Hirnforschung: Wo entsteht unsere Kreativität?
Ob spontane Einfälle, Workarounds oder besonders fantasievolle Geschichten oder Gemälde: Kreativität ist in vielen Bereichen des Lebens hilfreich. Doch woher kommt sie überhaupt? Und wie kann man die eigene Kreativität fördern?
Die Frage danach, wo in unserem Gehirn kreative Gedanken entstehen, ist schon lange Gegenstand der Hirnforschung. Eine neue Studie hat nun einen Teil der Antwort gefunden.
Obwohl bereits große Teile des Gehirns erforscht sind, liegen die Funktionsweisen unzähliger Vorgänge noch im Dunkeln – vor allem jene, die keiner konkreten Region im Gehirn zugeschrieben werden können. Dazu gehört auch die Kreativität.
Denn während wir mittlerweile zum Beispiel wissen, dass bei der Entstehung von Angst die Amygdala eine Rolle spielt und bewusste Bewegungen in der sogenannten prämotorischen Rinde gesteuert werden, konnte ein ,Zentrum der Kreativität‘ im Gehirn bislang nicht entdeckt werden.
Ursprung der Kreativität im Ruhezustandsnetzwerk?
Eine aktuelle Studie hat sich dennoch mit der Frage beschäftigt, wie Kreativität im Hirn entsteht und wie sie gefördert werden kann. Denn obwohl sie bislang keiner Hirnregion richtig zugeordnet werden kann, gibt es trotzdem Hinweise darauf, dass einige Regionen bei ihrer Entstehung eine wichtigere Rolle spielen als andere.
In der Studie rückt das sogenannte Default Mode Network (DMN) in den Mittelpunkt der Forschung. Das DMN ist ein Netzwerk, das im Gehirn für Gedankenabläufe zuständig ist, die unabhängig von konkreten Handlungen oder Aufgaben im Ruhezustand stattfinden. „Im Gegensatz zu den meisten Funktionen, die wir im Gehirn haben, ist das DMN nicht zielgerichtet“, sagt Ben Shofty, Neurochirurg und Hauptautor der Studie. „Es ist ein Netzwerk, das im Grunde die ganze Zeit über funktioniert und unseren spontanen Bewusstseinsstrom aufrechterhält.“
Das DMN ist bei der Meditation, beim Tagträumen und anderen nach innen gerichteten Denkweisen aktiv und im Gehirn über mehrere Regionen hinweg verteilt. Um die Aktivität des DMN zu messen, müssen deshalb fortschrittliche bildgebende Methoden genutzt werden. Normalerweise werden diese dazu verwendet, epileptische Anfälle im Gehirn zu untersuchen.
Kreative Ideen starten im DMN
Diese bildgebenden Verfahren nutzen die Forschenden für ihre Studie. Während sie die Aktivität im DMN ihrer Proband*innen maßen, mussten sich diese neue Verwendungsmöglichkeiten für alltägliche Objekte ausdenken, beispielsweise für einen Stuhl oder eine Tasse. Beim Brainstorming für Ideen leuchtete das DM-Netzwerk auf, bevor sich die Hirnaktivität mit anderen Regionen synchronisierte, die normalerweise beim Lösen komplexer Probleme oder beim Treffen von Entscheidungen aktiv werden. Laut den Forschenden bedeutet das, dass kreative Ideen im DMN entstehen und dann von anderen Hirnregionen geprüft und bewertet werden.
Auf diese Weise wurde die Aktivität im Gehirn der Teilnehmenden für die Forschenden sichtbar.
Ein zweiter Versuch, bei dem die Forschenden mithilfe von Elektroden die Aktivität bestimmter Regionen des DMN ausschalteten, bestätigte ihre Hypothese. Bei diesem Durchlauf kamen die Menschen auf weniger ausgefallene und kreative Ideen in Bezug auf die alternativen Funktionsweisen der Gegenstände.
Wie können wir kreativer werden?
Künftig will Shofty Wege finden, Menschen zu helfen, denen kreatives Denken schwerfällt. „Das Ziel wäre es, zu verstehen, was in dem Netzwerk passiert, sodass wir es möglicherweise zu mehr Kreativität anregen können“, sagt er.
Erste Ansätze zum Verbessern der Kreativität gibt es bereits. Eine Studie aus dem Jahr 2020 hat beispielsweise die Verbindung zwischen Achtsamkeitsübungen und Kreativität untersucht. Dabei fanden die Autor*innen heraus, dass das regelmäßige Ausüben von sogenannten „mind-wandering activities“, bei denen durch Brainstorming neue Ideen entwickelt werden, die Kreativität steigert.
Zu diesen Aktivitäten gehört auch die Meditation. „Bewusstes Umherschweifen der Gedanken kann zu neuen Ideen oder neuen Verbindungen anregen“, heißt es in der Studie. Fördern kann man Kreativität somit vermutlich genau durch das Üben jener Aktivitäten, für die das DMN verantwortlich ist.