Von den Beatles bis Taylor Swift: Ist Popmusik einfacher geworden?

Popsongs haben heute teilweise keinen guten Ruf. Zu eintönig finden manche die neuen Kompositionen. Tatsächlich haben sich die größten Hits der Branche in den letzten Jahrzehnten stark verändert – das hat Einfluss auf ihre Qualität.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 19. Juli 2024, 11:50 MESZ
Platten in einer Box. Auf dem Cover der ersten: Bruce Springsteen mit "Born in the USA".

Wieder in Mode: Popmusik auf Schallplatten. 

Foto von Jose Antonio Gallego Vázquez / Pexels

Was haben „Hey Jude“ von den Beatles, „Believe“ von Cher und „Anti-Hero“ von Taylor Swift gemeinsam? Ohne Zweifel: Sie sind Pop-Ohrwürmer, die ganze Jahrzehnte und Generationen geprägt haben. Und sie wurden jeweils zu den Hits ihres Jahres ernannt – mit Platzierungen in den Top 5 der US-amerikanischen Billboard-Charts. 

Zwischen den Melodien der Beatles und denen von Taylor Swift liegen über 50 Jahre Musikgeschichte – und trotz ähnlich hoher Chartplatzierungen ein abnehmender Grad an Komplexität. Das haben Forschende der Queen Mary University London herausgefunden, als sie sich mit den größten Pophits von 1950 bis 2023 beschäftigt haben. Ihre Feststellung: Popmelodien sind in den letzten 70 Jahren einfacher geworden – insbesondere seit 2000. 

New Wave-, Rock- und Hip-Hop-Einflüsse: So veränderte sich die Popmusik

In der Studie, die in der Zeitschrift Scientific Reports erschien, konzentrierte sich das Forschungsteam um Informatikerin Madeline Hamilton auf die fünf Songs, die in jedem Jahr die Spitze der US Billboard-Charts erreichten. Mithilfe von Algorithmen und mathematischen Modellen analysierten sie die Melodien der insgesamt 366 Lieder auf ihre Tonhöhen und ihre rhythmische Struktur. 

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Dabei konnte das Team zeigen: Es gibt zwei große „melodische Revolutionen“ in der Geschichte der Popmusik – eine im Jahr 1975 und eine im Jahr 2000. Darüber hinaus gibt es mäßige Hinweise auf eine kleinere Revolution im Jahr 1996. An diesen Wendepunkten konnte das Team eine starke Veränderung der populären Melodien wahrnehmen. „Die melodische Revolution von 1975 manifestiert sich möglicherweise im Aufstieg der Genres New Wave, Disco und Mainstream-Rock“, heißt es in der Studie. Die musikalischen Umbrüche in den Jahren 1996 und 2000 führt das Team auf den schleichenden Niedergang des Mainstream-Rocks und den rasanten Aufstieg des Hip-Hops zurück. 

Warum wird Popmusik simpler?

Außerdem nimmt die Komplexität der (Gesangs-)Melodien über die Zeit ab. Besonders ab 2000 werden diese laut der Studie simpler: Die Tonhöhen variieren weniger, die rhythmische Struktur ist eingängiger. Gleichzeitig konnten die Forschenden aber auch eine Zunahme der Notendichte in der Popmusik verzeichnen. 

BELIEBT

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    Trommelnde Menschen.

    Ihre Erklärung für diese Phänomene: Die abnehmende Komplexität der Melodien könnte eine Reaktion auf die zunehmende Komplexität in anderen musikalischen Dimensionen sein. Denn laut den Forschenden könne heute jede*r mit einem Laptop und einer Internetverbindung jeden erdenklichen Klang erzeugen. Dadurch würden die klanglichen Möglichkeiten plötzlich viel größer als noch vor wenigen Jahrzehnten. „Der Schwerpunkt der Komposition könnte sich allmählich von der Schaffung interessanter Melodien auf die Schaffung interessanter Klangfarben verlagern“, heißt es dazu in der Studie. Diese Annahme stützt sich auf eine Studie aus dem Jahr 2015: Demnach erreichte die musikalische Vielfalt in Bezug auf Klangfarbe und Harmonie in den 2000er Jahren einen ersten Höhepunkt. 

    Eine andere Hypothese des britischen Forschungsteams zielt auf unseren modernen Alltag ab. Der rasante Lebensstil, der technologische Fortschritt, die allgegenwärtige Flut an Informationen überforderten die Menschheit schon so sehr, dass die geistigen Kapazitäten zu sehr eingeschränkt seien, um wirklich komplexe oder neuartige Kunst für die breite Masse zu schaffen oder derartige Musik im Alltag zu genießen. Die Studien, die diese Annahmen bestätigen könnten, sind allerdings noch Zukunftsmusik. 

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