Bronzezeitliche Pfeilspitze aus Meteorit-Eisen

Vor etwa 2.900 Jahren fertigten Menschen in der heutigen Schweiz eine Pfeilspitze aus Eisen – und nutzten dabei laut aktuellen Untersuchungen kosmisches Material. Nun suchen Forschende nach dem Ursprung des Metalls aus einer anderen Welt.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 11. Aug. 2023, 08:54 MESZ
Pfeilspitze aus Meteorit-Eisen

Kein irdisches Metall: Das Rohmaterial der vor rund 2.900 Jahren gefertigten Pfeilspitze war über lange Zeit kosmischer Strahlung ausgesetzt.

Foto von Thomas Schüpbach / Sammlung Bernisches Historisches Museum

Der Fund einer Pfeilspitze aus dem späten Bronzezeitalter mag zunächst nicht überaus eindrucksvoll wirken. Nur knapp vier Zentimeter lang ist das kleine, gefertigte Metallstück – doch es hat Seltenheitswert.

Denn das Material, aus dem die Pfeilspitze gefertigt wurde, hat keinen irdischen Ursprung. Ein Freiburger Physiker stellt in einem interdisziplinären Projekt des Naturhistorischen Museums Bern fest: Es handelt sich um Metall von einem womöglich weit entfernten Meteoriteneinschlag. Die Ergebnisse der dazugehörigen Studie wurden in der Fachzeitschrift Journal of Archaeological Science veröffentlicht.

Seltener Fund: Metall aus dem Weltall

Gefunden wurde die Pfeilspitze im schweizerischen Mörigen am Bielersee, wo sich während der Bronzezeit von circa 900 bis 800 v. Chr. eine Pfahlbautensiedlung befand. Dortige Ausgrabungen brachten die 39 Millimeter lange und 2,9 Gramm schwere Metallarbeit bereits im 19. Jahrhundert hervor.

Nun sollte endlich der Ursprung des Metalls analysiert und aufgedeckt werden. „Das Besondere an diesem Projekt ist, dass wir höchst interdisziplinär gearbeitet haben und Methoden aus so unterschiedlichen Bereichen wie Archäologie, Meteoritenforschung und Teilchenphysik zusammengebracht haben“, sagt Marc Schumann von der Universität Freiburg, der Teil des Projekts war und mittels der Gammaspektrometrie den naturwissenschaftlichen Nachweis lieferte.

Das vielfältige Interesse ist dem ungewöhnlichen Material der kleinen Pfeilspitze geschuldet. Denn die Verarbeitung von Erz zu Eisen wurde in Zentraleuropa bewiesenermaßen erst seit der Eisenzeit, demnach ab 800 v. Chr., angewandt. Sämtliches Eisen, das vor dieser Zeit verwendet wurde, stammt folglich aus einer anderen, extrem seltenen Quelle: Meteoriten. Funde von Objekten, die aus diesem Metall erschaffen wurden, sind bis heute rar. Von Asien, über Europa bis nach Afrika sind lediglich 22 Fundstellen bekannt, in denen 55 Eisen-Artefakte entdeckt wurden. 19 davon wurden etwa dem Grab von Tutanchamun beigegeben.

Umfassende Analysen des Meteoriten-Metalls

Ein naheliegender Ursprung des Meteorit-Eisens wäre der Twannberg-Meteorit, der nördlich des Bielersees in der Schweiz niederging. Er ist der größte von acht bekannten Meteoritenfunden in der Schweiz und sein Streufeld liegt nahe des Fundorts der Pfeilspitze.

Nur wenige Kilometer nördlich des Fundortes Mörigen liegt das gelb umrandete Einschlagsgebiet des Twannberg-Meteoriten. Trotz der lokalen Nähe stammt das Metall nicht von dort. Satellitenbild der Sentinel-2-Mission vom 29. Mai 2023.

Foto von Naturhistorisches Museum Bern

Umfassende Analysen mittels Röntgenuntersuchungen, Licht- und Rasterelektronenmikroskopie und hochempfindlicher Gammaspektrometrie zeigen: Das Material der Pfeilspitze stammt nicht aus dem Twannberg-Metetoriten. Die Untersuchungen ergaben einen Nickelgehalt von rund 8,3 Prozent – der Twannberg-Meteorit enthält aber eine deutlich geringere Konzentration des Metalls.

Dass das Metall mit Sicherheit aus einem Meteorit stammt, konnte mittels einer Isotopenanalyse bestätigt werden. „Die Produktion mancher dieser Isotope findet nur im Weltall statt“, sagt Schumann. Vergleichswerte des Germaniumgehalts lassen außerdem auf einen Eisenmeteoriten des Typs IAB schließen – der in seiner ursprünglichen Form vermutlich mindestens zwei Tonnen wog.

BELIEBT

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    Da derart große Meteoriten selten sind, schlugen die Forschenden den ebenfalls während der Bronzezeit eingeschlagenen Kaalijarv-Meteoriten als mögliche Quelle des Mörigen-Eisens vor. Um circa 1500 v. Chr. hinterließen seine vielen Fragmente gleich mehrere Krater mit bis zu 100 Metern Durchmesser im heutigen Estland.

    Untersuchungen zu Vergleichsproben waren bislang noch nicht erfolgreich. Die Forschenden führen dies auf die geringe Größe der Eisenfragmente zurück, die durch die Wucht des Kaalijarv-Aufpralls entstanden sind. Fest steht, das Meteoriten-Eisen muss von einem weiter entfernten, großen Einschlag seinen Weg bis in die heutige Schweiz gefunden haben. Wie genau sollen weitere Analysen ergeben. Auch die Artefakte aus dem Grab von Tutanchamun könnten womöglich weitere Aufschlüsse liefern.

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