Vitamin D-Präparate: Mehr Schaden als Nutzen?

In der dunklen Jahreszeit soll Vitamin D in Tablettenform einem Mangel vorbeugen. Ob die Einnahme gesundheitliche Risiken birgt, haben nun Forschende des Deutschen Krebsforschungszentrums untersucht.

Wenn die Sonne nicht scheint, kann man mit Vitamin D-Tabletten dafür sorgen, dass die Knochen mit ausreichend Kalzium versorgt werden.

Foto von Elsa Olofsson / Unsplash
Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 15. Okt. 2024, 14:41 MESZ

Der menschliche Körper braucht Vitamin D, um den Knochen Mineralstoffe wie Kalzium und Phosphat zuzuführen. Bekommt er nicht genug davon, kann das im schlimmsten Fall Erkrankungen wie Osteoporose und Verformungen der Knochen verursachen. Nur sehr geringe Mengen des Vitamins werden über die Nahrung aufgenommen. Den größten Teil – zwischen 80 und 90 Prozent – bildet der Körper selbst: durch sogenannte Eigensynthese mithilfe des Sonnenlichts.

Doch in Deutschland scheint die Sonne lediglich von März bis Oktober intensiv genug, um den täglichen Bedarf zu decken. Im Herbst und Winter ist die für die Bildung des Vitamins nötige UV-B-Strahlung nicht stark genug. Im jährlichen Durchschnitt liegt darum bei rund 15 Prozent der deutschen Erwachsenen ein ausgeprägter Vitamin D-Mangel vor. Dagegen helfen sollen Vitamin D-Präparate.

Gut für die Knochen, schlecht für die Gefäße?

Beim Griff zur Tablette sind viele inzwischen allerdings vorsichtig geworden, denn verschiedene Studien warnen davor, dass eine Überdosierung von Vitamin D zur Hyperkalzämie – einem erhöhten Kalziumspiegel – führt. Diese kann ernste Folgen für die Gesundheit haben: von Nierensteinen bis hin zur Atherosklerose, also Arterienverkalkung.

Bringt man also, indem man seine Knochen schützt, die Gefäße unweigerlich in Gefahr? Das haben Forschende des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) untersucht, deren Studie in der Zeitschrift nutrients erschienen ist. Darin geben sie Entwarnung: Ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Vitamin D- und Multivitamin-Präparaten und dem Auftreten von Nierensteinen und Atherosklerose konnte nicht gefunden werden.

Was tun Vitamine eigentlich?

Zu dieser Erkenntnis kommen die Studienautor*innen, nachdem sie die Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen Kalziumstoffwechsel und der Menge an Vitamin D im Blut systematisch untersucht haben. Ihre Analyse basiert auf Daten aus der UK Biobank, die Gesundheitsdaten von etwa einer halben Million Brit*innen im Alter von 40 bis 69 Jahren umfasst. Diese haben auch Angaben zu ihrer persönlichen Nutzung von Vitaminpräparaten gemacht: Vier Prozent von ihnen schluckten regelmäßig Vitamin D-, 20 Prozent Multivitamintabletten, in denen Vitamin D in geringer Dosierung vorhanden ist.

Wie viel Vitamin D ist zu viel?

Bei Personen, die die Präparate einnahmen, stieg die Wahrscheinlichkeit für eine Hyperkalzämie zwar um 46 beziehungsweise 11 Prozent. Allerdings erkrankten Personen mit dem Befund nicht häufiger an Arterienverkalkung oder Nierensteinen als Personen ohne Hyperkalzämie.

„Erfreulicherweise konnten wir keinen Zusammenhang mit Erkrankungen feststellen, die auf eine erhöhte Kalziumkonzentration im Blut zurückzuführen sind“, sagt Studienautor Ben Schöttker, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung für Klinische Epidemiologie und Alternsforschung am DKFZ.

Beim Vergleich der beiden Gruppen – Personen mit und ohne Hyperkalzämie – konnte kein statistischer Zusammenhang zwischen der Einnahme von Vitamin D-Präparaten und dem Blutkalziumspiegel festgestellt werden. Die Forschenden schließen daraus, dass nicht die Nahrungsergänzungsmittel, sondern andere, zum Beispiel erbliche Faktoren, die Hyperkalzämie verursachen.

BELIEBT

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    „Die Studienergebnisse zeigen, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten in der britischen Bevölkerung als sicher angesehen werden kann“, sagt Studienautorin Sha Sha vom DKFZ. „Diese Ergebnisse sind auf Deutschland übertragbar.“

    Voraussetzung für eine bedenkenlose Einnahme ist, dass die Präparate nicht überdosiert werden. Damit das passiert, müssten jedoch über einen längeren Zeitraum extrem hohe Dosen Vitamin D eingenommen werden. „Die übliche Vitamin D-Dosierung liegt in der EU zwischen 400 und 4.000 internationalen Einheiten (I.E.) pro Tag“, so Sha. „Unerwünschte Wirkungen einer Überdosierung wurden dagegen in klinischen Studien erst ab einer Tagesdosis von 10.000 I.E. beobachtet.“

    Krebstodesfälle verhindern

    Laut Studienautor Hermann Brenner, Epidemiologe am DKFZ, sind die Studienergebnisse für die Abwägung von Nutzen und Risiken einer Vitamin D-Supplementierung hoch relevant – und das nicht nur für alle, die die Präparate zum Schutz ihrer Knochen einnehmen, sondern auch für eine andere Gruppe: Krebspatient*innen. Sie leiden besonders häufig an Vitamin D-Mangel.

    Nach derzeitigem Kenntnisstand schützt die Einnahme von Vitamin D nicht davor, an Krebs zu erkranken. Eine frühere klinische Studie des DKFZ hat aber ergeben, dass die tägliche Einnahme niedrig dosierter Vitamin D-Präparate das Risiko, an der Krankheit zu sterben, um 12 Prozent reduziert. „Eine dem Bedarf angepasste Vitamin D-Supplementierung in maßvoller Dosierung könnte einen wichtigen und sehr kostengünstigen Beitrag zur Prävention von Krebstodesfällen und verschiedenen Erkrankungen leisten“, so Brenner.

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