Archäologische Sensation auf dem Darß: Einbaum am Strand gefunden

Ein Zufallsfund am Ufer der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern konnte erfolgreich geborgen werden und wird nun auf Alter und Herkunft untersucht. Wie man Strandgut von Artefakten unterscheidet und was bei einem Fund zu tun ist.

Bürgermeister René Roloff machte den sensationellen Fund bei einem Strandspaziergang.

Foto von René Roloff
Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 28. Jan. 2022, 12:34 MEZ, Aktualisiert am 28. Jan. 2022, 14:44 MEZ

Am winterlichen Ostseestrand auf dem Darß in Mecklenburg-Vorpommern kann man den Blick über das Wasser schweifen, sich vom Wind durchpusten lassen und Muscheln finden – oder mit etwas Glück auf einen archäologischen Sensationsfund stoßen. Genau das ist René Roloff passiert, als er bei einem Spaziergang in der Brandungszone ein großes Objekt bemerkte, das sich bei näherer Betrachtung als Einbaum – ein altertümliches Boot – herausstellte. „Es war gleich offensichtlich, um was es sich hier handelte“, sagt der Bürgermeister der Gemeinde Prerow.

Ersten Untersuchungen zufolge kann das Artefakt mindestens auf das Mittelalter datiert werden. „Eine ältere Datierung ist allerdings auch möglich. Hier müssen wir auf die Ergebnisse der Altersbestimmung warten“, sagt Dr. Jens Auer, zuständig für Unterwasserarchäologie beim Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern. Bezüglich der Herkunft des Fundes sagt er: „Der Einbaum stammt sicherlich vom Fundort und wurde dort durch die fortschreitende Erosion des Strandes freigelegt.“

Keine Zeit verlieren

René Roloff ist Vorsitzender des Fördervereins des Darß-Museums und wusste, wie dringend eine umgehende Sicherung des Artefakts war. Schon einen Tag später kehrte er mit der ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegerin Annette Weidemann und seinem Sohn Johannes früh am Morgen an die Fundstelle zurück, um den Einbaum genauer zu dokumentieren. „Es bestand immer die Gefahr, dass ein plötzlicher Wetterumschwung das Objekt zerstört. Und die Bergung musste erst vorbereitet werden“, erklärt er. „Es war schon ein wenig Glück dabei, dass es geklappt hat.“ 

Dr. Jens Auer stimmt ihm zu. „In einem dynamischen Umfeld wie dem Strand war schnelles Handeln von größter Wichtigkeit.“ Der Einbaum wäre bei einem Sturm, mit dem in den Wintermonaten immer zu rechnen ist, sicherlich vollständig verloren gegangen.

Eine weitere Gefahr für Fundstücke aus Holz, die über Jahrhunderte in feuchter Erde lagerten, ist der beschleunigte Verfall, sobald sie mit Luft in Kontakt kommen. Vor 20 Jahren wurden bei Stralsund historische Einbäume gefunden, die aufgrund von unsachgemäßer Lagerung weitgehend zerfielen, was für viel Unmut unter Archäologen sorgte.

Dank des Einsatzes von René Roloff wird dem Einbaum vom Darß dieses Schicksal erspart bleiben. Im Anschluss an die erfolgreiche Bergung wurde er zunächst vorsichtig gereinigt und dann mithilfe eines Artec Leo Strukturlichtscanners in 3D dokumentiert. Derzeit erfolgt die Beprobung zur Alters- und Holzartbestimmung. Bis die Ergebnisse eintreffen, wird das Artefakt in Wasser gelagert.

BELIEBT

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    Fundstücke aus Holz, die über Jahrhunderte in feuchter Erde lagern, können schnell verfallen, wenn sie mit Luft in Kontakt kommen – bei diesem Einbaum-Fund wurde schnell gehandelt.

    Foto von Lutz Storm

    Zufälliger Fund – was tun? 

    Den letzten vergleichbaren Fund auf dem Darß gab es im Jahr 1954. Dr. Jens Auer zufolge muss aber gerade am Darßer Weststrand, an dem der Einbaum lag, immer wieder mit archäologischen Fundstücken gerechnet werden. „Dort werden bei Stürmen nicht nur Wrackteile aus der See angeschwemmt, sondern durch die starke Erosion auch immer wieder Objekte am Strand freigelegt“, erklärt er. Eine solche Entdeckung sollte immer sofort dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege gemeldet werden, damit der Fund dokumentiert und gesichert werden könne.

    Dass ausgerechnet René Roloff, der nicht nur historisch interessiert ist, sondern sich als Tischler auch mit Holz auskennt, den Einbaum bemerkte, war ein großes Glück. „Man braucht ein gutes Auge für archäologische Funde“, sagt Dr. Jens Auer. Doch auch weniger versierte Strandspaziergänger können gewöhnliches Treibgut von archäologischen Sensationsfunden unterscheiden, wenn sie genauer hinsehen. „Regelmäßige Strukturen, menschliche Bearbeitungsspuren und bei Schiffshölzern Befestigungen mit Holz- oder Metallnägeln sind gute Hinweise“, erklärt er.

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