Exklusive Fotos: Suche nach verborgenen Kammern in König Tutanchamuns Grab wird wieder aufgenommen

Zwei frühere Untersuchungen standen in Widerspruch, was sich hinter den Wänden des Grabs befindet. Nun starten Wissenschaftler einen allumfassenden Versuch, das Rätsel zu lösen.

Von Kristin Romey, A. R. Williams
Veröffentlicht am 2. Feb. 2018, 18:52 MEZ

Luxor, Ägypten – Ägyptens Ministry of Antiquities kündigte heute an, dass in der Grabkammer von König Tutanchamun gerade eine  dritte Runde von Bodenradar-Scans (GPR) durchgeführt wird. Durch sie hofft man, Antworten auf eine Frage zu finden, die Forscher schon seit Langem beschäftigt und vor Rätsel stellt: Verbergen sich hinter den Wänden des berühmten Grabes noch weitere Kammern – vielleicht ein weiteres Königsgrab, dass nun seit mehr als 3.300 Jahren unberührt geblieben ist?

Seit der Archäologe Howard Carter im Jahr 1922 das mit Schätzen gefüllte Grab im Tal der Könige bei Luxor entdeckt hat, kam Experten der Raum erstaunlich klein für einen Pharao vor. Verschiedenste Theorien zu der Grabstätte wurden über die Jahrzehnte publiziert, aber im Jahr 2015 stellt der Ägyptologe Nicholas Reeves eine verblüffende Möglichkeit in den Raum: Die nördlichen und westlichen Wände könnten die Mumie – und sagenhafte Besitztümer – von Tuts Stiefmutter, der legendären Schönheit Königin Nofretete verbergen. (Lesenswert: Tutanchamun, Nofretete und ein verzweigter Stammbaum)

Zwei frühere Scans der Grabkammer, durchgeführt 2015 und 2016, wichen in ihren gelieferten Erkenntnissen voneinander ab und wurden als ergebnislos eingestuft. Ein dritter nicht-invasiver GPR-Scan wurde von Ägyptens Antikenminister Khaled El Enany in Auftrag gegeben, der damit einer Empfehlung von Experten folgt, die sich im Jahr 2016 zusammengefunden hatten, um die Ergebnisse der vorherigen Scans zu studieren. Diese neueste Untersuchung, geleitet vom Polytechnikum Turin, hat zum Ziel, diese Erkenntnisse aufzuklären und zu verifizieren, ob es Hohlräume hinter den Wänden gibt oder nicht.

Faszinierende Hinweise

Reeves Idee wurde von einem hochauflösenden 3D-Scan des Grabes inspiriert, der im Jahr 2009 vom Unternehmen Factum Arte durchgeführt worden war. Dieses war damit beauftragt worden, eine exakte Replik des Grabes herzustellen, das dann von Touristen besucht werden kann. Als Reeves sich die Scans der nördlichen und westlichen Wände näher ansah, glaubte er, Spuren von Öffnungen zu erkennen, die zugemauert und überputzt worden waren. Diese Auffälligkeiten könnten dabei helfen, zwei weitere, rätselhafte zu erklären.

Im Jahr 1984 publizierte der Ägyptologe Gay Robins eine Abhandlung über die Proportionen der auf die Wände der Grabkammer gemalten Figuren. Auf der nördlichen Wand folgten sie einem Gitter aus 20 Vierecken, auf den anderen drei Wänden jedoch einem Gitter aus 18 Vierecken. Robbins vermutete, dass dies der hastigen Fertigstellung des Grabs geschuldet war. Es hätte verschiedene Gruppen von Malern beteiligt sein können, die nach zwei unterschiedlichen Traditionen arbeiteten. Aber was, wenn die Wände zu unterschiedlichen Zeitpunkten bemalt worden wären – nachdem ein Grab versiegelt worden war und dann noch einmal, als einige Jahre später ein weiteres Grab hinzugefügt wurde?

Experten des Getty Conservation Institute bemerkten im Jahr 2012 eine weitere Auffälligkeit. Der Hintergrund der nördlichen Wand war ursprünglich weiß gewesen, später jedoch gelb überstrichen worden, um zu den übrigen drei Wänden zu passen. Gehörte der weiße Hintergrund zum ersten Grab und wurde dann zum Begräbnis von Tut überstrichen?

Als Mamdouh El Damaty, Antikenminister zu der Zeit, als Reeves seine Theorie vorstellte, die nördliche Wand näher betrachtete, sah er noch eine weitere Unregelmäßigkeit in einem Bereich: Ein klarer Unterschied zwischen der Bearbeitung der Wand. Der obere Bereich zeigt Malereien auf blankem Stein, während der untere Teil auf Verputz gemalt worden ist.

Diese Hinweise waren für El Damaty überzeugend genug, dass er Anfang November 2015 einer Infrarot-Thermografie eines Teils der nördlichen Wand zustimmte. Dieses bildgebende Verfahren spürt Abweichungen in der Oberflächentemperatur auf, die aller Wahrscheinlichkeit nach bei solidem Kalkstein anders bemessen ist als bei einem verborgenen Raum, sollte sich dort einer befinden. Die Darstellung enthüllte eklatante Temperaturabweichungen auf der nördlichen Wand. (Lesenswert: Mysteriöser Hohlraum in Cheops-Pyramide gibt Rätsel auf)

Gegen Ende des gleichen Monats nutzte der japanische Radar-Spezialist Hirokatsu Watanabe GPR, um einen Blick hinter die Wände des Grabes zu werden. Die Ergebnisse waren sensationell und machen auf der ganzen Welt Schlagzeilen. Watanabe dachte, er könnte Kammern hinter den nördlichen und westlichen Wänden erkennen, ebenso wie metallische Artefakte und organisches Material.

Viele Ägyptologen und GPR-Experten bezweifelten jedoch die Ergebnisse der Untersuchung. Deshalb wurde im März 2016 eine zweite Runde GPR-Scans gestartet. Dieses Mal führten Ingenieure von National Geographic die Arbeiten durch. Die Erwartungen waren groß, die Ergebnisse gaben jedoch Rätsel auf. Die Untersuchung war angelegt, um Wände von der gleichen Dicke wie in Watanabes Bericht aufzufinden, doch nichts dergleichen wurde entdeckt – oder überhaupt ein Hinweis auf Hohlräume im Norden und Westen von Tuts Grabkammer. Diese beiden Forschungsergebnisse brachten Stillstand in die Untersuchung. Das Projekt benötigte einen Tie-Break.

Erkenntnisse: Ja oder Nein?

Die dritte Untersuchung mithilfe von Bodenradar wird im Sinne der Radartechnologie keinen Stein auf dem anderen lassen. Das wird einige vierstündige Scansitzungen erfordern. Die Ergebnisse der Arbeit sollten hoffentlich die abschließende Antwort beinhalten, ob es nun verborgene Kammern gibt oder nicht. Wissenschaftler mahnen jedoch zur Vorsicht, da GPR-Scans nur „Anomalien“ im Stein aufzeigen können. In jedem Fall wären weitere Untersuchungen nötig, um aufzuklären, ob es sich bei diesen Anomalien wirklich um versteckte Räume handelt. (Lesenswert: Drei neue Gräber aus dem alten Ägypten entdeckt)

In diesem aktuellen Projekt arbeiten Ägypten und Italien zusammen, geleitet vom italienischen Physiker Francesco Porcelli vom Polytechnikum Turin. Es besteht zudem eine Partnerschaft mit der Universität von Turin und den drei Privatunternehmen Geostudi Astier, 3DGeoimaging, und Terravision.

„Ich fühle mich geehrt, diese Möglichkeit bekommen zu haben und ich fühle mich geehrt, ein so fantastisches Team zu koordinieren“, erklärte Porcelli gegenüber National Geographic am Donnerstagmorgen in einer Pause zwischen den Scan-Durchläufen.

Das GPR-Team arbeitet nachts, nachdem das Tal der Könige und Tuts Grab für Touristen geschlossen ist. Die Wissenschaftler führen ihre hochsensiblen Geräte unter Beobachtung ägyptischer Beamter vorsichtig durch die Enge der Grabkammer. Sie sind immer darauf bedacht, dass sich die Radarantennen so nah wie möglich an der Oberfläche der Wand befinden, ohne die unbezahlbaren Malereien des 3.300 Jahre alten Grabes zu beschädigen.

Nachdem die GPR-Daten gesammelt worden sind, wird es mindestens einige Wochen dauern, bis sie weiterverarbeitet und ausgewertet sind. Wenn die Ergebnisse bestätigen, dass es Hohlräume hinter den Wänden gibt, wird das den Startschuss für eine noch aufregendere, wissenschaftliche Expedition geben: herauszufinden, was – oder wer – hinter Tuts Grab ruht.

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