Warum sind Geparden so schnell?

Die Höchstgeschwindigkeit, die ein Landtier erreichen kann, nimmt mit der Körpermasse zunächst zu. Dann aber gilt: Je größer, desto behäbiger. Die Ursache für dieses Phänomen wurde nun mithilfe eines physikalischen Modells ermittelt.

Top Speed: Der Gepard ist das schnellste Säugetier an Land. Hätte er mehr Körpermasse, wäre er sehr viel langsamer unterwegs.

Foto von Claire / adobe Stock
Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 22. März 2024, 09:51 MEZ

Je mehr Masse ein Tier hat, desto höher ist zumeist seine Lebenserwartung, desto kräftiger ist es und auch das Gehirn und die Gliedmaßen sind größer beziehungsweise länger. Von dieser „je mehr, desto mehr“-Regel gibt es jedoch eine Ausnahme: die Laufgeschwindigkeit. Sie nimmt zunächst mit der Masse zu, irgendwann ist jedoch ein Punkt erreicht, ab dem kleinere Landtiere größere Spezies im wahrsten Sinne des Wortes überholen.

„Die schnellsten Tiere sind weder große Elefanten noch winzige Ameisen, sondern Tiere von mittlerer Größe wie Geparden“, sagt David Labonte von der Abteilung für Bioengineering am Imperial College London, England. Er ist Hauptautor einer Studie, die in der Zeitschrift Nature Communications erschienen ist und eine Antwort auf die Frage liefert, warum die Laufgeschwindigkeit mit den regelmäßigen Mustern, die die meisten anderen Aspekte der Anatomie und Leistung von Tieren bestimmen, bricht.

Muskulatur bestimmt das Spitzentempo

Dafür entwickelte das internationale Studienteam ein physikalisches Modell, das die maximale Laufgeschwindigkeit im Verhältnis zur Körpermasse von Landtieren vorhersagen kann – und das äußerst präzise, wie der Abgleich der Ergebnisse mit Daten von über 400 Landtieren gezeigt hat. Das Modell wurde dann auf verschiedene Spezies angewendet – von der 0,1 Milligramm leichten Milbe bis hin zum tonnenschweren Elefanten. Das Ergebnis: Welche Höchstgeschwindigkeit ein Landtier erreichen kann, wird durch seine Muskulatur bestimmt.

Unter Geparden

Zwei Faktoren spielen dabei eine Rolle: zum einen, wie stark die Muskeln sich beim Anspannen zusammenziehen und zum anderen, wie schnell hintereinander diese Kontraktionen erfolgen können. Beide Aspekte werden durch die Körpermasse beeinflusst, denn sie sorgt dafür, dass die Muskeln irgendwann an eine Grenze stoßen.

Wie die Körpermasse Grenzen setzt

Bei kleineren Tierarten ist dies die „Grenze der kinetischen Energiekapazität“. Im Verhältnis zu ihrem Gewicht müssen Maus & Co. große Kräfte aufbringen, um sich fortzubewegen. Um zu beschleunigen, müssen sich ihre Muskeln immer schneller zusammenziehen. Irgendwann ist das Maximum des Möglichen jedoch erreicht. Den Studienautoren zufolge fühlt sich ein Beschleunigungsversuch ab diesem Punkt so an, als würde man auf dem Fahrrad im niedrigsten Gang einen Hügel herunter rasen und dabei fest in die Pedale treten.

Große Landtiere hingegen werden von der „Arbeitskapazitätsgrenze“ in ihre Schranken gewiesen. Wenn sie beschleunigen wollen, müssen sich ihre Muskeln immer stärker zusammenziehen. Doch im Verhältnis zum Gewicht fehlt ihnen dafür die Kraft. 

„Für große Tiere wie Nashörner oder Elefanten kann sich das Laufen anfühlen, als würden sie ein enormes Gewicht heben, weil ihre Muskeln relativ schwächer sind und die Schwerkraft einen größeren Aufwand erfordert“, sagt Studienautor Peter Bishop, Biologe an der Harvard University. Das Tempo zu erhöhen ist für Tiere dieser Gewichtsklasse etwa so anstrengend, wie eine Fahrradfahrt bergauf im höchsten Gang. Dieser Kraftakt führt dazu, dass ein größeres Tier ab einer bestimmten Masse nicht mehr die Höchstgeschwindigkeit eines kleineren Tieres erreichen kann.

BELIEBT

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    Der magische Punkt des absoluten Spitzentempos bei Landtieren liegt bei einem Körpergewicht von etwa 50 Kilogramm. Mittelgroße Tiere dieser Kategorie haben Muskeln, die sich schnell und stark zusammenziehen – darum erreichen sie die höchsten Geschwindigkeiten. In diesen Bereich fällt zum Beispiel der Gepard, das schnellste Landsäugetier, der rund 110 Kilometer pro Stunde schnell sprinten kann.

    Dinosaurier: Zu schwer zum Laufen?

    Die Studienautoren haben ihr Modell aber nicht nur mit den Daten moderner, sondern auch mit denen ausgestorbener Tiere gefüttert – und sind dabei auf einen Widerspruch gestoßen. Laut ihren Berechnungen müsste bei einem Gewicht von über 40 Tonnen eine Grenze erreicht sein, die ein Tier an Land bewegungsunfähig machen würde. Der Afrikanische Elefant, das schwerste Landtier, ist mit einem durchschnittlichen Gewicht von 6,6 Tonnen noch weit von diesem Gewicht entfernt. 

    Zu Urzeiten gab es jedoch Dinosaurier, die diese Grenze überschritten haben. Vertreter der Gattung Patagotitan, die größten bekannten Landtiere der Welt, die in der Mittleren Kreidezeit vor rund 100 Millionen Jahren lebten, erreichten eine Länge von schätzungsweise 37 Metern und brachten rund 69 Tonnen auf die Waage. Sie wären dem Modell zufolge also zu schwer zum Laufen gewesen. 

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    Das lässt die Studienautoren vermuten, dass riesige Dinosaurier vermutlich über einen andersartigen Muskelaufbau verfügten, der ihnen das Laufen allen Einschränkungen zum Trotz ermöglicht hat. Ein Aspekt, dessen weitere Untersuchung sich in ihren Augen durchaus lohnen würde, denn er legt nahe, dass sich die Muskelanatomie ausgestorbener Tiere vermutlich nicht ohne weiteres von der moderner Tiere ableiten lässt.

    Geringer Muskelanteil lässt Reptilien klein bleiben

    Die Ergebnisse der Studie liefern außerdem eine mögliche Erklärung dafür, warum in verschiedenen Tiergruppen unterschiedliche maximale Körpermassen auftreten. Die größten Reptilien – bestimmte Eidechsen und Krokodile – sind beispielsweise sehr viel kleiner als die größten Säugetiere. Der Grund könnte laut Studienautor Taylor Dick, Biologe an der University of Queensland, Australien, sein, „dass die Muskeln der Gliedmaßen einen geringeren Anteil am Körpergewicht der Reptilien haben.“ Das führe dazu, dass sie schon bei einem viel geringeren Körpergewicht an die muskulären Arbeitsgrenzen stoßen, als es bei Säugetieren der Fall ist. Sie müssen also klein bleiben, um sich schnell fortbewegen zu können.

    „Unsere Studie wirft viele interessante Fragen über die Muskelphysiologie sowohl ausgestorbener als auch heute lebender Tiere einschließlich menschlicher Athleten auf“, sagt Labonte. Doch sie beschäftigt sich ausschließlich mit Landtieren. Als nächstes wollen die Forschenden darum mithilfe ihres Modells untersuchen, ob und wie physikalische Einschränkungen die Höchstgeschwindigkeiten von schwimmenden und fliegenden Tieren beeinflussen.

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