Mit dem Rauchen aufhören – mithilfe der Wissenschaft
Welche Methode hat am meisten Erfolg bei der Entwöhnung? Sind Vapes wirklich gesünder als Zigaretten? Und worauf muss man achten, wenn man mit ihrer Hilfe rauchfrei werden will? Aktuelle Studien zeigen den Weg aus der Nikotinsucht.
Laut dem Bundesgesundheitsministerium hat die Zahl der Raucher*innen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten erheblich abgenommen. Trotzdem konsumiert noch immer etwa jeder Fünfte Tabak.
An keinem anderen Tag im Jahr dürften so viele vermeintlich letzte Zigaretten geraucht werden, wie am 31. Dezember: Laut einer Umfrage der Online-Statistik-Plattform Statista, hatten 18 Prozent der Befragten sich für 2025 vorgenommen, mit dem Rauchen aufzuhören.
Gute Gründe dafür gibt es viele. Laut einer im Dezember 2024 veröffentlichten Studie von Forschenden des University College London (UCL) verkürzt jede gerauchte Zigarette das Leben um 20 Minuten. Neben den zahlreichen bekannten Schäden für die Gesundheit haben Forschende der Washington University im Januar 2024 bekannt gemacht, dass das Rauchen außerdem auch das Gehirn irreversibel schrumpfen lässt.
„Das klingt schlimm, und das ist es auch“, sagt Laura J. Bierut, Hauptautorin der Studie. „Eine Verringerung des Hirnvolumens steht im Zusammenhang mit zunehmender Alterung. Das ist eine wichtige Erkenntnis, weil sowohl das Altern als auch das Rauchen Risikofaktoren für Demenz sind.“
Wissenschaftlich entkräftet ist nun auch die Annahme, Rauchen würde das Körperfett reduzieren. Zwar bringen Raucher*innen in der Regel weniger Gewicht auf die Waage, doch das ist trügerisch. Dänische Forschende haben nämlich herausgefunden, dass Rauchen zu einer Zunahme an viszeralem Bauchfett führt, das die Verdauungsorgane umgibt und von außen nicht zu erkennen ist. Ist es in zu großen Mengen vorhanden, steigt das Risiko für Herzerkrankungen, Diabetes, Schlaganfälle und Demenz.
Nikotinsucht: Wie groß ist die Abhängigkeit?
Ein ungefährliches Maß des Tabakkonsums gibt es nicht: Das Risiko eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarkts ist bei Menschen, die nur eine Zigarette pro Tag rauchen, lediglich um 50 Prozent geringer als bei Menschen, die pro Tag 20 Zigaretten rauchen. Daten von Herzinfarktpatienten haben gezeigt, dass ein Rauchstopp nach einem Infarkt das Risiko eines weiteren um fast die Hälfte senkt – die Zahl der gerauchten Zigaretten nur zu reduzieren, hatte in dieser Hinsicht gar keinen Effekt.
„Mit dem Rauchen aufzuhören, ist in jedem Alter vorteilhaft”, heißt es in der UCL-Studie. „Je früher man den Absprung von dieser Rolltreppe in den Tod schafft, desto länger und gesünder kann man leben.”
“Tabak ist unter den legalen Konsumgütern einzigartig tödlich. ”
Doch so einfach ist das nicht, denn Nikotin macht sehr schnell und sehr stark abhängig. Wie fest die Sucht einen im Griff hat, kann man mit dem Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit (FTZA) ermitteln. Laut einer Studie der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim ist der Heaviness of Smoking Index (HSI) aber ebenso aussagekräftig. Dieser umfasst lediglich zwei Fragen: Wie viele Zigaretten werden pro Tag geraucht und wie viel Zeit vergeht nach dem Aufwachen bis zur ersten Zigarette des Tages?
Geerbtes Laster: Gibt es ein Rauchergen?
Neben sozialen und umweltbedingten Faktoren haben die Gene einen wesentlichen Anteil an der Nikotinsucht. „Wir wissen, dass Rauchen in hohem Maße vererbbar ist, wobei genetische Unterschiede 40 bis 75 Prozent der Unterschiede im Rauchverhalten ausmachen“, sagt Pamela Romero Villela, Verhaltensgenetikerin an der University of Colorado at Boulder. Sie ist Hauptautorin einer Studie, die die Genvariante rs16969968 untersucht hat, die am häufigsten mit dem Rauchverhalten in Zusammenhang gebracht wird. Sie bestimmt, wie gut sich Nikotin an die Rezeptoren im Gehirn bindet.
Menschen mit der sogenannten AA-Version der Variante sind weniger empfindlich für Nikotin und rauchen dementsprechend mehr. Das Studienteam hat jedoch herausgefunden, dass bei Personen, die zusätzlich eine andere Genvariante in ihrem Genom aufweisen, diese Wirkung deutlich abgeschwächt ist. Das Fazit: Das eine Rauchergen gibt es nicht. Vielmehr ist der genetische Einfluss auf das Rauchverhalten das Produkt des Zusammenspiels verschiedener Genvarianten.
„Nikotin ist eine der am schwersten aufzugebenden Drogen“, so Romero Villela. „Je besser wir verstehen, was diese Gene bewirken und wie sie zusammenspielen, desto besser können wir personalisierte Ansätze entwickeln, die Menschen beim Aufhören helfen.“
Was der Tabakkonsum über die Persönlichkeit aussagt
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2024 hat zudem ermittelt, dass auch die Persönlichkeit bestimmt, wie und ob wir Tabak konsumieren. Die Autor*innen untersuchten Daten von fast 10.000 Rauchern aus 11 europäischen Ländern und stellten einen Zusammenhang zwischen dem Rauchverhalten und den Big-Five-Persönlichkeitsmerkmalen fest.
Ihnen zufolge punkten Raucher*innen bei der Extraversion, sind also gesellige Typen. Dafür schneiden sie in den Bereichen Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit eher schlecht ab, was sich in einem Mangel an Selbstdisziplin und Rücksichtnahme äußert, sowie darin, dass sie trotz gesellschaftlicher Missbilligung ihrem Laster weiter frönen. Die Studie zeigt außerdem, dass Personen, die Zigarren rauchen, offener und weniger neurotisch sind als Zigarettenraucher.
„Im Grunde genommen haben wir herausgefunden: ‚Sag mir, was du rauchst, und ich sage dir, wer du bist.‘“, fasst Hauptautor Dritjon Gruda die Ergebnisse zusammen. Dieses Wissen könne man zum Beispiel gezielt für Interventionsstrategien nutzen, die Menschen vom Rauchen abhalten sollen. Da sich gezeigt hat, dass Raucher von Zigarren eine etwas andere Persönlichkeitsstruktur haben als die von Zigaretten, will das Team nun untersuchen, ob Personen, die Kautabak konsumieren oder vapen, ebenfalls anders ticken.
E-Zigaretten: Lösung oder neues Problem?
Im Jahr 2022 gaben laut dem Bündnis Suchtkooperation NRW rund 3 Prozent der Deutschen an, zu vapen. Bei den Jugendlichen lag die Zahl der Konsumenten mit im Schnitt 14,5 Prozent aber deutlich höher. Die Produkte sind noch relativ neu auf dem Markt – erst seit 2007 sind sie in Deutschland und der EU erhältlich.
Der Dampf von Vapes enthält deutlich weniger Chemikalien und Giftstoffe als Tabakrauch, weil die Geräte nikotinhaltige Flüssigkeit lediglich erhitzen und keine Verbrennung stattfindet. Tatsächlich konnte eine Studie aus dem November 2024 zeigen, dass durch das Rauchen verursachte Symptome wie Atemnot oder Husten beim Vapen bis zu 15 Prozent seltener auftraten als beim Rauchen gewöhnlicher Zigaretten.
E-Zigaretten können bei der Rauchentwöhnung helfen und setzen weniger Schadstoffe frei. In Kombination mit regulären Zigaretten sollte man sie jedoch nicht rauchen.
„E-Zigaretten werden seit langem als sicherere Alternative zum normalen Rauchen angepriesen“, sagt Marianne Nabbout, Radiologin an der University of Arkansas. In Hinblick auf die Gefäßfunktionen scheint die Rechnung jedoch nicht aufzugehen.
Im Rahmen einer laufenden Forschungsarbeit stellten Nabbout und ihr Team fest, dass beim Vapen die Blutflussgeschwindigkeit und somit die venöse Sauerstoffsättigung abnimmt – ein Effekt, den man vom Zigarettenrauchen kennt. „Wenn der akute Konsum einer E-Zigarette sich unmittelbar auf der Ebene der Gefäße manifestiert, ist es denkbar, dass der regelmäßige Gebrauch Gefäßerkrankungen verursachen kann“, so Nabbout.
Dual-User: Gefährliche Kombi aus Zigaretten und Vapes
Für Menschen, die ohnehin schon rauchen, könnten Vapes jedoch eine weniger schädliche Ausstiegsalternative sein. Das belegt zum Beispiel eine Studie von Forschenden der University of East Anglia in Norwich, für die 505 erwachsene Raucher*innen Vapingutensilien erhielten. Nach sechs Monaten hatte die Hälfte dieser Personen das Zigarettenrauchen entweder reduziert oder ganz aufgegeben.
Während manche Studienteilnehmende innerhalb kürzester Zeit den Zigaretten abschworen, gab es andere, die zweigleisig fuhren, also sowohl rauchten als auch dampften. Eine schlechte Mischung, wenn man es mit dem Aufhören ernst meint. Denn wie die Studie eines Forschungsteams unter der Leitung von Josef Hamoud von der Universitätsmedizin Göttingen zeigt, neigen solche „Doppelkonsumenten“ dazu, bald wieder ausschließlich Zigaretten zu rauchen.
Nur drei Prozent von ihnen gaben das Rauchen innerhalb von vier bis acht Monaten komplett auf, während 30 Prozent wieder zur Zigarette zurückkehrten. Nach bis zu zwei Jahren waren 24 Prozent von ihnen Nichtraucher, 55 Prozent rauchten wieder nur Zigaretten. Bei Personen, die ausschließlich Zigaretten rauchten oder dampften, lagen die Ausstiegsraten in den ersten acht Monaten bei sechs bzw. acht Prozent und nach bis zu zwei Jahren bei 25 bzw. 35 Prozent.
„In Anbetracht dieser Ergebnisse sind wir der Meinung, dass sich der doppelte Konsum als großes Hindernis für das Erreichen der Rauchabstinenz erweisen könnte und dass diese Praxis nicht zur Behandlung der Nikotinsucht empfohlen werden sollte“, so Hamoud. Ihm zufolge erhöht der hohe Nikotingehalt von Vapes sogar das Risiko einer anhaltenden Nikotinsucht.
Außerdem sei das Dual-Smoking auch in gesundheitlicher Hinsicht problematisch. „Glaubwürdige Studien haben bereits besorgniserregende Ergebnisse geliefert, die darauf hindeuten, dass der doppelte Konsum sogar noch schädlicher sein könnte als das herkömmliche Rauchen“, sagt Hamoud.
Eine dieser Forschungsarbeiten wurde beispielsweise im Juli 2024 von einem Studienteam der Ohio State University in Columbus veröffentlicht. Sie hat gezeigt, dass das Risiko einer Lungenkrebserkrankung bei Personen, die Zigaretten und Vapes miteinander kombinieren, viermal so hoch ist wie bei Personen, die ausschließlich Zigaretten rauchen.
Mit Cytisin und Semaglutid gegen die Sucht
Schafft man es jedoch, die Finger von Zigaretten zu lassen und ausschließlich zu vapen, ist dies der vielversprechendste Weg zur Rauchabstinenz. Zu diesem Ergebnis kommt die unabhängige Non-Profit-Organisation Cochrane Tobacco Addiction Group (TAG) in einer im September 2024 veröffentlichten Studie, für die verschiedene Ansätze zur Nikotinentwöhnung untersucht wurden.
Ebenfalls wirksam, jedoch mit etwas geringeren Erfolgschancen, sei die Nikotinersatztherapie (NET) – also nikotinhaltige Pflaster, Kaugummis oder Sprays. Diese helfen am besten, wenn sie miteinander kombiniert werden, man also zum Beispiel ein Pflaster verwendet und zusätzlich Nikotintabletten lutscht.
Effektiver als die NET schneiden Entwöhnungsmedikamente mit dem pflanzlichen Wirkstoff Cytisin aus dem Goldregen oder seinem synthetischen Abkömmling Vareniclin ab. Gegenüber einem Placebo werden die Chancen auf eine erfolgreiche Rauchentwöhnung durch die Einnahme von Cytisin um das Zweifache erhöht. Auch Bupropion – eigentlich ein Antidepressivum – wird zur Rauchentwöhnung eingesetzt. Da all diese Medikamente aber durchaus unerwünschte Nebenwirkungen haben können, sind sie verschreibungspflichtig.
„Tabak ist unter den legalen Konsumgütern einzigartig tödlich“, sagt Hauptautor Jonathan Livingstone-Banks von der Oxford University. „Cytisin, Vareniclin und E-Zigaretten sind allesamt evidenzbasierte Mittel, die die Chancen auf eine erfolgreiche Raucherentwöhnung deutlich erhöhen.“
Das Antidiabetikum Semaglutid, das in dem Medikament Ozempic enthalten ist, wurde in der Cochrane-Studie nicht berücksichtigt. Laut einer im Juli 2024 veröffentlichten Studie scheint es jedoch ebenfalls beim Aufhören helfen zu können. Die Autor*innen haben beobachtet, dass Raucher*innen mit Typ-2-Diabetes, die Semaglutid bekamen, seltener wegen Tabakkonsumstörungen behandelt werden oder Medikamente zur Rauchentwöhnung einnehmen mussten als Patient*innen, die andere Antidiabetika erhielten. Klinische Studien stehen noch aus, doch da Semaglutid auch gegen andere Suchterscheinungen wie beispielsweise Food Noise wirkt, ist es naheliegend, dass es das Verlangen nach Nikotin unterdrücken kann.
Langfristige Belohnung statt schneller Befriedigung
Die gute Nachricht: Fürs Aufhören ist es nie zu spät. Laut einer Studie der University of Toronto haben Personen, die vor ihrem 40. Lebensjahr vom Rauchen loskommen, eine ebenso hohe Lebenserwartung wie lebenslange Nichtraucher*innen desselben Alters. Zehn Jahre nach dem Aufhören ist ist bei ehemaligen Raucher*innen jeden Alters der Unterschied in der Lebenserwartung aufgeholt, nach drei Jahren Abstinenz ist die Lücke immerhin zu 50 Prozent geschlossen. „Mit dem Rauchen aufzuhören senkt das Sterberisiko deutlich – und die positiven Effekte zeigen sich bemerkenswert schnell“, sagt Studienautor Prabhat Jha.
Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Weltweit sind es pro Jahr rund acht Millionen.
Laut der Cochrane-Studie haben alle medikamentösen Entwöhnungsmethoden höhere Erfolgschancen, wenn sie verhaltenstherapeutisch begleitet werden. Tatsächlich ist das Aufhören zu einem großen Teil Kopfsache und auf die Frage, mit welchem Mindset man die Sucht am besten bekämpfen kann, haben Forschende der Harvard University eine deutliche Antwort: Dankbarkeit.
„Bisher ging man davon aus, dass Kampagnen gegen das Rauchen negative Emotionen hervorrufen müssen“, sagt Ke Wang, Hauptautor der Studie. Ihm zufolge sind Mitleid und Traurigkeit unter den Gefühlen, die Anti-Rauch-Kampagnen am häufigsten auslösen. Leider, denn das Studienteam fand heraus, dass Traurigkeit das Rauchverlangen und die Intensität erhöht, mit der inhaliert wird.
Die positive Emotion der Dankbarkeit hingegen führe bei erwachsenen Raucher*innen zu einer signifikanten Abnahme des Rauchverlangens. Die Studienautor*innen vermuten, dass Gedanken an langfristig positive Lebensaspekte wie zwischenmenschliche Beziehungen und eine gute Gesundheit das Verlangen nach Nikotin überlagern.
Jede Entscheidung gegen die schnelle Befriedigung durch einen Zug an der Zigarette ist eine gewonnene Schlacht im Kampf gegen die Sucht. Leicht ist das nicht, doch es lohnt sich.