Früher macht das Heute besser: Wie Nostalgie Schmerzen lindern kann

Lange hielt man Nostalgie für ein negatives, hemmendes Gefühl. Doch die jüngste Forschung zeigt: nostalgische Erinnerungen steigern die Lebensqualität – und haben sogar Auswirkungen auf den Körper.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 4. März 2022, 08:41 MEZ
Alte Erinnerungen, die in uns nostalgische Gefühle hervorrufen: Laut einer neuen Studie wirken sie sich nachweislich ...

Alte Erinnerungen, die in uns nostalgische Gefühle hervorrufen: Laut einer neuen Studie wirken sie sich nachweislich positiv auf Mechanismen in unserem Gehirn aus.

Foto von Laura Fuhrman / Unsplash

Kindheitsbilder, Schulhofatmosphäre oder alte Serien: Lange hielt sich das Vorurteil, dass nostalgische Erinnerungen negative Gefühle wie Zukunftsangst, Trauer oder Unzufriedenheit mit der Gegenwart auslösen. Doch aktuelle Forschungsergebnisse der Psychologie widerlegen diese Ideen: Nostalgie kann nicht nur ein Gefühl von Optimismus und Lebenszufriedenheit hervorrufen – sondern sogar Schmerzen lindern.

In einer neuen Studie belegen Forschende der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS): Der Anblick nostalgischer Bilder führt dazu, dass Menschen Schmerzreize weniger intensiv wahrnehmen. Außerdem wurden in der Studie die dieser Erkenntnis zugrunde liegenden Vorgänge im Gehirn untersucht. „Unsere Ergebnisse beweisen den schmerzlindernden Effekt von Nostalgie und liefern darüber hinaus Hinweise dazu, welche Gehirnmechanismen dafür verantwortlich sind“, so die Autoren der Studie.

Gehirnscan: Schmerzverringerung durch Nostalgie 

Für ihr Experiment zeigten die Forschenden den Testpersonen sowohl Abbildungen, die nostalgische Gefühle auslösten, als auch neutrale Bilder. Das Ergebnis: Wenn die Testpersonen in Erinnerungen schwelgten, nahmen sie Schmerzen weniger intensiv wahr. Vor allem bei geringen Schmerzen zeigte sich dieser Effekt deutlich.

Doch lässt sich die Schmerzverringerung auch nachweislich im Gehirn beobachten? Um das zu überprüfen, wurden die neuralen Reaktionen der Testpersonen mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) überwacht. 

Bei der Auswertung der Hirnscans wurde deutlich: Während die Testpersonen nostalgische Gefühle empfanden, waren Teile des Thalamus – der Teil des Zwischenhirns, der Sinneseindrücke an das Großhirn vermittelt – besonders aktiv. Auch Schmerzreize werden im Thalamus verarbeitet. „Der Thalamus spielt bei der Schmerzverringerung eine entscheidende Rolle“, so Zhang Ming, Hauptautor der Studie. 

Nach Angaben der CAS zeigten die Scans, dass Nostalgie den vorderen Teil des Thalamus aktiviert, Schmerz hingegen den hinteren. Während die Testpersonen Nostalgie empfanden, war der vordere Teil des Thalamus also besonders aktiv – und der Thalamus gab Schmerzreize weniger stark an die zwei Schmerzzentren in der Großhirnrinde, den Gyrus lingualis und den Gyrus parahippocampalis, weiter. Nostalgie scheint im Thalamus also quasi eine Türsteher-Funktion für Schmerzreize auszulösen.

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    Nostalgie als Schmerztherapie?

    Nach Ansicht der Autoren der Studie zeigen ihre Ergebnisse, dass Nostalgie bei bestimmten, weniger starken Schmerzen als Therapiemittel eingesetzt werden kann. „Manchmal erfahren Patienten leichte Schmerzen, die zwar unangenehm sind, aber nicht stark genug, um Medikation einzusetzen. In diesen Fällen können nicht-medikamentöse schmerzlindernde Methoden hilfreich oder sogar nötig sein“, heißt es in der Pressemitteilung des CNS.

    In nostalgischen Erinnerungen schwelgen könnte eine solche Methode sein. Ob Kindheitsfotos oder Süßigkeiten und Spiele aus früheren Zeiten: Nostalgie scheint nicht nur unserem Wohlbefinden zu helfen, sondern uns sogar von leichten Schmerzen befreien zu können.

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