Der Benz Patent-Motorwagen: Warum das erste Auto der Welt nur drei Räder hatte

Vor fast 140 Jahren baute Carl Benz das erste Benzin-Automobil der Welt. Mit seinem Patent-Motorwagen ebnete er den Weg in ein neues Zeitalter.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 11. Sept. 2023, 09:35 MESZ
Ausfahrt im Benz Patent-Motorwagen "Modell 3": Am Steuer Carl Benz, neben ihm sein kaufmännischer Mitarbeiter Josef ...

Ausfahrt im Benz Patent-Motorwagen "Modell 3": Am Steuer Carl Benz, neben ihm sein kaufmännischer Mitarbeiter Josef Brecht.

Foto von © Daimler AG

Es ist die Silvesternacht im Jahr 1879, als sich das Rad der Geschichte plötzlich schneller dreht. Lange hat Carl Benz auf diesen Moment hingearbeitet. Jetzt ist es ihm endlich gelungen, dass sein selbstentwickelter Zweitaktmotor richtig läuft. Mit einem Mal ist sein Traum zum Greifen nah. Denn der 1844 geborene Maschinenbauer aus Mannheim hat Großes im Sinn. Der neue Motor schafft die Voraussetzung dafür.

Benz‘ Einzylinder-Zweitakter ist ein voller Erfolg. Die Fabrikbesitzer suchen händeringend nach Antriebsmöglichkeiten für ihre Arbeitsmaschinen. So kann Benz im Oktober 1883 mit zwei Partnern die Firma „Benz & Cie. Rheinische Gasmotoren-Fabrik Mannheim“ gründen. Damit hat er die finanziellen Mittel, um seine automobile Vision voranzutreiben: ein Fahrzeug ohne Pferde, angetrieben von einem Benzinmotor.

Lange arbeitet er noch im Verborgenen an seiner Erfindung. Er fürchtet, es könne ihm jemand zuvorkommen. Nacht für Nacht schraubt Benz an dem Prototyp. Er will etwas Neues: einen leichten, von einem Benzinmotor angetriebenen Wagen, bei dem Fahrgestell und Motor eine Einheit bilden. Den Motor bloß in eine vorhandene Kutsche einzubauen, kommt für ihn nicht infrage.

Erfinder und Autopionier: Carl Benz (1844-1929)

Foto von © Daimler AG

Dreirad mit 0,75 PS: Der Benz Patent-Motorwagen

Im Oktober 1885 ist es geschafft. Sein Motorwagen ist fertig. Er hat weder Dach noch Lenkrad und nur drei Räder. Benz hat ihn als leichtes Dreirad konzipiert, weil ihn die gebräuchliche Drehschemel-Lenkung für vierrädrige Kutschen nicht überzeugt. Der Zweitaktmotor ist einem leichteren Viertakter gewichen, der hinter der Sitzbank im Heck verbaut ist. Mit seinen 0,75 PS schafft er 16 km/h. Gesteuert wird der Wagen mit einer Lenkkurbel, gebremst mit einem Handhebel.

Einige Zeitgenossen tun die Erfindung als „Spinnerei“ und „Humbug“ ab. Doch Benz lässt sich nicht beirren. Am 29. Januar 1886 trifft er eine wegweisende Entscheidung: Er meldet sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ zum Patent an. Damit gilt sein Patent-Motorwagen „Modell 1“ als das erste Benzin-Automobil der Welt. Noch im selben Jahr präsentiert auch Gottlieb Daimler ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Allerdings ist Daimlers Motorkutsche keine ganzheitliche Konstruktion, sondern eben nur eine vierrädrige Kutsche mit eingebautem Motor.

Benz tüftelt weiter. Bald entstehen neue Varianten. „Modell 3“ bringt den endgültigen Durchbruch. Es hat einen stärkeren Motor (bis 3 PS) als der Prototyp. Anstelle der fahrradartigen Drahtspeichenräder sind nun robuste Holzräder montiert, die besser mit schlechten Straßenverhältnissen zurechtkommen.

BELIEBT

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    Beim dreirädrigen Patent-Motorwagen aus dem Jahr 1886 (hier das "Modell 1")sitzt die komplette Antriebseinheit mit Einzylinder-Motor, Riemenvorgelege, Differenzial und Achsantrieb im Heck eines Stahlrohrrahmens.

    Foto von © Daimler AG

    Die erste Autoreise der Welt

    Am 1. August 1888 erhält Benz für seinen Patent-Motorwagen eine offizielle Fahrerlaubnis – die Geburtsstunde des Führerscheins, noch ohne Fahrprüfung und theoretischen Test. Wenige Tage später unternimmt seine Frau Bertha im „Modell 3“ die erste Autoreise überhaupt. Ohne Wissen ihres Mannes bricht sie am 5. August mit beiden Söhnen ins 100 Kilometer entfernte Pforzheim auf, um ihre Mutter zu besuchen.

    Kurz darauf wird das „Modell 3“ zum ersten Serienauto der Welt. Auch das Lenkungsproblem ist bald behoben: Im Februar 1893 lässt sich Benz seine Achsschenkel-Lenkung patentieren. Damit ist der Weg frei zu vierrädrigen Fahrzeugen. Noch im gleichen Jahr erscheinen das Modell „Victoria“ und der Viersitzer „Vis-à-Vis“, in dem sich die Fahrgäste auf zwei Bänken gegenübersitzen.

    „Die Liebe zum Erfinden höret nimmer auf“, soll Carl Benz später gesagt haben. Den Siegeszug der Motorisierung erlebt er noch mit. Mit seinen Söhnen gründet er 1906 die Firma „Karl Benz Söhne“. In seinen letzten Lebensjahren, 1926 bis 1929, ist der über 80-Jährige sogar noch als Aufsichtsratsmitglied der neuen Daimler-Benz AG tätig. Am 4. April 1929 stirbt der Autopionier in seinem Haus in Ladenburg.

     

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