Farbenfrohe Zeitzeugen: Neue Deckenbilder im Tempel von Esna entdeckt
Neu freigelegte Bilder an den Decken des altägyptischen Tempels zeugen von den Astronomie-Kenntnissen vor 2.000 Jahren – und zeigen, welche Fabelwesen die Alten Ägypter gerne malten.
Rekonstruktion einer Darstellung des Tierkreiszeichens Schütze.
Altägyptische Reliefs und Gemälde geben einen wertvollen Einblick in die Kultur und Lebensweise des Ägyptens der letzten Jahrtausende. Noch immer decken Forschende neue Darstellungen auf, die unser Verständnis vom Alten Ägypten erweitern. So auch in dem altägyptischen Chnum-Tempel in Esna.
Bereits 2022 legte ein deutsch-ägyptisches Forschungsteam dort eindrucksvolle Deckenmalereien frei, deren aufwändige Restaurierung zeigt, wie bunt das Alte Ägypten wirklich war. An der Decke des Bauwerks wurden nun weitere spektakuläre Bilder entdeckt und rekonstruiert – darunter eine Himmelsdarstellung mit Sternbildern, Tierkreiszeichen und mehreren Planeten sowie Bilder von Tieren und verschiedenen Fabelwesen.
Vor allem die Darstellung der Tierkreiszeichen ist eine Besonderheit: In der Tempeldekoration des Alten Ägyptens tauchen sie selten auf – neben Esna gibt es laut den Forschenden nur zwei weitere vollständig erhaltene Versionen.
Zeitzeugen in der Tempeldecke
Neben den Tierkreiszeichen fanden die Forschenden an der Tempeldecke auch Darstellungen von Tieren und Fabelwesen. Auf diesem Ausschnitt sind geflügelte Schlangen und ein Tier mit Vogel-, Krokodil- und Schlangenmerkmalen zu erkennen.
Die bunten Reliefs befinden sich in dem einzigen noch erhaltenen Teil des Tempels – der Vorhalle, dem sogenannten Pronaos – und sind fast 2.000 Jahre alt. Die Halle wurde im ersten Jahrhundert n. Chr. unter dem römischen Kaiser Claudius als Anbau zum ursprünglichen Tempelgebäude errichtet. Doch obwohl das Pronaos erhalten blieb, wurden die Malereien und Inschriften über die Jahrhunderte durch Dreck und Staub unkenntlich gemacht – bis Forschende unter der Leitung von Christian Leitz, Ägyptologe von der Universität Tübingen, und dem Archäologen Hisham El-Leithy vom ägyptischen Ministerium für Tourismus und Altertümer die Bilder wieder freilegten.
Unter den neuen Funden stechen laut Leitz vor allem die bildlichen Darstellungen der Sternzeichen hervor. „Darstellungen des Tierkreises sind in ägyptischen Tempeln sehr selten“, sagt er. Der Tierkreis selbst sei Teil der babylonischen Astronomie und tauche im Alten Ägypten erst seit der ptolemäischen Zeit zwischen 300 und 30 v. Chr. auf.
Bislang geht man davon aus, dass das System der Tierkreiszeichen und der dazugehörigen Sternkonstellationen von den Griechen nach Ägypten gebracht wurde: Es setzte dich auch dort durch und wurde letztendlich sogar in Tempeln an die Wände gebracht. Auch zur Verzierung von Sarkophagen und Grabanlagen wurden die Sternbilder und -zeichen immer wieder verwendet.
Neben den Tierkreiszeichen fanden die Forschenden auch Darstellungen von etwa 18 der 36 Dekane, die im Alten Ägypten als Methode zur Einteilung des Sternenhimmels dienten.
Freigelegte Darstellung einer Auswahl der sogenannten Dekane. Jeweils drei von ihnen können den uns bekannten 12 Sternzeichen zugeordnet werden.
Rekonstruktion der 2.000 Jahre alten Darstellung.
Einblicke in das Wissen der Alten Ägypter
Neben den Himmelsdarstellungen fanden die Forschenden auch Bilder von Schlangen, Krokodilen und verschiedenen Fabelwesen. Darunter beispielsweise eine Schlange mit Widderkopf und ein Vogel mit Krokodilskopf, Schlangenschwanz und vier Flügeln.
Die Projektleiter, die bereits seit fünf Jahren an der Restauration der Tempelbilder arbeiten, betonen, dass der Tempel von Esna einer der großen sechs noch erhaltenen Tempel aus der griechisch-römischen Zeit – von etwa 332 v. Chr. bis 350 n. Chr. – ist. Die Freilegung der Bilder erlaubt also einen Einblick in das Leben und Wissen der Alten Ägypter zu jener Zeit.