Diese Filme helfen gegen Schmerzen
Eine neue Studie belegt, dass bestimmte Videoinhalte das Schmerzempfinden beeinflussen. Wie der Zusammenhang entdeckt wurde, und welche Clips man schauen muss.

Heilsames Flimmern: Wer unter Schmerzen leidet, kann diesen laut einer aktuellen Studie ganz einfach entgegenwirken. Man muss nur den richtigen Film anschalten.
Ganz objektiv betrachtet ist Schmerz Kopfsache: Wir spüren ihn, weil entsprechende Reize über die Nerven ins Gehirn geleitet werden. Um das unangenehme Gefühl zu unterdrücken, kann man Schmerzmittel einnehmen. Sie hemmen die Produktion von Botenstoffen, die für die Weiterleitung der Schmerzimpulse zuständig sind. Wissenschaftlich belegt ist auch die schmerzstillende Wirkung von Achtsamkeitsmeditation, die die Reaktion der für Schmerz zuständigen Hirnareale dämpft. Dasselbe gilt laut einer britischen Studie für den Aufenthalt in der Natur.
Doch laut einer aktuellen, in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlichten Studie, muss man das Haus gar nicht verlassen, um diesen Effekt zu nutzen: Es reicht, einen Naturfilm anzusehen. Denn das Betrachten von Videos mit Naturinhalten führt dazu, dass Schmerzen nicht nur subjektiv als weniger intensiv und unangenehm empfunden werden – die Wirkung ist sogar objektiv messbar.
Naturfilme beruhigen das Gehirn
Hinter der Forschungsarbeit steht ein internationales wissenschaftliches Team unter der Leitung von Max Steininger, Doktorand im Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien. „Die Verarbeitung von Schmerzen ist ein komplexer Prozess“, sagt er. Um diesen besser zu verstehen führten er und seine Kolleg*innen ein Experiment mit 49 Proband*innen durch.
Den Teilnehmenden wurden drei Videoszenen gezeigt: aus einem Innenraum, einer städtischen Umgebung und aus der Natur. Währenddessen erhielten sie Elektroschocks unterschiedlicher Stärke, während gleichzeitig mithilfe eines funktionellen Magnetresonanztomographen ihre Gehirnaktivität gemessen wurde. Ergänzend dazu machten die Versuchspersonen Angaben zu ihrer Wahrnehmung der zugefügten Schmerzen.
Das Ergebnis: Im Vergleich zu den beiden anderen Videoinhalten berichteten die Teilnehmenden, dass die Stromschläge beim Ansehen des Naturvideos weniger schmerzhaft waren. Dass dies nicht nur subjektives Empfinden, sondern tatsächlich der Fall war, belegte die Analyse der Gehirnaktivitätsmessung: Die Hirnareale, in denen die Schmerzverarbeitung stattfindet, waren deutlich weniger aktiv, während die Proband*innen Naturszenen betrachteten.
Schmerz nicht nur lindern, sondern verhindern
„Die Schmerzverarbeitung setzt sich wie ein Puzzle aus verschiedenen Teilen zusammen, die im Gehirn unterschiedlich verarbeitet werden“, sagt Steininger. Schmerz ist also ein Mosaik, das das Gehirn aus verschiedenen Informationen zusammenbaut. Dazu gehören frühe, körperbezogene Signale, die mitteilen, wo im Körper der Schmerz entsteht und wie stark er ist. Aber auch die emotionale Reaktion auf den Schmerz, die bestimmt, wie gut wir ihn ertragen können, zählt dazu.
Steininger zufolge hatten die Naturvideos vor allem eine positive Wirkung auf die Verarbeitung der frühen, körperbezogenen Signale im Gehirn. „Der Effekt scheint also weniger mit den Erwartungen und Emotionen der Teilnehmenden zu tun zu haben und mehr mit der Veränderung von zugrundeliegenden Schmerzsignalen“, sagt er. Kurz gesagt: Der Blick auf die Natur wirkt nicht erst, wenn der Schmerz da ist, sondern beeinflusst bereits die Mechanismen der Schmerzverarbeitung auf positive Weise.
Die heilende Kraft der Natur – für alle
Simone Kühn, Neurowissenschaftlerin und Mitautorin der Studie, forscht als Direktorin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin zur Wirkung, die die Umwelt auf das Gehirn von Individuen hat. Im Jahr 2022 konnte sie mit ihrem Team in einer Studie den stresssenkenden Effekt eines einstündigen Aufenthalts in der Natur nachweisen. Ihr zufolge dürfte die aktuelle Arbeit „weitere Forschung anregen, die die neuronalen Grundlagen der positiven Effekte von Naturwahrnehmung noch besser verstehen will“.
Zu hoffen wäre das, denn wie die neuesten Ergebnisse zeigen, können naturbasierte Therapieansätze Schmerzbehandlungen sinnvoll ergänzen. Dass es dazu nicht einmal nötig ist, sich tatsächlich in der Natur aufzuhalten, ist vor allem für Schmerzpatienten, die dazu nicht in der Lage sind, eine gute Nachricht. Indem sie Filme mit entsprechenden Inhalten anschauen oder einen virtuellen Spaziergang durch den Wald machen, können auch sie von der schmerzstillenden Wirkung der Natur profitieren.
