Isiskult: Warum die Bewohner Pompejis Vögel opferten

Bei Ausgrabungen in der antiken Stadt Pompeji nahe dem Tempel der Gottheit Isis wurden Überreste von mehreren verbrannten Vögeln gefunden. Der Fund zeigt, dass die Tiere ein wichtiger Bestandteil der Opferrituale des antiken Geheimkults waren.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 26. Mai 2023, 16:09 MESZ
Darstellung der Göttin Isis mit Flügeln

Darstellung der Göttin Isis mit Flügeln aus dem 14. Jahrhundert. Die Verbindung der Göttin mit Vögeln scheint auch bei Opferritualen durch den Isiskult eine Rolle gespielt zu haben.

Foto von The Yorck Project Gesellschaft für Bildarchivierung GmbH / Wikimedia / GNU Free Documentation License

Einer der beeindruckendsten Funde, der bei frühen Ausgrabungen in Pompeji im Jahr 1764 gemacht wurde, war der Isis-Tempel – ein kleines, erstaunlich gut erhaltenes Bauwerk im Süden der Stadt, das die Bewohner Pompejis zu Ehren der Göttin Isis errichtet hatten. 

Doch wie huldigten die Menschen damals dieser Göttin? Da es sich bei dem Kult um Isis um einen sogenannten Mysterienkult handelt, sind nicht viele der Rituale überliefert. Denn die Geheimhaltung der religiösen Praktiken vor Außenstehenden stand bei einem solchen Kult an oberster Stelle.

In einer neuen Studie, die im Fachmagazin International Journal of Osteoarchaeology erschienen ist, stellen die Archäologinnen Chiara Assunta Corbino und Beatrice Demarchi nun Funde vor, die zeigen, dass Vögel eine entscheidende Rolle im Isiskult spielten. Sie rekonstruierten ein Bankett, das im 1. Jahrhundert n. Chr. zu Ehren der Göttin stattgefunden haben muss – und bei dem verschiedene Vogelarten für Isis geopfert und zubereitet wurden.

Isis-Tempel im Jahr 1870

Der Isis-Tempel im Jahr 1870. Das Bauwerk kann seit 1763 besichtigt werden und zog schon Besucher wie Mozart an, der von dem Tempel fasziniert gewesen sein soll.

Foto von Giacomo Brogi, 1822-1881 / Wikimedia

Opferbankett zu Ehren der Göttin Isis

In ihrer Studie beschäftigten sich Corbino und Demarchi mit Überresten, die bereits im Jahr 2017 bei Ausgrabungen in Pompeji in der Nähe des Isis-Tempels entdeckt wurden. Bei der Untersuchung dieser Überreste identifizierten sie 143 skelettale Fragmente, die von mindestens zehn Vögel stammen – acht Hühnern, einer Gans und einer Turteltaube.

Spuren an den Knochen zeigen, dass die Tiere verbrannt wurden, als noch Fleisch an ihren Knochen war. Laut den Studienautorinnen ein klares Zeichen für eine rituelle Praxis, bei der bereits zubereitete Vögel der Gottheit als Opfergabe im Rahmen eines Banketts dargeboten wurden. Dabei wurden die Vögel zuvor vermutlich von Priestern in speziellen heiligen Küche gekocht und dann während des Banketts teilweise von ihnen selbst verspeist. Der Rest der Vögel war der Göttin vorbehalten.

Gehalten wurde das Bankett laut Corbino womöglich, um Isis zu besänftigen, nachdem ihr Tempel bei Renovierungsarbeiten verkleinert wurde. Das würde das Ritual in die Zeit nach 62 n. Chr. datieren, dem Jahr, in dem die Renovierungsarbeiten abgeschlossen waren. Nur wenige Jahre später, im Jahr 79 n. Chr., wurde die Stadt dann durch den Vulkanausbruch zerstört.

Die Rolle von Vögeln im Isis-Kult

Rituale dieser Art sind bereits durch Gelehrte aus der Antike überliefert, beispielsweise von dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot von Halikarnass, der von Opfergaben an Isis in Form von Vögeln und Ochsen berichtete. Durch die Studie kann diese Praxis nun ganz konkret in der Nähe eines Isis-Tempels nachgewiesen werden.

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    Skultptur Pompeji

    „Wir können bestätigen, dass Vogelopfer einen besonderen Teil der Isis-Rituale ausmachen“, so die Studienautorinnen. Dabei geschah die Auswahl der Opfertiere nicht willkürlich, sondern nach bestimmten Maßstäben. Beispielsweise wird Isis in mehreren Schriften mit Gänsen in Verbindung gebracht – einem Tier, das beim Bankett nachweislich serviert wurde. Darüber hinaus stünden Tauben oftmals als Symbole für weibliche Gottheiten, und Hühner seien bereits als Teil der Rituale anderer Mysterienkulte identifiziert worden.

    Die Funde in Pompeji liefern so einen wichtigen Nachweis über die rituellen Aktivitäten des Isiskults des 1. Jahrhunderts n. Chr., sagen Corbino und Demarchi. „Und das nicht nur in Pompeji, sondern wahrscheinlich im gesamten Römischen Reich zu dieser Zeit.“

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