Überraschende Studie: Warum wir im Winter öfter erkältet sind

In der kalten Jahreszeit häufen sich Infektionen der oberen Atemwege. Forschende der Harvard University liefern nun eine biologische Antwort auf die Frage, wie genau Kälte krank macht.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 14. Dez. 2022, 09:56 MEZ
Eine Frau putzt sich die Nase draußen im Schnee.

Je kälter die Außentemperatur, desto wahrscheinlicher ist es, dass man sich erkältet. Eine neue Studie erklärt, warum das so ist.

Foto von Shi / adobe Stock

Der Winter kommt und mit ihm die Erkältungszeit. Kaum sinken die Temperaturen, ist man von hustenden, verschnupften Menschen umgeben oder muss selbst einen Atemwegsinfekt auskurieren. Die Viren, die diese Erkrankungen hervorrufen, zirkulieren das ganze Jahr über in der Bevölkerung – warum sind sie also in der kalten Jahreszeit so viel erfolgreicher als im Sommer?

„Bisher wurde angenommen, dass Erkältungen und Grippe vor allem in den kühleren Monaten auftreten, weil sich die Menschen dann mehr in geschlossenen Räumen aufhalten, sodass die Viren sich leichter verbreiten können“, erklärt Benjamin Bleier, Professor für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde an der Harvard Medical School in Boston, Massachusetts. In einer neuen Studie, die im Journal of Allergy and Clinical Immunology veröffentlicht wurde, liefern er und sein Forschungsteam nun einen ersten Beweis dafür, dass der Anstieg von Atemwegsinfekten im Winter auch biologische Gründe hat.

Immunreaktion in der Nase

Die meisten erkältungsauslösenden Krankheitserreger dringen über die Nase in unseren Körper ein. Sie werden entweder eingeatmet oder gelangen direkt – zum Beispiel über die Hände – in den vorderen Teil der Nase. Von hier aus bahnen sie sich ihren Weg in die Zellen und infizieren die oberen Atemwege.

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Wie sich die Atemwege vor diesen Angriffen schützen, war lange nur unzureichend erforscht. Erst im Jahr 2018 entdeckten Bleier und der Pharmakologe Mansoor Amiji von der Northeastern University in Boston eine Immunreaktion in der Nase, die beim Einatmen von Bakterien in Gang gesetzt wird: Nachdem sie den Erreger erkannt haben, setzen die Nasenzellen Milliarden winziger, flüssigkeitsgefüllter Sekretkügelchen – sogenannte extrazelluläre Vesikel (EV) – frei, die die Angreifer umgeben und unschädlich machen. Die EVs transportieren außerdem antibakterielle Proteine entlang der Atemwege, die die Zellen zusätzlich gegen Bakterien schützen. Laut Bleier ist die Immunantwort vergleichbar mit dem „Tritt in ein Hornissennest“, der eine ebenso aggressive Abwehrreaktion zur Folge hat.

Im Rahmen der neuen Studie wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob die Verteidigungslinie in der Nase Viren auf dieselbe Weise bekämpft wie Bakterien. Hierfür testeten sie die Reaktion von Zellen und Nasengewebeproben auf drei verschiedene Virenarten: ein einzelnes Coronavirus und zwei Rhinoviren, die Erkältungen auslösen.

Sie beobachteten, dass die EV-Schwarmreaktion auch bei Kontakt mit Viren ausgelöst wird – allerdings über einen anderen Signalweg als beim Eindringen von Bakterien. Außerdem stellten die Forschenden fest, dass die EVs den Viren eine Falle stellen: Sie sind mit Rezeptoren besetzt, an die die Viren andocken, statt sich an eine Nasenzelle zu binden.

„Je mehr dieser Lockvögel vorhanden sind, desto mehr Viren werden im Schleim aufgefangen, bevor sie die Chance haben, in eine Nasenzellen einzudringen“, erklärt Di Huang, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Northeastern University und Mitautorin der Studie. Auf diese Weise werde die Infektion unterdrückt.

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    Wie hängen Kälte und Erkältung zusammen?

    Doch welche Verbindung besteht zwischen nasaler Immunabwehr und winterlicher Erkältungswelle? Um das herauszufinden, setzte das Forschungsteam freiwillige Testpersonen 15 Minuten lang Temperaturen von rund 4 Grad Celsius aus und maß die Innentemperatur in ihren Nasen. Die ermittelten Temperaturwerte übertrugen sie auf die Nasenzellenproben. Das Ergebnis: Die abgekühlten Nasenzellen setzen fast 42 Prozent weniger EVs frei als bei wärmeren Umgebungstemperaturen. Die Immunreaktion war dadurch stark abgeschwächt. „Damit liefern wir eine Erklärung für die saisonalen Schwankungen bei Infektionen der oberen Atemwege“, sagt Di Huang.

    „Wir haben einen neuen Immunmechanismus in der Nase aufgedeckt und gezeigt, was ihn beeinträchtigt“, so Mansoor Amiji. „Die Frage ist nun, wie wir dieses natürliche Phänomen nutzen können, um einen Abwehrmechanismus in der Nase zu schaffen und den Schutz zu verstärken – insbesondere in den kälteren Monaten.“

    Potenzial sehen die Forschenden bei medikamentösen Therapieformen. Auf Basis der Erkenntnisse aus der Studie könnte zum Beispiel ein Nasenspray entwickelt werden, das die EV-Menge in der Nase steigert oder die Zahl der Bindungsrezeptoren an den Vesikeln erhöht.

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