und nass. Hat das einen Einfluss auf unsere Stimmung? Und wie wirkt sich Wetter allgemein auf unsere Psyche aus?

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 17. Aug. 2023, 16:24 MESZ
Eine Person hält einen roten Schirm, den Rücken zur Kamera. Im Hintergrund ist es grau und ...

Viele vermissen in diesem Jahr die Sommersonne. Hat das schlechte Wetter einen Einfluss auf unser Befinden?

Foto von svetlanais / Adobe Stock

Der Mai 2024 war geprägt von ungewöhnlich viel Regen: Fast doppelt so viel Niederschlag wie im vieljährigen Mittel prasselte laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) auf Deutschland hinab. 2023 ließ sogar der gesamte Sommer zu wünschen übrig: Die Monate Juni und Juli waren durchschnittlich etwa 1,5 Grad kälter als im Vorjahr – die Niederschlagsmenge lag im Juli mit durchschnittlich 100 Litern pro Quadratmeter außerdem weit über dem vieljährigen Mittel von 78 Litern pro Quadratmeter. 

Dabei spielt das Wetter nicht nur bei unserer Urlaubsplanung eine große Rolle – es kann auch unser Befinden beeinflussen. Sonnenlicht wirkt sich beispielsweise nachweislich positiv auf unsere Serotoninproduktion aus: Je mehr Sonne, desto mehr von den sogenannten Glückshormonen werden ausgeschüttet.

Doch geht es uns in einem verregneten Sommer auch gleichermaßen schlechter? Wie sehr wirken sich Sonne und Regen tatsächlich auf unsere Psyche aus?

Auswirkung von Regen auf die Psyche

„Es wird allgemein angenommen, dass das Wetter die Stimmung der Menschen beeinflusst. Zum Beispiel glauben die meisten Menschen, dass sie an Tagen mit viel Sonnenschein glücklicher sind als an dunklen und regnerischen Tagen“, sagt Nina Dalkner, habilitierte Psychologin an der Medizinischen Universität Graz. Allerdings sei dieser Zusammenhang wissenschaftlich bislang nur wenig untersucht worden. 

Regenwetter löst bei vielen von uns negative Gefühle aus – gerade im Sommer. Bisherige Untersuchungen bestätigen den Einfluss von Wetter auf die Psyche.

Foto von Ave Calvar Martinez / Pexels

Die Studien, die es bereits gibt, bestätigen die Annahme jedoch: Das Wetter hängt mit unserer Stimmung zusammen. Eine Untersuchung aus Dänemark zeigt beispielsweise, dass Menschen an bedeckten Tagen häufiger depressive Symptome wahrnehmen als an sonnigen Tagen. Einer weiteren Studie aus dem Jahr 2017 zufolge, konnte außerdem nachgewiesen werden, dass die Proband*innen bei wärmeren Temperaturen etwas fröhlicher und zufriedener waren, bei Regen oder Schnee hingegen etwas trauriger und unzufriedener. Zusätzlich zeigt eine Studie aus dem Jahr 2019, dass ein Zusammenhang zwischen Regentagen und einer weniger optimistischen Einstellung gegenüber Politik und Gesellschaft besteht.

Aber nicht nur vereinzelte regnerische Tage, sondern auch ein besonders verregneter Sommer kann unser Befinden beeinflussen. „Die Vorfreude auf den Sommer und auf schönes Wetter ist bei vielen Menschen spürbar. Das psychologische Phänomen dahinter heißt Antizipation“, so Dalkner. „Wenn der Sommer dann jedoch verregnet und grau ist, kann dies tatsächlich einen negativen Einfluss auf die Stimmung haben.“ 

Man dürfe allerdings nicht vergessen, dass dabei auch unzählige weitere Faktoren eine Rolle spielen, darunter die persönlichen Lebensumstände, die genetische Veranlagung, die Schlafqualität oder die Qualität der sozialen Beziehungen.

Auf die Persönlichkeit kommt es an

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    “Nicht jeder reagiert auf die gleiche Weise auf bestimmte Wetterbedingungen.”

    von Nina Dalkner, Psychologin

    Grob verallgemeinern kann man den Einfluss verschiedener Wetterlagen auf die Stimmung der Menschen ohnehin nicht – denn auch die Persönlichkeitsstruktur spielt laut Dalkner eine wichtige Rolle. „Nicht jeder reagiert auf die gleiche Weise auf bestimmte Wetterbedingungen“, so die Psychologin. Sie zitiert eine Studie aus den Niederlanden, in der die selbst-berichtete tägliche Stimmung verschiedener Mutter-Kind-Paare mit objektiven Wetterdaten verknüpft wurde, um verschiedene Wetterreaktivitätstypen zu identifizieren. 

    Dabei zeigte sich, dass Menschen sehr unterschiedlich auf warme und sonnige sowie regnerische Wetterlagen reagierten. Manche hatten bessere Stimmung bei wärmerem und sonnigerem Wetter, andere zeigten schlechtere Laune bei derselben Wetterlage. Einige hatten besonders schlechte Stimmung an Regentagen, bei anderen bestand allgemein nur ein schwacher Zusammenhang zwischen Wetter und Stimmung. Diese Vorlieben ähnelten sich darüber hinaus bei Müttern und ihren Kindern – der Einfluss verschiedener Wetterlagen auf die Befindlichkeit könnte somit in der Familie liege.

    Das bestätigt auch die Studie aus Dänemark. Während zwar ein Großteil von Menschen bei bedecktem Wetter eine schlechtere Stimmung angab, waren diese Zahlen bei Regenwetter nicht eindeutig: Vielen Proband*innen schlug der Regen zwar negativ auf die Stimmung, genauso viele gaben aber auch an, keine Verschlechterung ihrer Stimmung feststellen zu können. Und auch solche Menschen, die an Regentagen besonders gute Laune haben, gab es.

    Depressive Verstimmung durch den Sommer

    So ist sonniges Wetter kein Garant für bessere Laune – für manche bedeutet Sommer sogar das Gegenteil. Sie leiden unter der sogenannten Sommerdepression. Dieses Phänomen tritt auf, wenn sich Menschen bei sonnigem und warmem Wetter besonders schlecht fühlen oder gar eine depressive Verstimmung wahrnehmen. In einem Blogbeitrag der Medizinischen Universität Graz erklärt Dalkner, dass die veränderte Melaninproduktion im Körper eine mögliche Ursache dafür sein könnte. 

    Melatonin ist ein Botenstoff, der unseren Schlaf-Wach-Rhythmus regelt und dessen Ausschüttung im Sommer durch die längeren Tage möglicherweise gestört wird. Dadurch kann es zu einer inneren Unruhe, Schlafstörungen und vermutlich auch zu tatsächlichen depressiven Verstimmungen kommen. Auch der Serotoninspiegel, der im Sommer durch das Sonnenlicht eigentlich höher sein sollte, kann durch den veränderten Tagesrhythmus im Sommer – durch Ferien, Urlaube, mehr Aktivität und lange Tage – sinken.

    Hitze und mentale Gesundheit

    Gefährlich wird es außerdem, wenn die Sonne gar nicht mehr aufhört zu scheinen und es heiß wird. Studien zeigen: Hitzewellen schlagen nicht nur auf die körperliche Gesundheit, sondern auch auf die Psyche. So zeigt eine Untersuchung aus Australien, dass die Hospitalisierungsrate bereits psychisch erkrankter Menschen bei einer Temperatur von über 27 Grad Celsius ansteigt. 

    Eine weitere Studie bestätigt: „Wenn die Temperaturen steigen, werden die Belastungen des täglichen Lebens zuhause, in sozialen Netzwerken und am Arbeitsplatz wahrscheinlich noch verstärkt, insbesondere bei Personen mit akuten oder chronischen psychischen Problemen.“ So komme es während längerer Hitzeperioden häufiger zu Reizbarkeit und Gewalt. Kurz: Hitze macht aggressiv

    Eine verallgemeinerbare Antwort, wie sich das schlechte Wetter auf unsere Psyche auswirkt, gibt es also nicht. Klar ist nur: Das Wetter hat einen Einfluss auf unsere Stimmung. Und ein verregneter Sommer wie dieser geht für manche von uns tatsächlich mit schlechterer Stimmung einher – denn Regentage bedeuten oft soziale Isolation.

    Dalkner betont in diesen Fällen die Wichtigkeit des gesellschaftlichen Zusammenhaltes: „Gesellschaften können in verregneten Zeiten ihre Widerstandsfähigkeit, ihre Verbundenheit und ihre Fähigkeit, mit Enttäuschungen umzugehen, unter Beweis stellen. So können zum Beispiel soziale Unterstützung und ein gutes Angebot an Indoor-Aktivitäten eine wichtige Rolle spielen.“

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